Markt&Technik-Forum

Bauelementeknappheit bremst Markterholung der Stromversorgungsbranche

15. Juli 2010, 13:38 Uhr | Engelbert Hopf
Diesen Artikel anhören

Fortsetzung des Artikels von Teil 3

Wenn Elkos zum Line-Stopper werden

»Wir haben derzeit bei uns jede Menge Ware, die nicht ausgeliefert werden kann, weil die Fertigstellung an irgendwelchen Cent-Produkten scheitert, die wir nicht rechtzeitig bekommen «, skizziert Dr. Frank Flachkamp, Geschäftsführer der B&S Engineering, die Probleme, die derzeit wohl viele produzierende Betriebe nicht nur im Stromversorgungsbereich beschäftigen. Kritisch sei immer das, was gerade nicht zu bekommen ist, beschreibt er die Lage. »Die entscheidende Frage ist, was wurde gerade wieder irgendwo verschoben? Nachdem die letzten sechs Wochen bei Digikey im Internet keine Elkos zu bekommen waren, stehen da plötzlich wieder 20.000 drin«, stellt er fest, »die haben wohl gerade wieder eine Lieferung bekommen, und das reicht dann für ein paar Wochen«.

Im Laufe der Diskussion wird schnell klar, dass sich auf Seiten der Gerätehersteller ein gehöriger Unmut angesichts von Lieferzeiten von 50 bis 90 Wochen und einigen speziellen Praktiken von Bauelemente-Herstellern und -Distributoren zusammengebraut hat. »Ich denke, dass einige Distributoren ihren Job nicht richtig verstanden haben«, hält etwa Hermann Püthe, Geschäftsführender Gesellschafter von inpotron Schaltnetzteile, fest, »wenn Sie einen Rahmenauftrag erhalten, müssen Sie zusehen, dass Sie eine entsprechende Lagerbevorratung betreiben, wenn das vertraglich vereinbart ist«. An diesem Punkt unterscheiden sich offenbar die Distributoren. Während die einen Lager einrichten, bestellen andere genauso scheibchenweise bei den Herstellern, wie der Kunde seine Lose gemäß dem Rahmenvertrag abruft.

Besonders schmerzlich an der aktuellen Lage ist der Umstand, dass es sich eigentlich um Cent-Artikel wie Kondensatoren, Widerstände und Induktivitäten handelt, an denen die reibungslose Auftragsabarbeitung derzeit scheitert. Obwohl die Stromversorgungsbranche sicherlich zu den langfristig konstantesten Absatzbranchen für die Hersteller passiver und elektromechanischer Bauelemente zählt, ist ihr Machtpotenzial gegenüber den Herstellern ganz offenbar gering. »Erinnern Sie sich an die Zeit 2000/01: Auch damals ging das Kernmaterial in die Handys und nicht in die Stromversorgungen « erinnert Hannes Schachenmayr, Sales Manager Central and Eastern Europa, an die Zeit vor fast zehn Jahren, »Kunden wie Nokia haben eben ein anderes Potenzial und handeln andere Verträge mit ihren Zulieferern aus«.

Während Hilmar Kraus, Geschäftsführer der MTM Power, von einer stillschweigenden Vorgehensweise der Komponentenhersteller ausgeht, um die Preise für ihre Produkte über verschiedene Kanäle wieder nach oben zu bekommen, regt sich Holger Schierenbeck, Managing Director bei XP Power, darüber auf, dass es auch nichts hilft, rechtzeitig auf die Warnungen der Bauelemente-Branche zu reagieren, weil man trotzdem nicht die Bauelemente-Volumen erhält, die eigentlich vertraglich festgeschrieben waren. »Wir haben bereits im letzten Jahr auf die Warnungen der Bauelemente- Hersteller vor einer eventuell drohenden Verknappung reagiert und unsere Rahmenaufträge entsprechend angepasst«, berichtet er, »wir bekommen die Ware aber trotzdem nicht zum vereinbarten Zeitpunkt in der vereinbarten Menge. Da frage ich mich schon, warum die Hersteller nicht die entsprechenden Kapazitäten freigeräumt haben«.

Wohl aus dem simplen Grund, dass sie selber nicht an eine so schnelle Verknappung geglaubt haben, obwohl sie selbst davor gewarnt haben, vermutet Bernhard Erdl, President von Puls. Er verweist darauf, dass sich das Spiel mit den herbeigeredeten Knappheiten in schöner Regelmäßigkeit am Markt wiederholt. »Wenn sie bereits im April letzten Jahren vor einer möglichen Verknappung in 2010 gewarnt haben, warum haben sie dann nicht die Kapazitäten erhöht, um jetzt absahnen zu können«, fragt er, »wohl letztlich deshalb, weil sie ihrer eigenen Prognose nicht vertraut haben«.

