Die EU hat die strategische Bedeutung von Advanced Packaging erkannt und fördert den Aufbau lokaler Fertigungen. Warum für den Erfolg dieser Linien Kooperationen entscheidend sind und welche Firmen bereits mit konkreten Projekten vorangehen, erklärt Steffen Kröhnert im Interview mit Markt&Technik.
Markt&Technik: Zunächst hatte es so ausgesehen, dass sich die europäische Initiative zur Förderung der Halbleiterindustrie in Europa vor allem auf die Front-End-Fertigung bezieht, also auf die Fertigung der ICs auf den Wafern. Das Backend und besonders das Advanced Packaging wurde in den bisherigen zwei IPCEI-Projekten (Important Project of Common European Interest) zur Mikroelektronik kaum berücksichtigt. Wie sieht das Bild heute aus?
Steffen Kröhnert, President & Founder ESPAT-Consulting: Im neuen in der Vorbereitung befindlichen Projekt IPCEI AST (Advanced Semiconductor Technologies) ist das Advanced Packaging ausdrücklich unter Querschnittstechnologien genannt. Das war ein wichtiger Schritt. Jetzt sind wir dem Auf- und Ausbaubau einer oder mehrere europäischern Fabs für das Advanced Packaging (Advanced Packaging Foundries und Services) bereits einen wichtigen Schritt nähergekommen. Konkrete Projekte entstehen gerade.
Daneben gibt es verschiedene nationale Förderprogramme. In Deutschland wurde z.B. die „Bekanntmachung für die Förderung von innovativen Investitionsprojekten im Rahmen des Europäischen Chip-Gesetzes“ am 6. November 2024 im Bundesanzeiger veröffentlich. Die Liste mit dem Gegenstand der Förderung wies explizit auch „Aufbau- und Verbindungstechniken von Mikrochips und mikroelektronikbasierten Modulen oder Systemen inklusive Prüftechnologien (Back-End)“ mit aus. Projektanträge mussten bis 10. Januar eingereicht werden. Ich habe einige davon unterstützen und begleiten dürfen. Jetzt, zehn Monate und einige Runden Bürokratie - Überarbeitung und Anpassung der Anträge - später, ist die geplante Förderrate so stark gesunken, dass eine Teilnahme für viele Firmen, insbesondere KMUs, die doch wiederholt besonders gefördert werden sollten, nicht mehr attraktiv ist. Einige haben bereits frustriert hingewurfen und ihren Antrag zurückgezogen.
Wo und von wem sollen Advanced-Packaging-Foundries gebaut werden?
Zunächst haben wir festgestellt, dass der Schlüssel für den europäischen Erfolg auf diesem Gebiet in der Zusammenarbeit liegt. Es hätte wenig Sinn, wenn beispielsweise vier Firmen jeweils etwa 100 Millionen Euro in vier gleichartige Advanced-Packaging-Fertigungslinien investieren würden, die dann mit jeweils 50 Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln unterstützt würden. Denn der europäische Markt wäre für die entstehnde Fertigungsapazität viel zu klein, ein gesunder Wettbewerb könnte nicht entstehen, und das Risiko wäre hoch, dass alle vier Projekte mittelfristig scheiterten. Also schlägt das European Chapter der SEMI Integrated Packaging Assembly and Test – Technology Community (ESiPAT-TC) vor, dass durch Zusammenarbeit und Koordination der Aktivitäten Fertigungskapazitäten für eine Vielzahl an Advanced Packaging Technologien aufgebaut wird und man in Allianzen und Clustern zusammenarbeitet. Das würde zu einem sinnvollen und effizienten Einsatz der Investitionen führen, öffentliche Förderungen eingeschlossen.
Also schlägt das European Chapter der SEMI Integrated Packaging Assembly and Test (SiPAT) vor, dass 100 Millionen Euro in den Aufbau von einer oder zwei Advanced-Packaging-Linien fließen, die eine öffentliche Förderung in Höhe von 40 Millionen Euro erhalten.
