S&P Global Mobility

Automotive: 2025 wird wohl nicht besser als 2024

4. Februar 2025, 8:00 Uhr | Iris Stroh
Prognose von S&P Global zur globalen Fahrzeugproduktion
© S&P Global

2024 ist der Halbleiterumsatz im Automotive-Markt stagniert – entgegen der Prognose von S&P Global Mobility. Jetzt spricht jeder nur noch über die Automobilkrise, wird 2025 also noch schwieriger als 2024?

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Zunächst erst einmal zu der Frage, warum 2024 viel schlechter gelaufen ist, als erwartet? Aus der Sicht von Jeremie Bouchaud, Direktor, SDV und Halbleiter bei S&P Global Mobility, gab es dafür mehrere Gründe. Zuallererst weist er darauf hin, dass die Produktion von Leichtfahrzeugen niedriger als erwartet ausgefallen ist. Das gelte insbesondere für das BEV-Segment, ein Bereich, der typischerweise einen deutlich höheren Halbleiteranteil aufweist als traditionelle Verbrennungsmotoren, was sich entsprechend bemerkbar machte. Dies wiederum hätte zu einem Dominoeffekt bei den Lagerbeständen mit Halbleitern geführt, was sich ebenfalls negativ auf den Halbleitermarkt auswirkte. Anfang 2024 bestand noch industrieweit Einigkeit darüber, dass die Korrektur der Lagerbestände, die bereits 2023 begonnen hatte, Mitte 2024 abgeschlossen sein würde und dass die Halbleiternachfrage im zweiten Halbjahr 2024 wieder anzieht. Nachdem der Automobilmarkt aber weiterhin schleppend verlief, waren die überschüssigen Lagerbestände auch Mitte 2024 noch nicht aufgebraucht. Und mit dem schwierigeren wirtschaftlichen Umfeld hat sich die Automobilindustrie laut Bouchaud darauf konzentriert, »die Lagerbestände an Halbleitern zu verringern, um den Cashflow zu maximinieren.« Vergessen war die Halbleiterkrise und damit die Idee, Lagerbestände zu halten, um sich vor weiteren Episoden in Hinblick auf eine Chip-Knappheit zu wappnen. Bouchaud weiter: »Wir gehen derzeit davon aus, dass die Lagerbestände auch 2025 weiter korrigiert werden, das kann wahrscheinlich sogar bis in das dritte Quartal dieses Jahres dauern. In der Summe hat das dazu geführt, dass Halbleiterumsatz im Automotive-Segment im letzten Jahr stagniert ist.«

Gewinner und Verlierer in der Branche

Schaut man sich die verschiedenen Produktkategorien an, zeigt sich kein einheitliches Bild. Analog-Komponenten und Mikrocontroller waren am stärksten von der Halbleiterkrise betroffen, so dass hier die meisten Panikkäufe stattgefunden haben. Dementsprechend »sind hier die größten Bestandskorrekturen zu beobachten, so dass es Ende 2024 zu Umsatzrückgängen von einigen Prozent kommt«, so Bouchaud. Geht es um Leistungshalbleiter verläuft die Umsatzentwicklung laut seiner Aussage flach, insbesondere für SiC-Komponenten. Hier macht sich einerseits die Zurückhaltung gegenüber Elektrofahrzeugen bemerkbar, andererseits: »Nachdem die Kapazität von SiC-Wafern insbesondere in China stark ausgebaut wurde, sanken die Preise im zweistelligen Bereich«, so Bouchaud weiter. Speicherbausteine, insbesondere DRAMs, konnten laut Bouchaud auch 2024 zweistellig wachsen. Seiner Meinung nach ist diese Entwicklung aber nichts Besonderes, denn der Speichermarkt folge seit eh und je seinen eigenen Zyklen, die relativ unbeeinflusst von Schwankungen bezüglich der Lagerbestände in anderen Produktsegmenten sind. »Dementsprechend hat sich die starke Nachfrage nach DRAMs außerhalb des Automotive-Segments, beispielsweise im Bereich der Rechenzentren, positiv auf den DRAM-Preis ausgewirkt. Aber auch ADAS- und Cockpit-Anwendungen – insbesondere durch den zunehmenden Einsatz von GenAI im Fahrzeug – verlangen nach einer höheren Speicherdichte.«

Der Umsatz mit Automotive-SoCs ist 2024 ebenfalls gewachsen, »das hatten wir aber auch prognostiziert«, so Bouchaud weiter. Die Treiber in diesem Fall sind vor allem das digitale Cockpit und höhere Autonomiegrade. Davon profitierten aber nicht alle Halbleiterlieferanten gleichermaßen. »Denn Qualcomm und Nvidia übertreffen alle anderen traditionellen Anbieter in dieser Produktkategorie bei Weitem«, so Bouchaud.

