Auf die Vollbremsung folgt nun Vollgas. Auf die in vielen Fällen historischen Auftrags- und Umsatzeinbrüche des Vorjahres folgt in der Stromversorgungsbranche ein Wahnsinnsjahr 2010, das in den ersten Monaten von hohen zweistelligen Zuwachsraten gekennzeichnet ist. Einziges Problem: Die immer prägnanter spürbare Bauelemente-Knappheit verhindert in vielen Fällen, dass auch wirklich all das produziert und ausgeliefert wird, was in den Büchern steht. Mit einer Normalisierung der Marktsituation rechnet die Branche für 2011.
»Grandios«, anders lässt sich der Auftragseingang bei vielen auf dem deutschen Markt tätigen Stromversorgungsherstellern in den beiden ersten Quartalen des Jahres 2010 kaum beschreiben. In manchen Fällen sind die Unternehmen fast fließend von der auslaufenden Kurzarbeit in die Überstunden oder die Neueinstellung von Personal übergegangen, vor allem im Entwicklungs-, aber auch im Fertigungsbereich.
Trotz aller positiven Meldungen der letzten Monate glaubt Holger Schierenbeck, Managing Director, XP Power, nicht daran, dass die Krise des Vorjahres schon überwunden ist, »es wird sich 2011/12 zeigen, ob wir von diesem Anstieg aus weiter nach oben gehen werden. Die ersten beiden Quartale dieses Jahres können dafür kein Maßstab sein«! Andreas Mielke, Geschäftsführer von Eplax, sieht dagegen keine Gründe, mit einer nachgelagerten Wirtschaftskrise zu rechnen. »Wir haben 2009 im Bereich der Standardgeräte die branchenweiten Rückschläge hinnehmen müssen, das aber über kundenspezifische Projekte ausgeglichen«, berichtet er, »aus diesem Grund haben wir das Vorjahr auf dem Niveau des Jahres 2008 abgeschlossen«.
Mit einem blauen Auge davon gekommen, so sieht Hannes Schachenmayr, Sales Manager Central and Eastern Europe die Ereignisse des Vorjahres. »Wir hatten in Deutschland bei Industrieprojekten einen Rückgang von bis zu 35 Prozent, bei Militärprojekten dagegen sind wir sogar gewachsen«, schildert er die jüngste Unternehmensentwicklung in Deutschland, »weltweit konnten wir im Vorjahr sogar einen Zuwachs erzielen «. Als stabilisierender Faktor hat sich für Vicor im letzten Jahr Osteuropa, speziell Russland, erwiesen: »Dort werden nach wie vor immense Investitionen getätigt, und der steigende Ölpreis hat auch die Cash-Probleme, die im ersten Quartal 2010 auftraten wieder bereinigt«.
Kaum waren die Lager der Kunden leer, kamen die Aufträge zurück, und die Lieferzeiten gingen fast schlagartig nach oben, schildert Uwe Halstenbach, Sales Director bei TDK-Lambda Germany, seine Erfahrungen der letzten Monate. »Lag die Book-to-Bill während der Krise bei 0,8, haben wir inzwischen einen Wert von 1,4 erreicht«, beschreibt er den Wandel am Markt, »die Mehrzahl unserer Kunden hat bereits ihre Orders bis Ende des Jahres platziert «. Halstenbach rechnet jedoch damit, dass sich die Situation in absehbarer Zeit normalisiert, die Aufträge wieder kurzfristiger erteilt werden und im Gefolge dieser Entwicklung auch die Umsätze wieder etwas zurückgehen werden, »aber nicht auf der Niveau während der Weltwirtschaftskrise«.
Etwas verwundert über die schnelle Erholung des Marktes und einiger seiner Wettbewerber in der Diskussionsrunde zeigt sich Hilmar Kraus, Geschäftsführer der MTM Power. »Vor einem Jahr haben noch alle über einen Einbruch von 25 Prozent gejammert, und nun wird vermeldet, man habe im Vorjahr gegenüber 2008 kaum Umsatzeinbußen hinnehmen müssen oder habe den Umsatz sogar steigern können«, wundert sich Kraus, »wir haben das Jahr 2009 dank der langfristig orientierten Bahntechnik überstanden und sind inzwischen wieder in einer Situation, wo wir mit Überstunden arbeiten müssen und an Neueinstellungen denken«. Kraus geht davon aus, dass das, was sich derzeit am Markt abspielt, in erster Linie Lagersicherung ist und dass in der zweiten Jahreshälfte 2010 die Aufträge wieder zurückgehen werden. »Bei Wachstumsraten von 60 Prozent, die sich über mehrere Monate hinziehen, müsste die Wirtschaft ja sonst explodieren«, stellt er fest.
Im Fall Syko Gesellschaft für Leistungselektronik war es vor allem die Sondertechnik, die dem Unternehmen im letzten Jahr geholfen hat, wie der Geschäftsführende Gesellschafter Reinhard Kalfhaus berichtet. In der aktuellen Situation hat der Auftragsbestand des Unternehmens nach seinen Worten einen Rekordstand erreicht, »gleichzeitig sind wir aber auch bei den längsten Auftragslaufzeiten angelangt, die wir je hatten «. Für das laufende Geschäftsjahr rechnet Kalfhaus nicht mit einem wachsenden Stromversorgungsmarkt, auch für 2011 geht er nicht von kräftigen Steigerungsraten aus.
Mit wirklichen Steigerung rechnet auch Dr. Frank Flachkamp erst für das nächste Jahr, für das laufende Geschäftsjahr wirft er in der Diskussionsrunde die Frage auf: »Haben wir wirklich eine Chance, das, was wir derzeit in den Büchern stehen haben, auch wirklich zu liefern«? Seine Skepsis ist auch der Situation auf dem Bauelementmarkt geschuldet. Bei Lieferzeiten von bis zu 70 Wochen und mehr für einige kritische Bauelemente, stellt sich für ihn die Frage, »ob eigentlich unsere Kunden so lange durchhalten können oder ob sie uns wegbrechen, weil ihr Kunde wiederum kein Verständnis für die Probleme der Subsystemhersteller hat«.