Halbleiter in der Medizintechnik

Neue Referenzdesigns für Embedded Medical

17. Mai 2024, 9:02 Uhr | Ute Häußler
Das kleine Analog-Frontend-Modul von Onsemi ist für die kontinuierliche Blutzuckermessung per Amperometrik udn weitere elektrochemische Sensorik gemacht.
© WFM

Die Medizintechnik ist bei den Komponentenbauern gesetzt – mit steigender Digitalisierung auch und gerade bei den Halbleiterherstellern. Fast alle Key Player zeigten auf der Embedded World 2024 Medizintechnikdemos mit passende Hard- und Software für die Embedded-Medical-Entwicklung. Eine Kurzvisite.

Diesen Artikel anhören
ADI Cybersecurtiy Medical IoMT Medizintechnik Verschlüsselung Design Halbleiter
Cybersecurity für Nicht-Kryptografen - neue »Secury Authenticators«-Bausteine sollen in vernetzten Medizingeräten für starke Sicherheit in Bezug auf Datenintegrität, Authentifizierung und Schutz der Privatsphäre sorgen.
© ADI

»Cyber-Attacken sollten keinem Patienten schaden«

Die Digitalisierung ist am Point-of-Care angekommen. »Medizinische Wearables, Infusionspumpen oder Patienten-Apps bieten ein großes Einfallstor für Hacker«, meint Christophe Tremlet von Analog Devices. Beim Halbleiterkonzern stand deshalb das Thema Medical Security im Fokus für Medizintechnik auf der Embedded World. Integrierte, hardwarebasierte »Secury Authenticators«-Bausteine sollen in vernetzten Medizingeräten für starke Sicherheit in Bezug auf Datenintegrität, Authentifizierung und Schutz der Privatsphäre sorgen – ohne dass sich Medizingeräteentwickler mit Verschlüsselungstechniken auseinandersetzen müssen. Die vorprogrammierten Sicherheits-ICs, in denen die wesentlichen kryptografischen Funktionen eingebettet sind, werden mit schlüsselfertigen Softwarebibliotheken geliefert, sodass auch Nicht-Kryptografie-Experten robuste Sicherheitsmaßnahmen in Medizingeräten implementieren können. Die Sicherheitslösungen von ADI sollen damit nicht nur den Schutz sensibler Patienteninformationen gewährleisten, deren unbefugte Nutzung und Manipulation verhindern und die Integrität von medizinischen IoT-Geräten garantieren – die vorgefertigten Hard- und Softwarebausteine sollen Medizintechnik-OEMs auch helfen, die strengen MDR- und FDA-Richtlinien zur Cybersecurity einzuhalten.

Anbieter zum Thema

zu Matchmaker+
embedded world 2024 medical medizintechnik halbleiter Arrow Referenzdesign
Das Referenzdesign für eine Endoskopie-Kamera setzt auf den Raspberry PI, ams Osram Bildsensoren und Video Bridging von Citrobits.
© Arrow

Endoskopiekamera mit dem Raspberry Pi

Die Elektronikspezialisten des Distributors Arrow zeigten auf der Embedded World in Nürnberg ihre Medizintechnikkompetenz. Brian Shay, Technical Solutions Manager bei Arrow, stellte einen Proof of Concept als »Medical Package to Go« für die Endoskopie vor; hauptsächlich bestehend aus einem Lattice Crosslink Evaluation Board für die FPGA-Entwicklung, einem 1x1 Quadratmillimeter großem NanEye-Bildsensor von ams Osram als Kamera sowie einem Video-Bridge-Modul von Citrobits. Der Minisensor speziell für Endoskope hat eine Auflösung von 320 x 320 Pixeln mit einem hochempfindlichen 3 µm x  3µm Rolling Shutter; die Bildrate ist zwischen 3 Frames/s und 49 Frames/s einstellbar. Ein Meter langes Kabel mit 4 Signalsträngen für Strom & Erdung, Daten & Konfiguration sowie den Videostream verbindet das FPGA-Board über ein Interface-Board mit der Kamera, für die Bilddaten wird LVDS genutzt. Für das Video-Bridging zum Host Processor – in der Demo ein Raspberry Pi – wird ein MIPI-Interface genutzt. Auf dem Lattice FPGA Board kann eine Bildvorverarbeitung passieren, auch Sensor Stitching und Videoaggregierung für das Zusammenführen von Daten aus mehreren Bildsensoren ist möglich.

embedded world 2024 medical medizintechnik halbleiter module COM HPC standard mini Referenzdesign
Embedded Module müssen gerade in der Medizintechnik riesige Datenströme verarbeiten - dabei hilft, auch für KI-Applikation der COM HPC Mini-Standard.
© Congatec

Com-HPC MIni für Medizindatendurchsatz am Edge

Bei den Deggendorfer Embedded-Experten von Congatec stand für die Medizintechnik der COM-HPC-Standard in Nürnberg im Mittelpunkt. Gerade in der digitalen Bildgebung und mit dem Einzug von Edge- und Embedded-KI ist der Datendurchsatz stark gestiegen, der ältere Embedded-Modul-Standard Com-Express reiche dafür nicht mehr aus. »Der sehr kleine COM-HPC Mini ist mit seinem Scheckkartenformat prädestiniert für den Einsatz in mobilen Medizingeräten wie Ultraschall-Scannern, er schafft Faktor 20 an Datendurchsatz,« sagt Medical-Marktmanager Zeljko Loncaric. Der kleinste Open-Standard ist für Intel Multi-Core-Performance ausgelegt und bietet auch KI-Applikationen beste Voraussetzungen. »Früher war ein extra Prozessor für das Aufbereiten der medizinischen Bildsignale nötig, jetzt sind CPU und GPU – und bald auch NPU – integriert und es läuft noch eine lokale Echtzeitanalyse,« fasst Loncaric die Entwicklung bei den Embedded-Modulen für Medizingeräte zusammen. Doch wichtigste Frage der Medizinkunden sei aktuell, wieviel KI ein Medizingerät am Edge tatsächlich brauche, wie viele TOPs wirklich nötig seien. »Die Ultraschallsoftware muss ja weiterlaufen, die Integration ist mit künstlicher Intelligenz deutlich komplizierter geworden.« Den Softwareherausforderungen will Congatec mit seinen Embedded-Modulen entgegentreten und das Ökosystem der großen Chiphersteller über vorinstallierte Stacks zugänglich machen.

