GaN-basiertes Leistungsmodul

Hoher Wirkungsgrad, klein, kostengünstig und leise

25. Juli 2024, 6:30 Uhr | Iris Stroh
Bild 1: Vergleich des Wirkungsgrads von GaN-, MOSFET- und IGBT-Schaltungen bei einer Schaltfrequenz von 20 kHz
© Texas Instruments

Texas Instruments (TI) hat mit dem DRV7308 laut eigener Aussage das industrieweit erste intelligente, GaN-basierte Leistungsmodul (IPM) auf den Markt gebracht – es ist sogar das erste IPM von TI überhaupt.

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Mit dem 650-V-IPM zielt TI auf Antriebsanwendungen in größeren Haushaltsgeräten und HLK-Systemen (Heizung, Lüftung, Klima). 

Konkret ist das dreiphasige 650-V-IPM für Antriebe mit einer Leistung von 150 bis 250 W ausgelegt und soll laut TI diverse Nachteile von bisherigen IPMs ausräumen. So erklärt Giovanni Campanella, General Manager Appliances, Buildung and Factory Automation von Texas Instruments, dass viele Entwickler von Haushaltsgeräten und HLK-Systemen heute vor der Aufgabe stünden, höhere Energieeffizienzstandards zu erfüllen und gleichzeitig die Nachfrage der Verbraucher nach zuverlässigen und kompakten Systemen zu erfüllen, die auch noch bezahlbar sind. Das heißt, dass die Motorantriebe kleiner und zuverlässiger sein müssten, dass sie einen höheren Wirkungsgrad aufweisen sollten und das Ganze »natürlich, ohne die Systemkosten zu erhöhen«, so Campanella weiter. Die bisherigen technologischen Ansätze erfordern seiner Meinung nach bislang Kompromisse zwischen den genannten Prioritäten, doch damit soll jetzt Schluss sein. »Mit unserem DRV7308 können Entwickler alle bestehenden Herausforderungen angehen und ein Motorantriebssystem entwickeln, das alle Kundenerwartungen erfüllt und mit dem höchsten Wirkungsgrad arbeitet. Und: Damit lassen sich auch noch die Systemkosten senken.«

99 Prozent Wirkungsgrad

Laut Dung Dang, General Manager der Produktlinie Bürstenlose DC-Motorantriebe bei Texas Instruments, lässt sich mit dem GaN-IPM im Wechselrichter für 250-V-Motorantriebe ein Wirkungsgrad von mehr als 99 Prozent erreichen. Dang weiter: »Durch die Nutzung der GaN-Technologie werden auch externe Kühlkörper überflüssig.« Vergleiche man die Werte, die sich mit dem DRV7308 erreichen lassen, mit IGBT- oder MOSFET-basierten Ansätzen, würde sich die thermische Leistung dank einer reduzierten Verlustleistung um 50 Prozent verbessern. Darüber hinaus zeichne sich der Baustein durch die branchenweit niedrigste Totzeit und niedrigste Signallaufzeit (Ausbreitungsverzögerung) aus – beide liegen unter 200 ns –, was eine höhere PWM-Schaltfrequenz (PWM: Pulsweitenmodulation) ermöglicht, wodurch sich wiederum die akustische Eigenschaft mit reduzierten Stromoberschwingungen und präziser Strommessung verbessert. Dang betont: »Dank der GaN-Technologie bietet unser neuer DRV7308 eine hohe Leistungsdichte, die in Verbindung mit dem hohen Wirkungsgrad den Bedarf an externen Kühlkörpern überflüssig macht und zu einer Reduzierung der Leiterplattengröße von Motorantrieben um bis zu 55 Prozent im Vergleich zu heutigen IGBT- oder MOSFET-Lösungen führen kann.«

Vergleich zwischen GaN-, MOSFET- und IGBT-basierten Ansätzen

GaN-FETs zeichnen sich im Vergleich zu MOSFETs und IGBTs durch deutlich geringere Verluste aus. Das hängt zum Beispiel damit zusammen, dass GaN-FETs keine Reverse-Recovery-Verluste, keinen Taíl-Current (Schwanzstrom) wie bei IGBTs und geringere Kapazitäten (damit auch geringere kapazitive Schaltverluste) aufweisen. Vergleicht man den Wirkungsgrad einer GaN-Schaltung mit einem IGBT-/MOSFET-Ansatz, können die Leistungsverluste bei einer Schaltfrequenz von 20 kHz mindestens halbiert werden (Bild 1).

