Eine Situation, die auch Startups unter Druck setzt. »Die Lieferzeiten haben sich massiv erhöht und liegen heute beispielsweise für Heimspeicherbatterien bei drei bis sechs Monaten oder auch länger«, berichtet Dr. Michael Roscher, Gründer von LioVolt in Chemnitz. Bei Dynamis Batterien verweist Vertriebsleiter Josef Pfeil darauf, »dass wir es durch eine stark hochgefahrene Lagerhaltung geschafft haben, dass die meisten unserer Produkte nach wie vor innerhalb von drei bis sechs Wochen lieferbar sind«. Bei Neuentwicklungen sei der Flaschenhals aber eher bei ICs und Steckverbindern zu suchen als bei Batterien oder Akkus: »Lieferzeiten von 40 bis 60 Wochen sind dort keine Seltenheit mehr!«
Einen Versorgungsnotstand will Tino Gehrmann, Product Manager bei HY-Line in der Schweiz, nicht sehen, »allerdings sind die Lieferzeiten gestiegen«. Zudem würden neu zu entwickelnde Systeme auch unter der Überlastung der Prüflabore leiden: »Notwendige Tests und Zulassungen dauern heute sehr viel länger, wodurch sich die Entwicklungszeiten erhöhen.« Marc Henn, Application Engineering Manager bei Tadiran Batteries, sieht die aktuelle Lieferzeit bei Standardprodukten derzeit bei 14 bis 16 Wochen. »Materialengpässe bei allen Eingangsmaterialien und die weltweiten Probleme in der Logistik sind deutlich spürbar, die Verfügbarkeit der Produkte ist gesunken.«
Längere Lieferzeiten sind jedoch nicht das einzige Problem für die Kunden auf dem deutschsprachigen Markt, hinzu kommen deutliche Preissteigerungen. »Im Bereich Lithium Primär erhalten wir fast quartalsweise neue Preise«, so Pfeil. Bei Lithium-Ionen-Zellen hält er abhängig von der Entwicklung der Rohstoffpreise in diesem Jahr noch Preissteigerungen von 10 bis 25 Prozent für möglich. Bei Hy-Line rechnet man mit Preisanpassungen innerhalb der nächsten vier bis sechs Monate. Nach Gehrmanns Einschätzung könnten die Preise im kommenden Quartal um 10 bis 15 Prozent steigen.
Preiserhöhungen, so Suter, »erfolgen derzeit alle drei bis sechs Monate«. Weitere Verteuerungen seien abhängig vom Rohstoffmarkt; »ich gehe aber von einer nochmaligen Erhöhung um 20 bis 30 Prozent aus«. Wie sich die Situation aus Sicht eines der großen Zellen-Hersteller darstellt, macht Sonnemann deutlich: »Die Rohmaterialpreise für Lithium, Cobalt und Nickel sind in den letzten Monaten drastisch angestiegen, eine Preisanpassung im Abstand von sechs Monaten ist somit nicht zu vermeiden!«
Nach den Erfahrungen von Schmidt liegen die Preiserhöhungen für Zellen derzeit im Bereich von 10 bis 40 Prozent. »Im Zeitraum von Januar bis Mai dieses Jahres waren Preise in den Angeboten oft nur einige Tage gültig. Mittlerweile versuchen chinesische Lieferanten, die Preise wieder für einen längeren Zeitraum von drei bis fünf Monaten zu gewähren.« – Tagespreise, diese Erfahrung hat auch Hack gemacht. »Man kann die aktuelle Situation mit der Börse vergleichen, da gibt es auch keine Entspannung.« Hack geht allerdings nicht davon aus, dass die Rohstoffpreise der Haupttreiber in den nächsten Monaten sein werden. »In meinen Augen sind die hoch angespannte Frachtsituation und der schwache Euro dafür verantwortlich.« Je nach Technologie und Zellen geht er von weiteren Preissteigerungen von 5 bis 8 Prozent aus.
»Neben Rohstoff- und Energiepreisen spielen bei der aktuellen Entwicklung auch Wechselkurseffekte und Logistikkosten eine Rolle«, bestätigt Eichhorn. »Die Tatsache, dass sich derzeit selbst spezialisierte Analysten in ihren mittel- und langfristigen Prognosen erheblich widersprechen, zeigt, wie komplex die Bewertung der Situation mittlerweile geworden ist.« Sein Fazit: »Von einer kurzfristigen Entspannung innerhalb der kommenden Monate geht, glaube ich, kaum jemand in der Branche aus, weitere Verteuerungen sind nicht auszuschließen.«
Branchenindex
Eingetrübter Erwartungshorizont
Vielleicht war es ja die Hoffnung auf ein Abklingen der Covid-19-bedingten Probleme vor allem in China, die im Rückblick die Branchenstimmung im zweiten Halbjahr 2021 auf einen Index-Wert von 2,22 steigen ließ und damit deutlich über dem ursprünglich erwarteten Wert von 0,9 lag. Aber diese Hoffnungen haben sich inzwischen zerschlagen, wie die jüngsten Lockdowns etwa in Shanghai beweisen. So sank die Branchenstimmung im ersten Halbjahr 2022 auf 1,44. Es dürfte den noch kaum abschätzbaren mittel- und langfristigen Auswirkungen des Ukrainekrieges und der deutlich gestiegenen Inflation geschuldet sein, dass sich die Branchenstimmung in der zweiten Jahreshälfte 2022 auf frostige 0,55 Prozent abkühlt.