Sam Maddalena, CEO, und Karsten Köhler, Business Development Manager (beide TDK-Micronas) betonen im Gespräch mit Markt&Technik, dass TDK-Micronas optimale Voraussetzungen hat, schneller als der Markt zu wachsen.
Markt&Technik: Wie groß ist der Automotive-Anteil am Gesamtumsatz von TDK-Micronas?
Sam Maddalena: TDK-Micronas ist hauptsächlich im Automotive-Segment aktiv, wobei dieser Absatzmarkt auch für das gesamte Unternehmen, die TDK Corporation, sehr wichtig ist. Wenn wir uns auf alle Halbleitertechniken innerhalb von TDK beziehen, verteilt sich der Umsatz ungefähr zu gleichen Teilen auf Automotive und ICT, sprich Information & Communications Technology. Betrachten wir nur TDK-Micronas, dann stammen etwa 90 Prozent des Umsatzes aus der Automobilindustrie.
In einer Zeit, in der sich der Automotive-Markt in Europa und Deutschland sehr verhalten zeigt, klingt das eher schwierig …
Sam Maddalena: Europa hat viele Probleme, das kann man überall sehen. Aber TDK ist ein Global Player, das heißt, dass wir zum Beispiel in China noch wachsen. Außerdem gewinnen wir Marktanteile hinzu, und das in verschiedenen Regionen und in verschiedenen Anwendungen. Deshalb sind wir auch optimistischer als vielleicht andere Halbleiterhersteller.
Karsten Köhler: Hinzu kommt noch, dass der Halbleitermarkt im Automotive-Bereich nicht nur von der Anzahl produzierter Fahrzeuge abhängt. Anders als etwa bei beispielsweise Abgasanlagen, die direkt von der Anzahl produzierter Verbrenner abhängen, wird der Halbleiterumsatz durch den wachsenden Einsatz von Sensor-Technologien pro Fahrzeug getrieben. Dementsprechend steigt der Halbleiterumsatz trotz stagnierender Fahrzeugzahlen weiter an.
Das ist natürlich richtig, aber es haben sich dieses Mal auch im Halbleitermarkt einige unerwartete Entwicklungen ergeben, beispielsweise für Hersteller von Leistungshalbleitern, die aufgrund der schleppenden Akzeptanz von Elektrofahrzeugen ihre eigenen Erwartungen nach unten korrigieren mussten...
Karsten Köhler: Aber die Entwicklung aufseiten der Leistungshalbleiter ist nicht 1:1 mit unserer vergleichbar, denn wir fokussieren uns hauptsächlich auf dezentrale Motortreiber und Sensoren. Sensoren sind anders als Leistungshalbleiter weniger an die Anzahl produzierter Fahrzeuge gekoppelt. Vereinfacht gesagt: Die Anzahl von SiC-MOSFETs ist begrenzt. Und das sieht bei Sensoren derzeit noch anders aus. Beispielsweise stellen die ganzen »By-Wire«-Themen z.B. für Bremse und Lenkung für uns enorme Wachstumschancen dar.
Und außerdem gewinnt TDK-Micronas Marktanteile hinzu, warum?
Sam Maddalena: Dafür gibt es mehrere Gründe. Durch seine Übernahmen im Halbleiterbereich, darunter auch die von TDK-Micronas, hat sich TDK ein umfangreiches Gesamtpaket an Sensor-Technologien angeeignet. Derzeit ist TDK das einzige Unternehmen weltweit, das all diese Technologien anbieten und nutzen kann. Hier kommt besonders die gemeinsame Vertriebsstruktur innerhalb der TDK Sensorik-Unternehmen, zu der auch TDK-Micronas gehört, zum Tragen: Für Tier-1-Zulieferer und OEMs ist dieser Ansatz hochinteressant, weil TDK die spezifischen Anforderungen ihrer Anwendungen bestmöglich umsetzen kann. Sprechen wir mit Kunden zum Beispiel über Lösungen für »Brake-by-Wire«, können wir sagen: Wir haben TMR-Sensoren zur Motorpositionsmessung, Hall-Sensoren für die Bremspedalposition und IMUs für die Stabilitätskontrolle. Gerade bei autonomen Fahrzeugen, wo es um 100 Prozent Crash-Prävention geht, sind die Lösungen von TDK unschlagbar.
Natürlich gibt es auch andere Unternehmen mit ähnlichen Angeboten, aber niemand kann das breite Portfolio von TDK abdecken. Das ist unser erster Vorteil. Der zweite ist unsere technologische Führungsrolle: TDK ist Weltmarktführer bei vertikalen Hall-Sensoren und TMR-Sensoren und wir bieten das umfassendste Portfolio bei Motortreiber-ICs. Wenn wir all diese Technologien kombinieren, entsteht ein gewaltiger Mehrwert: 1 + 1 + 1 wird bei TDK 5.