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Bild 2: Vergleich des Wirkungsgrads in einer 250-W-Motoranwendung mit einem DRV7308- und einem IGBT-IPM
© Texas Instruments

Die Ausgangsleistung steigt mit GaN

Permanentmagnetmotoren benötigen typischerweise eine hohe PWM-Frequenz, um die Stromwelligkeit zu reduzieren, denn eine höhere Stromwelligkeit in den Motorwicklungen kann ungewollt eine Drehmomentwelligkeit zur Folge haben, plus steigende Kupfer- und Kernverluste sowie ungenaue Strommesswerte während des Schaltens. Auch wenn MOSFET- oder IGBT-basierte IPMs typischerweise für eine Schaltfrequenz von 20 kHz eingestuft sind, werden sie laut TI aufgrund der hohen Schaltverluste typischerweise mit Schaltfrequenzen von 6 bis 16 kHz eingesetzt. GaN erreicht hingegen deutlich geringere Schaltverluste, auch wenn dv/dt niedriger ausfällt, und erlaubt daher deutlich höhere Schaltfrequenzen, was sich wiederum positiv auf den Wirkungsgrad und die Motorleistung auswirkt (Bild 2).

Niedrige Totzeit und niedrige Signallaufzeit

HLK-Systeme benötigen oft einen sehr großen Bereich für die Drehzahlregelung, um den höchsten Wirkungsgrad von Kompressoren und Heizsystemen zu erreichen. Traditionelle IPMs mit einer Totzeit von mehr als 1 μs und einer Ausbreitungsverzögerung von mehr als 500 ns begrenzen das maximale und minimale PWM-Tastverhältnis und limitieren den Betriebsdrehzahlbereich. Eine längere Totzeit verringert außerdem die dem Motor zur Verfügung stehende Spannung und erhöht den Motorstrom für die gleiche Leistungsabgabe.

Der DRV7308 hingegen bietet eine adaptive Totzeit, wobei die maximale Totzeit unter 200 ns liegt; dasselbe gilt für die Ausbreitungsverzögerung. Damit können Entwickler den PWM-Tastverhältnisbereich verbessern und somit auch den Drehzahlbereich vergrößern und gleichzeitig die verfügbare Spannung für den Motor erhöhen.

Eine extrem niedrige Totzeit und Ausbreitungsverzögerung ermöglichen außerdem eine genaue Messung des Durchschnittsstroms und erhöhen damit die Regelgenauigkeit, insbesondere bei Antrieben mit feldorientierter Regelung, was auch eine genauere Vorhersage der Motorposition ermöglicht. Ein wichtiger Punkt, denn ein Fehler in der Vorhersage der Motorposition führt ebenfalls zu einem geringeren Wirkungsgrad des Motors.

Extrem leise Antriebe

Dang: »Die geringe Totzeit und niedrige Ausbreitungsverzögerung ermöglichen eine höhere PWM-Schaltfrequenz, was die hörbaren Geräusche und Sensorvibrationen reduziert.« In Motorantriebssystemen stellen die durch die Stromverzerrung verursachten Drehmomentänderungen eine der Hauptquellen für hörbare Geräusche dar. Die Stromverzerrung wiederum hängt von mehreren Faktoren ab, einschließlich PWM-Frequenz, Totzeit und Genauigkeit der Strommessung. Der DRV7308 ermöglicht deutlich reduzierte Schaltverluste und höhere PWM-Frequenzen im Vergleich zu IGBT- oder MOSFET-basierten Ansätzen. Und mit der höheren Schaltfrequenz sinkt die Welligkeit des Wicklungsstroms und damit auch die Drehmomentänderungen, sprich: auch die Geräuschentwicklung.

