Entwicklungsprozesse werden komplexer

Entwicklung von Embedded-Software managen

12. November 2025, 12:33 Uhr | Dr. Tobias Fürtjes und Steven Humphrey, PTC / ak
Ein agiler Produktentwicklungsprozess ist angesichts der heutigen Herausforderungen hilfreich.
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Viel ist aktuell zu lesen über Software-Defined Vehicles. Doch auch andere elektronische Produkte beruhen immer stärker auf Software. Das bedeutet für Hersteller: Sie müssen ganz andere Entwicklungsprozesse in den Griff bekommen, um Transparenz, Nachverfolgbarkeit und Compliance sicherzustellen.

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Embedded-Software wird immer komplexer und vielschichtiger – und weil dies so ist, steigt auch die Komplexität der Entwicklungsprozesse. Doch es gibt Abhilfe, wie zwei Beispiele verdeutlichen.

Die Flexibilität der Agile-Denkweise und die starren Vorgaben des V-Modells, eines Vorgehensmodells für die Software-Entwicklung, in Einklang zu bringen, war eine große Herausforderung für das Unternehmen Navya, das sich auf die Entwicklung autonomer Fahrsysteme spezialisiert und das erste kommerziell verfügbare selbstfahrende Shuttle auf den Markt gebracht hat. Die Softwareteams verwendeten Agile und nutzten – wie viele andere Unternehmen auch – eine Mischung verschiedener Tools. Die Synchronisierung zwischen den Teams war unzureichend, es gab keine einzuhaltenden Verfahren und keinen Einblick in den Entwicklungsprozess. Das stand im Konflikt mit den strengen regulatorischen Anforderungen für die funktionale Sicherheit in der Mobilitätsbranche.

Ganz ähnlich war die Situation in der Neuromodulationsabteilung des Medizintechnikunternehmens Medtronic. Das Entwicklungsteam war zwar mit der Funktionalität zufrieden, doch die isolierten, manuell integrierten Tools beeinträchtigten die Transparenz und machten die Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit von Anforderungen bis hin zum Quellcode sowie den Export der Dokumentationen für Compliance-Audits der FDA problematisch.

Was sie benötigten, war eine Lösung für die Verwaltung des Anwendungs-Lebenszyklus (Application Lifecycle Management, ALM). ALM bildet das organisatorische Rückgrat des Software-Lebenszyklus von der ersten Anforderungsaufnahme über Design und Tests bis zur Bereitstellung und Wartung. Durch die Integration aller Phasen ermöglicht ALM Unternehmen, ihre Prozesse zu optimieren, die Zusammenarbeit aller an der Entwicklung beteiligten Abteilungen zu unterstützen und die Qualität ihrer Produkte signifikant zu verbessern.

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Innovationen werden heutzutage hauptsächlich von der Software getrieben.
Innovationen werden heutzutage hauptsächlich von der Software getrieben.
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Wesentliche Funktionen eines ALM-Systems

Um die Anforderungen der aktuellen Produktionsstandards zu erfüllen, sollte ein ALM-System gewisse Kernfunktionen enthalten. Zentral ist eine umfassende Dokumentation und granulare Nachverfolgbarkeit für die Einhaltung aller relevanten regulatorischen Vorgaben. Wichtig ist zudem die Integration in bestehende IT-Systeme. Das ALM-System muss ohne manuelle Eingriffe Daten aus verschiedenen Quellen synchronisieren können. Nur so ist gewährleistet, dass alle relevanten Daten in einer zentralen Plattform konsistent verwaltet werden und alle Beteiligten auf aktuelle und korrekte Daten zugreifen können.

Zudem unterstützt ein leistungsfähiges ALM agile Entwicklungsmethoden wie Scrum oder Kanban, sodass Teams in kurzen Iterationen arbeiten, Feedback schnell integrieren und Anpassungen in Echtzeit vornehmen können.

Medtronic Neuromodulation legte für die Auswahl einer geeigneten ALM-Software folgende Bewertungskriterien fest:

  • Benutzerfreundlichkeit mit übersichtlicher Visualisierung und bequemer Navigation
  • Rückverfolgbarkeit
  • Flexible Konfigurationsoptionen zur Unterstützung der Compliance
  • Starke Kernfunktionen: Anforderungsmanagement, Quellcodeverwaltung, Qualitätssicherung, Testfunktionen, Dokumentenmanagement-Funktionen
  • Angemessene Gesamtbetriebskosten (TCO)

Außerdem sollte die ALM-Software vollständig integriert, robust, flexibel und Cloud-basiert sein. Bei Navya standen ganz ähnliche Kriterien auf der Liste – und beide wählten schließlich Codebeamer von PTC. »Wir mussten die Kundenbedürfnisse erfassen und sie bis hin zu den Produktanforderungen, dem Design, den Tests und dem Quellcode zurückverfolgen«, erläutert Sarb Singh-Kaur, Director of Patient Care Software bei Medtronic Neuromodulation. »Codebeamer war das einzige Tool, mit dem wir dies reibungslos tun konnten.« Bei Navya waren die Flexibilität bei der Einrichtung der Umgebung und bei dynamischen Objekten die Hauptargumente für die Entscheidung.