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Das ist ESiPAT-TC |
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2014 hatte sich eine Industrie-Interessengruppe von Packaging-Unternehmen gegründet, um auf dem Gebiet des Packaging zu kooperieren und Lobby-Arbeit in Brüssel zu leisten. 2016 zog die Interessengruppe unter das Dach der SEMI und bildet hier das European Chapter der SEMI integrated Packaging Assembly and Test (SiPAT), kurz ESiPAT-TC, wobei TC für Technology Community steht. »Unter dem SEMI-Dach konnten wir sicherstellen, das paneuropäische Netzwerk zu erhalten und auszubauen«, sagt Chair Steffen Kröhnert. Derzeit sind 15 Unternehmen Mitglied der Technology Community. Es gibt einen Aufnahmeantrag, über den das Executive Committee entscheidet. Die Mitglieder bezahlen einen jährlichen symbolischen Mitgliedsbeitrag von 500 Euro. Damit soll eingeschränkt werden, dass Firmen nur dabei sein wollen, um an Informationen heranzukommen, selbst aber nichts beitragen. Weil die ESiPAT zur SEMI gehört, müssen ESiPAT-Mitglieder auch SEMI-Mitglieder sein. »Das Advanced Packaging-Thema nimmt jetzt kräftig an Fahrt auf, die europäischen Projekte konkretisieren sich, und ich bin mir sicher, dass die ESiPAT TC schnell wachsen wird. Unser Ziel ist, bis Ende nächsten Jahres auf 50 Mitglieder zu wachsen«, erklärt Kröhnert. Das sind die Ziele, die sich die ESiPAT gesetzt hat: • Aufbau und Pflege eines starken Backend-Netzwerks in den Regionen • Stärkung des Austauschs zwischen lokalen Zulieferern und Herstellern von Packaging-Geräten und Anbietern von Packaging-Services • Überblick über die Fähigkeiten und Kapazitäten der europäischen SiPAT-Mitglieder geben • Benchmarking von Backend-Einrichtungen • Interessenvertretung und Lobbyarbeit für die EU-Packaging-, Montage- und Testindustrie • Anstoß von EU-finanzierten Projekten Die ESiPAT TC ist eine regionale Gruppe innerhalb von Advanced Packaging and Heterogeneous Integration (APHI) der SEMI. Neben dem Europe Chapter gibt es das Taiwan Chapter und das America‘s Chapter. |
Und es haben sich bereits Unternehmen gefunden, die daran interessiert sind?
Das ESiPAT-TC oder einfach ESiPAT-Community genannt, hat kürzlich einen Member Call durchgeführt, auf dem vier Unternehmen kurz ihtre Pläne präsentiert haben, die mitmachen wollen. Deshalb habe ich oben das Beispiel anhand von vier Unternehmen durchgerechnet.
Wer will sich einbringen?
Der Advanced-Packaging-Spezialist AEMtec in Berlin-Adlershof bringt sein langjähriges Know-how ein und will Fan-Out-Wafer-Level-Packaging (Variante: Chip-First/ Mold-Middle/ RDL-Last) aufbauen – offen zugängliche „First of a kind (FOAK)“ Fertigungskapazitäten, wie vom Fördergeber gefordert. Es ist geplant, mit so genannten reconstituted 200-mm-Wafern zu arbeiten. Allerdings führt AEMtec keine Dünnfilmprozessierung (RDL – ReDistributed Layers) durch. Diese Fertigungsschritte wird deshalb eine weitere Firma übernehmen. Das zeigt deutlich: Die einzelnen Unternehmen in Europa sind zu klein, um solche Advanced Packaging Technologien allein zu stemmen. Ein Unternehmen alleinSie kann hier können nicht das gesamte Technologiespektrum des Advanced Packaging abbilden. Das können, wenn überhaupt, nur die großen OSATs wie ASE und Amkor Technology, und zunehmend die Silicon Foundries wie TSMC, die wiederum nur für hochvolumige Aufträge zur Verfügung stehen.