Wie bereits gesagt beträgt die Totzeit bei IGBT- und MOSFET-basierten Systemen 1 bis 2 μs oder mehr, was wiederum erhebliche Motorstromverzerrungen zur Folge hat und damit auch harmonische Schwingungen im hörbaren Frequenzbereich. Die adaptive Totzeitlogik des DRV7308 ermöglicht eine Totzeit von weniger als 200 ns, was zu einer minimalen Stromverzerrung und damit zu einem geringeren hörbaren Geräusch führt.

Ein Vergleich zwischen dem DRV7308 mit einer Totzeit von 0,2 µs und einem IGBT-basierten IPM mit einer Totzeit von 2,5 µs (Bild 3) hat gezeigt, dass die Verzerrung des Motorstroms beim DRV7308 deutlich geringer ausfällt als beim IGBT-IPM. Dabei ist außerdem zu beachten, dass diese Verzerrung in den IGBT-IPMs bei niedriger Leistungsabgabe des Wechselrichters exponentiell ansteigt.

Störaussendung

Leitungsgebundene und abgestrahlte Emissionen hängen von der Schaltfrequenz, dv/dt, di/dt, Schaltspannungsschwankungen und -reflexionen sowie der Schaltstromschleife ab. TI hat im DRV7308 verschiedene Designtechniken implementiert und bietet verschiedene Optionen für das Leiterplatten-Layout, um EMI- und EMV-Probleme zu minimieren. Dazu gehört beispielsweise, dass der DRV7308 einen großen Bereich von Frequenzen ermöglicht, von sehr niedrigen Werten bis hin zu 60 kHz. Dementsprechend kann der Entwickler die richtige Frequenz auswählen, die zu seiner System-Performance, aber auch zu seinen EMV-Anforderungen passt. Dank dem im DRV7308 implementierten Gate-Treiber kann die Anstiegsgeschwindigkeit der Phasen geregelt werden, was ebenfalls dabei hilft, bestehende EMV-Anforderungen zu erfüllen. Darüber hinaus hilft es, dass GaN keine Reverse-Recovery-Verluste und geringe parasitäre Elemente aufweist, denn dadurch erreicht GaN eine bessere Schaltleistung, ohne in den Phasen Spannungsspitzen oder Oszillationen während des Schaltens zu erzeugen. Zu guter Letzt hilft auch die dank der Integration kleine Stromschleife, EMV-Probleme zu minimieren.

 

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Bild 3: Vergleich der Motorstromverzerrung mit Totzeit zwischen IGBT und DRV7308
© Texas Instruments

Klein und hochintegriert

Der DRV7308 ist nicht nur klein (12 × 12 mm2) und macht Kühlkörper überflüssig, der Baustein ist auch hochintegriert, denn in dem Baustein sind ein Operationsverstärker für die Strommessung, drei Komparatoren für die Strombegrenzung, ein Temperatursensor und diverse Schutzfunktionen integriert. Dank dieser hohen Integration lässt sich die Leiterplattenfläche für den Wechselrichter im Vergleich zu IGBT-/MOSFET-basierten Ansätzen um bis zu 55 Prozent reduzieren. Dadurch ist es möglich, dass der Wechselrichter nahe am Motor sitzt, sodass auch keine langen Kabel notwendig sind. Und ohne Kabel fallen auch die Leitungsverluste im Kabel weg sowie EMV-Probleme, die mit langen Kabeln auftreten.

Die integrierten Schutzfunktionen eliminieren parasitäre Effekte und ermöglichen eine kürzere Reaktionszeit in der Größenordnung von einigen 100 ns. Darüber hinaus ist der DRV7308 mit einem Drain-Source-Spannungsschutz ausgestattet, um den GaN-FET bei Überstromereignissen zu schützen. Außerdem verfügt er über integrierte Überstromkomparatoren zur Strombegrenzung während eines Schaltzyklus, die für eine Betriebsspannung von 450 V und eine Sperrspannung von 650 V im Aus-Zustand ausgelegt sind. Weitere Schutzfunktionen überwachen Fehlerszenarien wie Unterspannung, Überstrom und Temperaturabschaltung.