embedded world 2024 medical medizintechnik halbleiter AFE Referenzdesign
Der CEM102 von Onsemi (verbaut im Referenzdesign im Aufmacherbild) ermöglicht die elektrochemische Messung von Blutzucker.
© Onsemi

ICs für die amperometrische Messung von Blutzucker

Beim IC-Hersteller Onsemi war in Halle 4a der Klassiker der Medizintechnik zu sehen, in modernstem technologischem Gewand: die Blutzuckermessung. Das analoge Frontend (AFE) CEM102 wurde für die kontinuierliche Glukoseüberwachung (CGM) und andere präzise amperometrische Messungen entwickelt. Mit seinem kleinen Formfaktor von nur 1,8 x 1,8 Quadratmillimetern und dem geringen Stromverbrauch ermöglicht der Halbleiterbaustein eine weitere Miniaturisierung und eine längere Batterielebensdauer in IoT-Sensorgeräten und Wearables. Das CEM102-Analog-Frontend ist für die Verwendung mit dem drahtlosen Bluetooth-5.2-fähigen Mikrocontroller RSL15 konzipiert und eignet sich mit 2 Kanälen für elektrochemische Multisensorik. Es erkennt abnormale Sensorzustände und verfügt über eine Aufwachfunktion für den Host-Prozessor. Laut Alessandro Maggioni, Senior Manager EMEA, ist der Glukose-Baustein bereits bei mehreren Medtech-Kunden im Einsatz. Wie in der Branche üblich, unterlägen die Projekte aber alle einem NDA. Mit einem breiten Versorgungsspannungsbereich von 1,3 bis 3,6 V kann das System mit einer 1,5-V-Silberoxidbatterie oder einer 3-V-Knopfzelle betrieben werden. Der Betrieb benötigt nur 50 nA im deaktivierten Modus, 2 µA im sensorgespeisten Modus und 3,5 µA im aktiven Messmodus, wobei der 18-Bit-ADC kontinuierlich wandelt. Dies entspricht einer Betriebsdauer von 14 Tagen mit nur einer 3 mAh-Batterie oder mehreren Jahren mit größeren Batterien. Darüber hinaus bietet der IC eine höhere Genauigkeit, verbesserte Rauschunterdrückung und einen geringeren Stromverbrauch. Das Plattformkonzept sorgt zudem für eine vereinfachte Bill of Materials (BoM), einfache Kalibrierung und reduzierte Komplexität in der Fertigung.

embedded world 2024 medical medizintechnik halbleiter IC Texas Instruments TI Referenzdesign
Die »Mickey Mouse«-Demo von TI auf der embedded world war ein Teil der Medizintechnik-Referenzdesigns mit teilweise vorzertfizierten Analog-Digital-Komponenten.
© WFM (Uh)

Analog-Digital-Bausteine für medizinische Designs

Bei TI ist Medizintechnik Teil des Industriesektors und daher von Haus aus auf Skalierbarkeit ausgelegt – was den aktuellen Anforderungen für Embedded-Medical-Entwicklungen und die medizinische Zertifizierung sehr entgegenkommt. »Entwickler sollen nicht das Board tauschen müssen, wenn sie nur eine Komponente darauf ersetzen,« betont Vinay Agarwal, VP Embedded Processing auf der Embedded World 2024. Insbesondere in mobilen Medizingeräten komme es für eine hohe Leistung neben digitalen Komponenten auch stark auf die analoge Integration sowie Verstärker und Komparatoren für die Signalkonditionierung und eine möglichst geringe Speichernutzung an. Texas Instruments bietet einen ganzen Baukasten an einfach zu nutzenden Tools, Software-Packages für die Signalverarbeitung sowie Entwicklungs- und Referenz-Kits an, die in einer Vielzahl medizinischer Geräte bzw. dem IC-Design und dem Aufbau von Edge-AI-Komponenten helfen – teilweise auch bereits vorzertifiziert. Vor Ort in Halle 3A zeigte TI einen einfachen MCU-basierten medizinischen Alarm. Das Referenzdesign setze auf die MCU MSPM0G3507 und demonstrierte sowohl Primär-, Back-up- wie auch visuelle Alarmfunktionalität für die Entwicklung gemäß IEC 60601-1-8 für medizinelektrische Geräte.


Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu onsemi Germany GmbH

Weitere Artikel zu Texas Instruments Deutschland GmbH

Weitere Artikel zu Arrow Central Europe GmbH

Weitere Artikel zu Analog Devices GmbH

Weitere Artikel zu Texas Instruments

Weitere Artikel zu congatec AG

Weitere Artikel zu Arrow Electronics

Weitere Artikel zu Analog-Frontend-ICs

Weitere Artikel zu Embedded Technologie

Weitere Artikel zu Medizintechnik

Weitere Artikel zu Echtzeit-/Embedded Software

Weitere Artikel zu MEMS- und Halbleitersensoren

Weitere Artikel zu Sensoren & -systeme

Weitere Artikel zu Embedded-Systeme