Deshalb ist es für uns in Europa so wichtig, zu kooperieren. Für die Fan-In Wafer Level Packaging-out-Techniken käme z.B. der Anlagenbauer PacTech in Frage, der ebenfalls auf dem ESiPAT-Community Member Call präsentiert hat. PacTech ist die einerseits Equipment für das Advanced Packaging entwickelt und baut, aber andererseits auch Advanced Packaging-Services wie die Dünnfilmprozessierung anbietet, die für 200 mm und 300mm das Fan-Inout-Wafer-Level-Packaging und Fan-Out Wafer- und Panel Level Packaging benötigt wird. Innovationen wie z.B. eine 3D-RDL-Technology - entwickelt in Europa - könnte hier durch eine Kooperation mit der Firma 3DiS Technologies aus Frankreich zur industriellen Volumenreife geführt und angeboten werden, ein Alleinstellungsmerkmal für einen Europäischen Hersteller, weil es diese Technologie in anderen Regionen noch nicht gibt.
Wenn es darum geht, Chiplets auf Substrate zu setzen und interelligent in 2D und 3D zu verbinden, dann kommt Swissbit ins Spiel, die in Berlin-Marzahn eine sehr beeindruckende Packaging-Fab gebaut hat und sich jetzt mit Packaging Foundry Services neben ihrem internen Geschäft auch für Dritte öffnen will.
Als viertes ist ein Consortium dabei, das aus Thales, Radiall und Foxconn besteht und demnächst eine Firma – vorläufig NewCo genannt – in Frankreich aufbauen will, wo Fertigungskapazitäten für Fan-Out Wafer-Level-Packaging (Variante: RDL-First/ Chip-Middle/ Mold-Last) basierend auf 300 mm reconstituted Wafern entstehen soll.
Warum will Foxconn als taiwanisches EMS-Unternehmen in Europa investieren?
Foxconn hat entschieden, ins Fan-out-Wafer-Level-Packaging einzusteigen, um einen größeren Teil der Wertschöpfungskette abzudecken. Im Mai dieses Jahres hatten Thales, Radiall und FoxConn gemeinsam angekündigt, bis 2031 eine Advanced-Packaging-Fab in Frankreich zu bauen, die pro Jahr 100 Millionen System in Package (SiP) fertigen soll. Zielmärkte sind die europäischen Automotive, Telekom- Luft- und Raumfahrt- sowie Defence-Industrien. Thales teilte damals mit, dass diese Initiative auch andere Akteure aus der europäischen Industrie anziehen sollte und dass über 250 Millionen Euro in das Projekt fließen könnten. Thales benötigt diese Technologie im eigenen Haus, das Projekt soll aber auch für Dritte offen sein.
Kommt sich dies nicht mit AEMtec ins Gehege?
Nein, denn AEMtec konzentriert sich auf die sogenannte Chip-First-Technik, Foxconn auf die Chip-Last-Technik. Das erste Verfahren eignet sich für Chips mit eher weniger IOs, das zweite für Chips mit vielen IOs. Beide ergänzt sich also sehr gut und stellen jeder für sich offen zugängliche FOAK-Fertigungskapazitäten in Europa dar.
Haben sich keine weiteren Unternehmen gefunden, die mitmachen wollen?
Doch, es gibt weitere Firmen, die im Advanced-Packaging-Sektor Pläne für Europa haben und ebenfalls mitmachen wollen. Deshalb wird die ESiPAT Community noch in diesem Jahr einen weiteren Member Call dazu durchführen.