 

Jeremie Bouchaud
Jeremie Bouchaud, S&P Global Mobility: »Es gibt immer noch Bedenken, dass es Ende 2025 wieder zu einer Halbleiterknappheit kommen kann, denn das BEV-Volumen soll beispielsweise in Europa wieder zunehmen. Diese Knappheit ist nicht allerdings nicht wie 2021 auf Kapazitätsprobleme zurückzuführen, sondern viel mehr auf zu geringe Lagerbestände, da OEMs und Tier-Ones dem Cashflow Vorrang vor der Versorgungssicherheit einräumen.«
© S&P Global

2025: ein Plus sollte drin sein

Bouchaud: »Unser Ausblick für 2025 ist im Vergleich zu WSTS und seiner Automotive-Prognose für den Halbleiterumsatz eher vorsichtig. Wir gehen davon aus, dass der Markt mit Automotive-Halbleiter in diesem Jahr nur im mittleren bis hohen einstelligen Bereich wachsen wird.« Diese Einschätzung begründet er damit, dass S&P Global Mobility davon ausgeht, dass 2025 mehr oder minder nur eine Fortsetzung von 2024 wird.

Das heißt, auch in diesem Jahr wird es aufseiten der produzierten Fahrzeuge keine Besserung geben. Bouchaud: »Derzeit erwarten wir sogar einen leichten Rückgang der Fahrzeugproduktion.« Dazu komme noch, dass es immer noch erhebliche Lagerbestände in allen Kanälen gibt, die erst korrigiert werden müssen, was wie gesagt, bis ins dritte Quartal 2025 andauern kann. »Das heißt auch, dass die Marktdynamik, die wir für die verschiedenen Halbleiterkategorien für 2024 beschrieben haben, auch 2025 noch gelten werden«, erklärt Bouchaud.

Was sind die Wachstumstreiber?

Richard Dixon, Senior Principal Analyst für den Bereich »Automotive Sensors« bei S&P Global Mobility, erwartet, dass weiterhin Cross-Domain-Controller, also Controller die eine zentralisierte Architektur unterstützen, den Halbleiterumsatz im Automotive-Markt treiben werden. Dazu zählen Zonen-Controller und Zentral-Computer-ICs aber auch vernetzte Gateways für OTA-Updates (Over the Air) für SDVs.

Wobei er hinzufügt, dass S&P Global Mobility seine Stückzahlprognose für SDVs mit einer zugrundeliegenden zentralisierten und zonalen Architektur gesenkt hat. Das läge nicht daran, dass die OEMs ihre Pläne für SDV und neue E/E-Architekturen deutlich geändert hätten, sondern vielmehr daran, dass sich die OEMs derzeit sehr stark auf Innovationen ihrer BEV-Plattformen konzentrieren. Hinzu komme noch, dass auch EV-Start-Ups, die bei der Umsetzung dieser Ansätze am weitesten fortgeschritten waren, mit einer geringen Nachfrage zu kämpfen haben. Dixon: »Das gilt allerdings nicht für China, wo die meisten EV-Start-Ups ansässig sind.« In manchen Fällen kämen auch die Plattformen für neue E/E-Architekturen verzögert in den Markt, zum Teil aufgrund von Software-Problemen.