Unser dritter Vorteil ist der starke Fokus von TDK auf bestimmte Anwendungen. Wir bei TDK-Micronas konzentrieren uns zum Beispiel auf Schlüsselbereiche wie Bremssysteme, Lenksysteme und Turbolader-Management und hier gewinnen wir auch kontinuierlich Marktanteile hinzu.
Alles zusammengenommen führt dazu, dass TDK-Micronas auch in schwierigen Zeiten wie jetzt durchaus erfolgreich ist.
TMR- oder Hall-Sensoren bieten auch andere Unternehmen an, wo sehen Sie die technologische Führungsrolle von TDK-Micronas?
Sam Maddalena: Manchmal reicht »gut genug« völlig aus, aber viele Kunden bevorzugen Spitzenleistungen. Das ist ein Bereich, in dem technologischer Vorsprung und Innovation entscheidend sind – etwas, das nicht leicht zu kopieren ist.
Natürlich gibt es viele Anbieter von Hall-Sensoren, aber nur wenige, die auch Vertical-Hall-Technologie anbieten. Diese Variante bietet deutliche Vorteile, selbst bei ähnlicher Grundfunktionalität. Ähnlich verhält es sich bei TMR-Sensoren: Auch hier gibt es mehrere Anbieter, aber viele unserer Kunden berichten, dass unsere TMR-Sensoren in umfangreichen Tests deutlich besser abschneiden.
Solche technologischen Fortschritte basieren auf jahrelanger Entwicklungsarbeit, oft über 100 Mannjahre oder mehr. Das sind keine Ergebnisse, die man in kurzer Zeit nachahmen kann – sie sind das Resultat tiefer Expertise und langfristiger Investitionen.
Karsten Köhler: Vielleicht noch eine kurze Erläuterung zu den angesprochenen Unterschieden in der Technologie: Ein wichtiger Punkt bei Sensoren ist die jeweilige Sensitivitätsachse. Hall-Sensoren sind typischerweise in der vertikalen Achse, sprich Z-Achse, empfindlich, während TMR-Sensoren in der horizontalen Achse sensitiv sind. Jede Technologie hat Vor- und Nachteile, abhängig von der Anwendung. TDK-Micronas bietet hier aber eine besondere Flexibilität, indem es bewährte Technologien auch in unterschiedlichen Sensitivitätsachsen bereitstellt, was dem Kunden mehr Freiheiten beim Design seiner Anwendung ermöglicht.
Sam Maddalena: TDK-Micronas zeichnet sich dadurch aus, ein vollständiges Portfolio bereitzustellen, von vertikalen Hall-Sensoren über TMR-Sensoren bis hin zu analogen und digitalen Lösungen in verschiedenen Komplexitätsgraden. Kunden können entsprechend wählen, was sie benötigen, während andere Anbieter oft nur feste Optionen bieten.
Karsten Köhler: Und hier ist TDK-Micronas wirklich gut. Denn es ist nicht so einfach, dass ein Sensor auf der Achse, in der das Messfeld liegt, wirklich sensitiv ist, während er für die anderen Achsen unempfindlich bleibt. Aber noch ein anderes Beispiel, wo sich TDK-Micronas von der Konkurrenz unterscheidet: Wir können kombinieren. Zum Beispiel TMR-Sensorik mit einem Motortreiber in einem System. Diese Kombination bietet in der Branche ein Alleinstellungsmerkmal.
Warum TMR? Diese Technologie bietet zwei entscheidende Vorteile, einerseits die hohe Sensitivität, sprich pro Millitesla erhält man viele Millivolt, andererseits ein sehr gutes Signal-Rausch-Verhalten. Wenn Sie unsere Konkurrenz betrachten, kann das keiner. Wir sind das einzige Unternehmen, das diese zwei Technologien kombinieren kann.
Handelt es sich dabei um eine monolithische oder eine irgendwie geartete SiP-Lösung?
Karsten Köhler: Wir nutzen einen Co-Packaging-Ansatz, bei dem die TMR-Sensoren separat auf den bestehenden Chip aufgebaut werden, also nicht monolithisch. Dieser Ansatz erlaubt es, die Positionierung der Komponenten flexibel an die Bedürfnisse der Kunden anzupassen, was mit monolithischen Lösungen nicht möglich wäre. Das spart Zeit und Entwicklungsressourcen und erleichtert Anpassungen während des Entwicklungsprozesses.
Sam Maddalena: TDK-Micronas verfolgt eine modulare Produktstrategie, ähnlich einem Baukastensystem. Dadurch können verschiedene Technologien unkompliziert kombiniert werden, um die Anforderungen der Kunden zu erfüllen. Diese Flexibilität unterscheidet uns von Mitbewerbern, die oft starr auf eine einzige Lösung setzen.