Mindestens vier Unternehmen haben bereits zugesagt, sich mit Vorträgen an diesem Call zu beteiligen: Synergy CAD PSC mit Sitz in Toulouse, SERMA Microelectronics, das sich auf das Packaging von HiRel-Komponenten spezialisiert hat, ALTER Technology, das in Spanien aktiv ist und 2011 von der TÜV Nord Gruppe übernommen wurde. 2016 hat die Gruppe die britische Optocap gekauft, und 2021 wurde das Photonics Design Center in Schottland gegründet. Das Unternehmen bietet also eine ganze Reihe von Packaging-Services an, vom Design über Assembly für bis zum Test und Qualifizierung. Dazu gehört auch die Heterogeneous Integration für elektro-optische Packages. Und schließlich laden wir Silicon Box ein, sich zu beteiligen.
Silicon Box mit Sitz in Singapur hat sich auf Advanced Packaging, SiP und Panel-Level-Technologien spezialisiert. Im März vergangenen Jahres kündete CEO und Mitgründer BJ Han an, in Norditalien eine Packaging-Foundry bauen zu wollen, in die 3,2 Milliarden Euro fließen sollen. Was ist der aktuelle Stand?
Der italienische Staat unterstützt das Vorhaben und will Beihilfen geben. Außerdem hat die EU im Rahmen des EU Chips Act 1,3 Milliarden Euro zugesagt. Soviel ich weiß, laufen die Verhandlungen noch. Wir hoffen bald mehr über Technologien und Volumen zu erfahren. Die Investmentsumme lässt Großes erwarten. Unklar ist, ab welchen Volumen Aufträge angenommen werden. Panel-Level-Technologien sid typischerweise ungeeignet für kleine und mittlere Volum,en, wie wir sie von Europäischen Kunden oft sehen.
Kritiker könnten nun einwenden, dass das Packaging eben in Asien stattfindet und auch niemals mehr nach Europa zurückkommen werde, weil es hier mehr kostet. Die hier ansässigen Unternehmen, die im globalen Wettbewerb stehen, könnten sich die Zusatzkosten nicht leisten und würden also nicht in Europa kaufen. Europäische Packaging-Linien über Subventionen hier aufzubauen, sei Verschwendung von Steuergeldern. Was halten sie von dieser Argumentation?
Das herkömmliche Packaging findet in Asien statt, das wollen wir gar nicht ändern. Es geht vielmehr darum, dass wir in Europa die Möglichkeit haben sollten, das Advanced Packaging und die Heterogeneous Integration in kleinen und mittleren Stückzahlen durchführen zu können. Das ist strategisch von größter Wichtigkeit.
Was verstehen Sie unter mittleren Stückzahlen?
100.000 pro Jahr ist eine typische mittlere Stückzahl. Das ist für Institute zu viel, für die großen OSATs aber zu wenig.
Warum ist es so wichtig, in diesen Mengen fertigen zu können?
Das Advanced Packaging stellt einen wichtigen Schritt in der Halbleiterfertigung für die neuesten Chipgenerationen dar, wie sie in Luft- und Raumfahrt, in Automobilen, in der Industrie in der Kommunikation und im Defense-Sektor dringend benötigt werden. Die entscheidenden Prozessschritte finden heute nicht mehr nur auf Wafer-Ebene statt, sondern auch im Packaging. Denn es geht darum, mehrere ICs beziehungsweise Chiplets nebeneinander auf ein Substrat oder übereinander verbunden durch Through Silicon Vias in ein Gehäuse zu setzen. Außerdem müssen elektronische und optische Komponenten in einem Gehäuse integriert werden. Um mehrere Chips im Wafer-Verbund oder im Panel-Verbund parallel und damit kosteneffektiv verarbeiten zu können, sind Fan-out-Wafer-Level- und Fan-out-Panel-Level Packaging-Techniken erforderlich. All das zählt zum Advanced Packaging. Wenn Europa souverän sein will, müssen diese Technologien hier vor Ort für kleine um mittlere Stückzahlen zur Verfügung stehen. Für hohe Stückzahlen haben wir bereits einen Hersteller: Amkor in Portugal.