Dixon: »Wir gehen davon aus, dass 2025 einige OEMs ihre frühere Strategie einer „One Size fits all“-E/E-Architektur überdenken werden.« Für OEMs mit einem breiten Produktspektrum – und das macht den Großteil der etablierten Automobilhersteller aus – seien zusätzliche große Domänen- oder Zonen-Controller in kleineren Fahrzeugen nicht sinnvoll. Denn die Kabelbäume sind ja schon klein und die Vorteile einer Zonenarchitektur sind definitiv begrenzt im Vergleich zu den zusätzlichen Entwicklungs- und Hardware-Kosten. In größeren Fahrzeugen wiederum werden seiner Meinung nach Domänen-Architekturen erweitert, um höhere Anforderungen an Sensordaten zu bewältigen, »allerdings ist diese E/E-Architektur nur eingeschränkt fähig, SDVs umzusetzen«, so Dixon weiter. Deshalb müssten OEMs, die weiterhin eine SDV-Roadmap verfolgen, einerseits weiterhin auf eine neue Zonen-Architektur für SDVs setzen, andererseits aber auch die bestehende Domänen-Architektur weiter pflegen. »Das führt zu finanziellen Problemen aber auch zu enormen Aufwendungen auf der Entwicklungsseite. Entsprechend verlangsamt sich bei den großen OEMs die Weiterentwicklung der E/E-Architekturen, während NEV-Konkurrenten (New Energy Vehicle) aus China die Weiterentwicklung bei neuen Zonenarchitekturen als auch bei bestehenden Domänen-Architekturen weiter beschleunigen«, so Dixon.

Wobei er in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass 2025 auch in Europa einige wichtige Meilensteine in Hinblick auf die Einführung zentralisierter Architekturen erreicht werden. Dazu zählt er beispielsweise den Start wichtiger Programme mit neuen Architekturen, inklusive die neue NK-Plattform von BMW, die STLA Large-Plattform von Stellantis und die GPA-BEV-Plattform von Volvo. »Das sind die ersten großen Plattformen europäischer Marken mit Zonen-Architektur«, so Dixon.

US-Wahl verunsichert den Automotive-Markt zusätzlich

Bouchaud ist überzeugt, dass die Trump-Wahl die Halbleiterhersteller für Automotive-Anwendungen zusätzlich verunsichert. Ein Grund zur Sorge bezieht sich beispielsweise auf die Zukunft des US-Chips-Acts, Trump hatte ihn ja schon als schlecht bezeichnet. Dementsprechend hält es Bouchaud für wahrscheinlich, dass Trump eher auf Zölle als auf Subventionen setzt, »was die Strategie zur Stärkung der Halbleiterfertigung in den Vereinigten Staaten grundlegend verändern könnte, mit weitreichenden Folgen für die Halbleiterlieferkette«, so Bouchaud. Auch die jüngste Ankündigung bezüglich des Verbots von 7-nm-Technologien von TSMC für China sorgt für Verunsicherung, denn damit sind erhebliche Risiken für eine Reihe lokaler Halbleiterhersteller verbunden. Bouchaud: »Insbesondere führende Hersteller im Bereich ADAS wie Horizon Robotics, aber auch interne Halbleiterentwicklungen chinesischer OEMs wie BYD und aufstrebender Start-ups für Elektrofahrzeuge wie Nio und Li Auto werden betroffen sein.« Die Feinheiten dieses Verbots seien komplex, und obwohl umfassende Details noch nicht bekannt sind, deuten erste Anzeichen darauf hin, dass nur ausgewählte Unternehmen ins Visier genommen werden. Bouchaud: »Damit haben chinesische Hersteller von Automotive-Halbleitern zumindest einen kleinen Hoffnungsschimmer, dass sie von diesen Beschränkungen nicht betroffen sind.«

Abhängigkeit von Taiwan ist gigantisch

Aus der Sicht von Bouchaud dürfe man auch nicht ein Problem übersehen, das bereits seit einigen Jahren in der Halbleiterindustrie eine große Rolle spielt: Taiwan. Bouchaud: »Tatsache ist, dass ohne die in Taiwan hergestellten Chips nirgendwo auf der Welt ein einziges Auto produziert werden könnte.« Angesichts dieser Abhängigkeit müssten die potenziellen Risiken im Zusammenhang mit zunehmenden geopolitischen Spannungen berücksichtigt werden, insbesondere im Kontext einer protektionistischen oder weniger interventionistischen US-Regierung. Ist die Branche angemessen auf ein Szenario vorbereitet, in dem Taiwan möglicherweise für einige Wochen oder sogar länger keine Wafer exportieren kann? Wohl eher nicht, Bouchaud ist überzeugt, dass eine solche Situation unweigerlich einen weiteren Zyklus des Lageraufbaus auslösen würde, was wieder zu erheblichen Störungen innerhalb des Angebots- und Nachfrage-Ökosystems führen würde. Bouchaud abschließend: »Dabei haben wir heute noch mit den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und der daraus resultierenden Chipknappheit zu kämpfen.«


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