TDK hat in den letzten Jahren gezielt in diese Strategie investiert und sich so eine starke Marktposition erarbeitet. Mit seiner umfangreichen Technologie-Basis und einer klaren Vision für den Automotive-Bereich haben wir das Potenzial, uns immer mehr zum führenden Anbieter zu entwickeln. Denn bislang zeigt sich: Wir haben so viele verschiedene Technologien, um im Automotive-Segment die Nummer 1 zu werden. Da hat sich in den letzten Jahren viel geändert, aber dank dessen wachsen wir heute, wo alle anderen eher Probleme haben. Ich würde sagen: Die neue Strategie wurde vor vier, fünf Jahren festgelegt, und jetzt zahlt sie sich aus.
Wie viele Halbleiterfirmen sind inzwischen von TDK gekauft worden?
Sam Maddalena: Einige, angefangen bei TDK-Micronas. Dazu kommt der ASIC Spezialist ICsense mit Sitz in Belgien, InvenSense in Amerika, Entwickler von MEMS-Sensoren und TDK Electronics mit Sitz in München, ist unter anderem auf Temperatur- und Drucksensoren spezialisiert. Dann noch natürlich die TMR-Sensoren, die TDK in Japan entwickelt. Nicht zu vergessen Tronics aus Frankreich, ein Hersteller von MEMS-Inertialsensoren.
Fertigen Sie alles selber?
Sam Maddalena: Nein, wir setzen hier auf einen gemischten Ansatz. TDK-Micronas hat eine voll integrierte eigene Fab in Freiburg, nutzt aber auch externe Fertigungskapazitäten. Ich denke, diese Kombination ist sehr sinnvoll. Während der Zeiten mit Lieferengpässen war das natürlich ein wichtiges Thema. Unsere eigene Fabrik gibt uns eine gewisse Unabhängigkeit, aber es wäre viel zu teuer, alles selbst zu produzieren.
Sie haben von Co-Packaging gesprochen, machen Sie das inhouse oder extern?
Karsten Köhler: Co-Packaging ist eine spezifische Fertigungsstrategie, die nicht von TDK-Micronas sondern von Spezialisten durchgeführt wird. Aber ich möchte betonen, dass wir immer einen kritischen Schritt innerhalb des Halbleiterprozesses - Frontend, Wafer-Level-Testing, Packaging und Endtesting - direkt in der Fab in Freiburg durchführen. Das heißt, dass immer Experten vor Ort sind, die die Prozesse beherrschen und wir dadurch unabhängig von Drittparteien bleiben. Und damit können wir im Automobilbereich wichtige Anforderungen wie Rückverfolgbarkeit und Notfallpläne besser umsetzen. Auch dieser Ansatz stärkt unsere Position und trägt maßgeblich zum Wachstum von TDK-Micronas bei.
Die letzte Halbleiterkrise im Automotive-Segment hat gezeigt, dass eigentlich keine Strategie hilft, wenn die Kapazitäten einfach knapp sind …
Sam Maddalena: Damals handelte es sich grundsätzlich um ein Problem von mangelnden Wafer-Kapazitäten, das hat alle betroffen, dennoch war es gut, eine eigene Fab zu haben.
Karsten Köhler: Ja, denn auch wenn damit keine neuen Kapazitäten entstehen, wir haben grundsätzlich die Möglichkeit zu reagieren. Und: Wir suchen uns immer genau die Fab aus, die wir brauchen und behalten auch bei extern gefertigten Produkten immer einen Prozessschritte im Haus.
Wie alt ist die Fab in Freiburg?
Sam Maddalena: 1952 wurde der Grundstein der Fabrik gelegt. Seitdem haben sich die Technologien, die darin gefertigt wurden, natürlich stark verändert. Die Fab ist weiterhin in vollem Betrieb: Wir liefern heute noch jeden Tag eine siebenstellige Anzahl Roh-ICs, also Dies, und eine hohe sechsstellige Anzahl fertiger Chips aus unserer Freiburg-Fabrik.
Wird in die Fab in Freiburg noch investiert?
Sam Maddalena: Wir suchen ständig nach Möglichkeiten, unsere Fab in Freiburg auch zukünftig sinnvoll einzusetzen. Dabei geht es nicht um die neuesten CMOS-Technologien, sondern um Technologien, die für unsere Sensorik relevant sind. Das heißt, dass die kleinsten CMOS-Strukturen mit 5 nm oder darunter für uns nicht erforderlich sind, auch wenn unsere Produkte digitale Funktionen und Flash-Speicher enthalten. Für einige Produkte spielen diese Aspekte natürlich eine Rolle, doch bei analoger Sensorik liegt der Fokus auf der Sensorleistung, nicht auf der Strukturgröße. Dieses Konzept ist als »More than Moore« bekannt und bietet uns zahlreiche Alternativen, die wir effektiv nutzen.