Besonders erbost zeigen sich die Diskussionsteilnehmer über die Art und Weise, wie der Schwarze Peter zwischen Bauelemente-Herstellern und Distributoren hin und her geschoben wird. Zwar sehen die Verträge vor, dass der Distributor aus dem Schneider ist, wenn er vom Hersteller nicht beliefert wird, doch das ist für Kunden schwer überprüfbar. »Der Hersteller sagt, ihr müsst zum Distributor gehen, der teilt dann die von mir großzügig gelieferte Ware an seine Kunden aus«, so ein Diskussionsteilnehmer, »der Distributor dagegen sagt, ich kann nichts tun, weil ich vom Hersteller keine Ware bekomme. Erdl sieht einen der Gründe für die außer Takt geratene Lieferkette in der Börsennotierung einer Reihe großer, vor allem amerikanischer Distributionsunternehmen. »Die wollen natürlich in einer Krisensituation ihr Working- Capital runterfahren«, stellt er fest, »damit können sie natürlich ihrer Grundaufgabe, nämlich ein Lager zu halten, nicht gerecht werden «. Er weist aber auch darauf hin, dass es die Differenzierung des Bauelementemarktes mit seinen verschiedenen Gehäuse-Temperaturund Toleranzvarianten äußerst schwer, wenn nicht gar unmöglich, macht, immer die richtigen Bauteile auf Lager zu haben. So schön die Diversifizierung für die Entwickler sei, so Erdl, desto mehr erschwert sie die Logistik: »Ob es Folienkondensatoren, Widerstände oder Relais sind, derzeit gibt es nichts, was nicht eng ist«.

Reinhard Kalfhaus, Geschäftsführender Gesellschafter der Syko Gesellschaft für Leistungselektronik, erläutert, dass die plötzlich aus China gemeldeten Preissteigerungen und Verknappungen bei Leiterpatten damit zu tun haben, dass die Leiterplattenherstellung in China nicht mehr steuerlich gefördert wird. Er berichtet aber auch davon, wie verschnupft Distributoren reagieren können, wenn sich Kunden nach monatelanger Wartezeit selbst nach Problemlösungen umsehen. »Wir haben im letzten Dezember 5000 Dioden im DPack-Gehäuse bestellt, die Bestellung wurde im Februar bestätigt, ist aber bis Ende Mai nicht bei uns angekommen «, erläutert er, »als wir die Diode dann im Internet gefunden und unseren Auftrag storniert haben, wurde der Disti richtig böse und hat den Mindestwert pro Auftrag auf 400 Euro hochgesetzt«. Für Kalfhaus ist das ein Zeichen dafür, dass die Distributoren in der aktuellen Situation wieder die Mentalität des Vertriebs rauskehren: »Du musst jetzt!« Vor einem Jahr, so Kalfhaus, war das noch ganz anders.

Daran kann sich auch Dr. Flachkamp noch erinnern: »Im Frühjahr letzten Jahres konnten Sie Halbleiter bei Spoerle einzeln kaufen, damit konnten Sie den Bastelbedarf befriedigen«, schildert er seine Erfahrungen, »zuvor hieß es immer: Wir können wegen der ISO nicht die Stange aufmachen. Seit die Lager leer sind, werden jetzt wieder nur noch Verpackungseinheiten verkauft«


  1. Bauelementeknappheit bremst Markterholung der Stromversorgungsbranche
  2. 2011 zeichnet sich zweistelliges Wachstum ab
  3. Solarmarkt boomt trotz politischer Regulierung
  4. Wenn Elkos zum Line-Stopper werden
  5. Fälschungs-Boom, oder die Gefahren des Spot-Markts
  6. Das Dollar-Euro-Verhältnis hat kaum Einfluss aufs Power-Geschäft

Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu inpotron Schaltnetzteile GmbH

Weitere Artikel zu Delta Energy Systems GmbH Soest

Weitere Artikel zu XP Power GmbH

Weitere Artikel zu SYKO Gesellschaft für Leistungselektronik mbH

Weitere Artikel zu TDK-LAMBDA Germany GmbH

Weitere Artikel zu MTM POWER Messtechnik Mellenbach GmbH

Weitere Artikel zu EMTRON electronic GmbH

Weitere Artikel zu EPLAX GmbH

Weitere Artikel zu PULS GmbH

Weitere Artikel zu Siemens AG, Industry Automation

Weitere Artikel zu VICOR Deutschland

Weitere Artikel zu Energietechnik