Joachim Pfülb, Vice President bei Beck Elektronik Bauelemente, ist sich sicher: »Die Lücken, die da in der Lieferkette aufreißen, wenn man das drei, vier Wochen vorausdenkt, dann wird das das absolute Chaos, denn dann sind hier die Lager leer.« Es werden dann wieder die 2 Prozent, die man nicht auf Lager habe, »darüber entscheiden, ob man als System- oder Gerätehersteller Geschäft macht oder nicht«.
Wie offen die Situation Mitte Februar war, zeigt ein Diskussionsbeitrag von Andreas Hammer, Vice President Sales EMEA bei Kemet Electronics: »Der ganze Spuk kann in zwei, drei Wochen vorbei sein, alle gehen zurück in ihre Produktionsstätten und wir haben vielleicht ein Gap von zwei, drei Wochen, das müsste diese Branche verkraften können.« Bei Kemet habe man für das Chinese New Year vorproduziert, deshalb sei der Impact bislang minimal. »Wir diskutieren hier über etwas, was wir noch gar nicht wissen können«, so sein Einwand, »aber wir müssen uns Gedanken darüber machen, wo die Aufträge herkommen, die schon Ende letzten Jahres die Auftragsbücher der Branche gefüllt haben. Hier könnte sich das Thema Coronavirus durchaus noch als verstärkender Hebel erweisen«.
Welche Dimensionen das Thema 5G in diesem Jahr erreichen könnte, macht Quecke am Beispiel der geplanten iPhone12-Produktion klar. »Foxconn soll im ersten Halbjahr 2020 rund 20 Millionen dieser Geräte produzieren und in der zweiten Jahreshälfte 280 Millionen Stück«. Dann sei da noch das Thema 5G. »Deutschland braucht da für eine flächendeckende Abdeckung rund 825.000 Basisstationen«, so Quecke. »Da kann man sich vorstellen, welche Bedarfsmengen für die USA oder China notwendig sein werden.«
Den anziehenden Markt, von dem neben Yageo auch Taiyo Yuden, TDK oder Vishay gesprochen haben, sieht auch Benjamin Blume, Team Leader Application Engineering bei Samsung Electro-Mechanics. »Wir beobachten das bereits seit Ende letzten Jahres in Asien.« Er verweist zudem darauf, dass das Mitte Februar vorgestellte Galaxy S20 komplett für 5G ausgestattet ist. Der Bedarfssprung der MLCCs, der bei den Smartphones vor zwei Jahren beim Übergang von der einen zur nächsten Generation zu beobachten war, würde sich aber mit 5G nicht wiederholen. »Natürlich sind da wieder einige mehr drin, aber es ist keine Steigerung um mehrere hundert Bauteile mehr.«
Dass die Aufträge, die derzeit die Bücher der Bauelemente-Hersteller in Asien füllen, hauptsächlich aus dem 5G-Bereich kommen, bestätigt auch Harald Sauer, Director bei Taiyo Yuden Europe. »Vor diesem Hintergrund kamen bereits Ende letzten Jahres von verschiedenen Kondensator-Herstellern Warnungen heraus, dass es bei den kleinen Bauformen wieder eng wird.« Auch Sauer betont deshalb, »dass wir bereits vor dem Coronavirus volle Auftragsbücher hatten«. Sauer geht deshalb davon aus, dass die Zuteilung von Ware in den nächsten Wochen und Monaten wieder ein Thema sein wird.
Jörg Wüstner, Business Development Manager in der Business Unit Automotive bei Murata Europe, weist darauf hin, »dass diese Verknappung bislang nur kleine Bauformen betrifft, die für Smartphones und Mobilapplikationen zum Einsatz kommen. Es handelt sich also um Bauformen, die in Europa nicht so stark zum Einsatz kommen«. Aktuell sieht Wüstner keine Probleme bei den Lieferzeiten. »Die Produktionslinien für Smartphones und Automotive beispielsweise sind vollständig voneinander entkoppelt.« Ohne Alarmismus betreiben zu wollen, weist Dr. Arne Albertsen, Senior Sales Manager bei Jianghai Europe, darauf hin, dass Vormaterialien und Logistik durchaus Themen seien, mit denen man sich bei Jianghai in China beschäftige. »Kommt es zu einer weiteren Ausweitung der Epidemie, kann das durchaus schwere Folgen haben und in längere Ausfälle münden.« Dr. Albertsen weist darauf hin, dass es nichts bringe, jetzt in Panik zu verfallen, »aber letztlich kann dieses Phänomen viele schwere und weitreichendere Folgen für die Weltwirtschaft haben, als wir das heute in dieser Runde absehen können«. Die Entwicklung der folgenden Wochen bis Anfang März sollte ihm Recht geben.