Das heißt, TDK-Micronas hält an der eigenen Fab in Freiburg fest?
Sam Maddalena: Aus heutiger Sicht ja. Wir haben zum Beispiel einen neuen Positionssensor-IC komplett neu entwickelt und werden damit nach etwa 2 Jahren die 100-Millionen-Grenze an Auslieferungen aus der Freiburg-Fab knacken. Das ist der Vorteil von Freiburg. Wir haben neue Ideen, und dafür werden die existierenden Technologien angepasst und weiterentwickelt, und somit ergeben sich neue Möglichkeiten. Es gibt also immer wieder Sensorik-Anwendungen, für die wir vielleicht eine oder zwei neue Maschinen benötigen, und damit können wir dann in Freiburg neue Produkte entwickeln und fertigen.
Karsten Köhler: Ich sehe mittelfristig kein Szenario, das uns zu der Überzeugung bringen könnte, auf unseren Standort in Freiburg zu verzichten. Manche unserer Konkurrenten betonen derzeit den Vorteil, »fabless« zu sein. »Fabless« war vor ein paar Jahren angesagt, es galt schon fast als eine Voraussetzung für Erfolg, denn es stand für Effizienz und eine kostengünstige Fertigung. Aber diese Diskussion ist seit der letzten Halbleiterkrise eine völlig andere.
Sam Maddalena: Hinzu kommt noch, dass wir mit unserer Freiburg-Fab definitiv nicht auf kleinste Strukturen setzen müssen, das heißt, dass auch unsere Investitionen in einem überschaubaren Rahmen bleiben. Wir machen mit weniger Investitionen trotzdem interessante Produkte in Freiburg und das funktioniert auch noch in den nächsten zehn Jahren. Um es etwas plakativ zu formulieren: Vor mehr als zehn Jahren war Micronas noch ein kleiner IDM, sprich Integrated Devices Manufacturer, also ein Halbleiterhersteller mit eigener Fab, heute ist TDK-Micronas fabless - wo es sinnvoll ist, ergänzt durch eine dezidierte eigene Fab. Wir wachsen, und das zu einem Großteil mit extern gefertigten ICs. Beruhte vor zehn Jahren, sagen wir, die Hälfte unseres Umsatzes noch auf einer internen Produktion, sind es heute vielleicht noch 10, maximal 20 Prozent. Und dennoch: Die eigene Fab ist wichtig, sowohl in einer Allokationsphase, als auch in Hinblick auf die eigene Kontrolle.
Und jetzt noch ein Blick auf 2025?
Sam Maddalena: Wir gehen weiterhin von einem Wachstum aus, allerdings ist die Vorhersehbarkeit nicht mehr ganz so gegeben wie das in der Vergangenheit der Fall war.
Sollten die CO2-Verschärfung in Europa kommen, müsste das ja fast zwangsweise zu einem Boom in der Elektromobilität führen…
Sam Maddalena: Ich gehe eher davon aus, dass die großen OEMs sich noch einmal oder auch zweimal mit den Leuten in Brüssel bzw. Straßburg zusammensetzen. Ich glaube einfach nicht, dass die Politik zulässt, dass wir die komplette Autoindustrie in Europa schließen müssen.
Damit wird es mit der E-Mobilität nächstes Jahr also auch nichts?
Karsten Köhler: Dabei handelt es sich um eine Umstellung, die schon lange läuft und die von vielen externen Faktoren abhängig ist. Es gab diverse Förderungsprogramme in der Bundesrepublik, aber auch in vielen anderen Staaten. In Deutschland kam dann das Verfassungsgerichtsurteil und kurz darauf wurde die Förderung wieder eingestellt. Das sind externe Faktoren, auf die die Industrie keinen Einfluss hat und das verschlechtert auch die Vorhersehbarkeit, von der Sam gesprochen hat.
Sam Maddalena: Auch in vielen anderen europäischen Ländern wurden die Subventionen zurückgenommen, was zur Folge hat, dass weniger Elektrofahrzeuge gekauft werden. Die Politik muss die Richtung vorgeben. Denn auch wenn der Hersteller auf Elektromobilität setzt, wenn der Kunde es nicht kauft, funktioniert das nicht.
Karsten Köhler: Aber klar, auch die OEMs haben durchaus noch Potenzial, sich weiterzuentwickeln und ihre eigenen Strategien zu überprüfen, dann könnte sicherlich das eine oder andere Problem überwunden werden.