Humphrey Steven von PTC
Steven Humphrey, Electronics and High-Tech (E&HT) Industry Advisor, PTC
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ALM erfolgreich implementieren

Die Einführung eines ALM-Systems geht kaum ohne Herausforderungen vonstatten. Eine der häufigsten sind Widerstände der Mitarbeitenden. Um ihnen entgegenzuwirken, braucht es ein umfassendes Change Management, das alle Beteiligten aktiv in den Veränderungsprozess einbezieht und das Bewusstsein für die Vorteile des neuen Systems schärft.

Zudem ist es entscheidend, die Prozesse an die Anforderungen eines ALM-Systems anzupassen. Dies gelingt umso erfolgreicher, je mehr Unternehmen bereit sind, ihre Arbeitsabläufe kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls neu zu gestalten sowie etablierte Strukturen aufzubrechen.

Beim Neuromodulationsteam von Medtronic gingen Prozessänderung und die Einführung der ALM-Software Hand in Hand. Um die neuen internen Prozesse zu etablieren, hat das Unternehmen Tracker, Projekte, Rollen und Workflows konfiguriert. »Wir haben unsere Prozesse komplett umgestaltet und Codebeamer als Instrument genutzt, um diesen Wandel voranzutreiben«, berichtet Sarb Singh-Kaur. »In weniger als 30 Tagen waren wir startklar.«

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Datenmigration: Die bestehenden Daten müssen sorgfältig migriert und das System in die vorhandene IT-Infrastruktur integriert werden. Nur so lässt sich sicherstellen, dass alle relevanten Informationen zentral, konsistent und jederzeit zugänglich sind und das ALM-System als verlässliche Basis für die Planung, Entwicklung und Verwaltung dienen kann.

Fürtjes Tobias von PTC
Dr. Tobias Fürtjes, Head of CER Business Development, PTC
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Software mit Hardware verbinden

Weil auch Software-definierte elektronische Produkte nicht ohne Hardware auskommen, ist es zudem entscheidend, die Entwicklungsteams für Software, Elektronik und Mechanik möglichst nahtlos zu verbinden. Denn arbeiten diese in Silos, verbringen Ingenieure und Entwickler viel Zeit damit, die Informationen zu finden, die sie brauchen – und sind dann oft unsicher, ob sie den Daten vertrauen können, weil nicht klar ist, ob diese aktuell sind. Änderungen, die sich auf die Daten auswirken, lassen sich nicht einsehen, Fehler oder Unstimmigkeiten werden erst spät bemerkt, was zu Verzögerungen und erhöhten Kosten führt.

Für die Hardwareentwicklung setzen viele Unternehmen bereits auf ein PLM-System (Product Lifecycle Management). Durch die Integration von ALM und PLM können sie alle genannten Schwierigkeiten bewältigen und die digitalen und physischen Komponenten ihrer Produkte über den gesamten Produktlebenszyklus aufeinander abstimmen. Sie verfügen über einen digitalen Faden, der ihnen hilft, die Produktqualität zu gewährleisten, mit effizienteren Prozessen zu Produktinnovationen zu kommen und so die Time-to-Market zu verkürzen. Er ermöglicht die Rückverfolgbarkeit und unterstützt damit das Management von Anforderungen, Änderungen, Konfigurationen und Tests sowie die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften.

Embedded Software bleibt ein wichtiger Innovationstreiber. Unternehmen, die ihren Entwicklungsteams ermöglichen, effizient zusammenzuarbeiten, werden diese Innovationen anführen.

Wie stark können Unternehmen profitieren?

ALM-PLM-Integration als Ziel

Wer die folgenden sieben Fragen für sich beantwortet, erhält einen groben Eindruck, wie sehr sein Unternehmen von der Integration von ALM und PLM profitieren könnte:

1. Wieviel Zeit benötigt Ihr Team für die Suche nach Daten, die Bewertung von Änderungen oder die Wiederholung von Arbeiten aufgrund veralteter Daten?

2. Um wieviel besser und innovativer könnten Ihre Produkte sein, wenn diese Zeit für wertschöpfende Tätigkeiten zur Verfügung stehen würde?

3. Um wie viel schneller könnten Sie Ihre Produkte auf den Markt bringen?

4. Könnten Ihre Entwicklungsteams von einer verstärkten Wiederverwendung von Software und Subsystemen profitieren?

5. Lassen sich Probleme relativ einfach auf die Quelle, Anforderungen und den Testfall zurückverfolgen?

6. Unterstützen Ihre Software-Prozesse die kontinuierliche Integration (CI) bzw. die kontinuierliche Bereitstellung (CD)?

7. Würden automatisierte Prozesse die Erstellung von Berichten zur Einhaltung gesetzlicher Vorgaben erleichtern?

 

 

 


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