Lebensdauer und Umweltstandards

Dang betont, dass mit dem DRV7308 dank des höheren Wirkungsgrads auch die Motorerwärmung verringert wird, »was die Zuverlässigkeit verbessern und die Lebensdauer des Systems verlängern kann«, so Dang weiter. Auch der integrierte Kurzschlussschutz für jeden der GaN-FETs und der Überstromschutz verbessere die Systemzuverlässigkeit.

Hinzu kommt noch, dass mit dem DRV7308 auch die regulatorischen Bestimmungen in Hinblick auf die Effizienz eines Systems erfüllt werden können. International gibt es diverse Richtlinien, die ein Rating der Geräte hinsichtlich ihres Wirkungsgrads zulassen; dazu gehören beispielsweise in der EU der SEER-Wert (Seasonal Energy Efficiency Ratio) für Klimaanlagen oder MEPS (European Minimum Energy Performance Standard) für Elektromotoren sowie Effizienzkennzeichnungen nach Energy Star oder Top Runner. Dang weiter: »Um höhere Standards zu erfüllen, erfordert die SEER-Einstufung für HLK-Systeme typischerweise einen Systemwirkungsgrad von 85 Prozent im Vergleich zu früheren Standards von nur 80 Prozent. Mit einem Wirkungsgrad von 99 Prozent, der mit unserem GaN-IPM möglich ist, können Entwickler auf Systemebene problemlos den geforderten Wirkungsgrad von 85 Prozent erreichen, ohne dafür höhere Kosten in den Motor stecken zu müssen.«

Dang abschließend: »Bei Texas Instruments sind GaN-basierte IPMs in der Entwicklung, um die Anforderungen von Anwendungen mit höherem und niedrigerem Stromverbrauch erfüllen zu können.«

Kurzbeschreibung des DRV7308

Der DRV7308 ist ein dreiphasiges integriertes GaN-FET-Intelligent-Power-Module (IPM) mit drei 650-V-GaN-Halbbrücken (205 mΩ, e-mode) für die Ansteuerung von dreiphasigen BLDC/PMSM-Motoren mit bis zu 450 V DC-Betriebsspannung (Maximalspannung: 650 V). Die Anwendungen des Bausteins umfassen feldorientierte Steuerung (FOC), sinusförmige Stromsteuerung und trapezförmige Stromsteuerung von BLDC-Motoren. Der Baustein integriert Vortreiber für alle GaN-FETs mit einer Slew-Rate-Steuerung der Phasenspannungen. Der niedrige RDS(on), die Slew-Rate-Steuerung, keine Sperrverzögerung und die niedrige Ausgangskapazität tragen dazu bei, einen Wirkungsgrad von mehr als 99 Prozent für eine dreiphasig modulierte, FOC-gesteuerte Motoranwendung mit 250 W zu erreichen, wodurch ein Kühlkörper überflüssig wird. Der Baustein verfügt über eine Reihe von Schutzfunktionen, darunter eine Überstrombegrenzung, einen Übertemperaturschutz, einen Überstromschutz für alle GaN-FETs, einen Unterspannungsschutz für die GVDD- und Bootstrap-Stromversorgungen sowie eine adaptive Totzeitregelung.

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Funktionales Blockdiagramm des DRV7308
© Texas Instruments

Der Baustein verfügt über eine Bootstrap-Spannung mittels integriertem GaN-FET, wodurch eine externe Boot-Diode überflüssig wird. Der DRV7308 gibt alle drei Low-Side-Source-Pins der GaN-FETs frei, um 3-, 2- oder 1-Shunt-Strommessung zu unterstützen. Der Baustein enthält einen 11-MHz-15-V/μs-Operationsverstärker für die Einzel-Shunt-Stromerfassung in FOC- und Trapezsteuerungen von BLDC-Motoren. Die geringe Totzeit trägt zu einem besonders leisen Betrieb von BLDC/PMSM-Motoren bei. Die geringe Signallaufzeit trägt zu einer geringeren Stromverzerrung und einer präzisen Durchschnittsstromerfassung bei. Der DRV7308 ist in einem 12 mm × 12 mm großen VQFN-Gehäuse erhältlich.


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