Erhan spricht von einer Wafer-Knappheit, Dr. Schmitt-Hahn von höheren Preisen für Wafer. »Das zeigt, dass derzeit alle investieren«, so der Bosch-Sensortec-Manager, »aber diese neuen Kapazitäten werden dann erst im nächsten Jahr bereit stehen«. Ähnlich dramatisch wie bei Halbleitern und passiven Bauelementen haben sich die Lieferzeiten nicht erhöht, mein Dr. Leitner: »Die Lieferzeiten dürften von acht auf zwölf Wochen gestiegen sein.« Anders als C-Bauteile würden Sensoren dem Gerätehersteller die Möglichkeit bieten, sich vom Wettbewerb zu differenzieren. »Es wird nicht so kurzfristig wie bei C-Bauteilen bestellt«, so Dr. Leitner, »wir bekommen deutlich geplantere Nachfragesignale, als das im C-Bauteile-Segment der Fall ist«. – »Im Automotive-Bereich geben uns die Kunden oft einen Forecast über 18 Monate«, berichtet Hennrich, »im Consumer-Bereich ist die Produktion leider weniger gut planbar«.
»Ich glaube nicht, dass wir 2018 noch das berühmte Sommerloch bekommen werden«, meint Jörg Wedermann, Vice President Sensors Sub-Division Opto Division bei Vishay Semiconductor. »Das Backlog ist zweifelsfrei da, aber das Bestellverhalten der Kunden hat sich auch geändert, sie ordern inzwischen langfristiger.« Aber auch er gibt zu, dass man angesichts der Frage, wie lange die aktuelle Situation andauern wird, und da die Investitionen erst in einem Jahr greifen werden, nur sehr vorsichtig investiere: »Wir wollen am Schluss nicht mit Überkapazitäten dastehen und in irgendwelche Preisschlachten reingetrieben werden!«
In diesem Zusammenhang verweist Dr. Helm noch einmal auf China. »Wir sehen in China massive Investitionen in den Bereich Sensorik. Bisher ist das zwar noch technologisches Low-End, aber da entstehen massive Kapazitäten, und diese Kapazitäten werden über kurz oder lang zum Einsatz kommen.«
Zwischenhandel und Wettbewerb
Bleibt die Frage: Wie kommen die MEMS und Sensoren, wenn sie denn zur Verfügung stehen, zu den Anwendern? Welche Rolle spielen die Distributoren bei diesem Prozess? »Für die Magnetfeld-Sensorik gibt es so viele mögliche Applikationen, dass niemand sämtliche Einsatzgebiete im Detail kennen kann«, versichert Hennrich. »Deshalb beliefern wir den Markt nicht ausschließlich selbst, sondern auch über Distributoren.« In Summe geht es darum, einige tausend Kunden zu bedienen. »Es gibt immer wieder Anwendungen«, so der TDK-Manager, »die auch für uns neu sind. An solche Projekte gehen wir dann zusammen mit unseren starken Partnern aus der Distribution ran».
»Distribution ist ein wichtiger Partner für uns«, bestätigt auch Kämmerer, »es gibt einfach zu viele unterschiedliche Ideen und Firmen da draußen!« Es seien vor allem die kleinen Firmen, wo die Distribution unheimlich wichtig sei, um diese Kunden zu erreichen. »Distributoren verfügen teilweise über sehr gutes Know-how in Sachen Sensorik, zum Teil mehr als mancher Direktkunde«, versichert Kämmerer. »Schwierig wird es für Distributoren aber bei neuer Technologie, die noch nicht so verbreitet ist und wo das Systemverständnis noch nicht da ist.«
Im Fall Bosch-Sensortec dominiert zwar das Direktgeschäft, aber wie Dr. Schmitt-Hahn erläutert, waren es speziell im Wearable-Bereich kleine Distributoren, die mit dieser Applikation nun groß geworden sind. »Inzwischen sind diese Kunden aus dem Wearable-Bereich vielleicht zu Direktkunden aufgestiegen«, erläutert der Bosch-Sensortec-Manager, »aber unser Distributionsgeschäft wächst inzwischen kontinuierlich«.
Bei Vishay liegt die Verteilung zwischen Direkt- und Distributionsgeschäft bei fast 50:50, wie Wedermann berichtet. »Das Geschäft ist zwar sehr beratungsintensiv«, so der Vishay-Manager, »aber wir sehen, dass die Distributoren in diesen Bereich investieren und ihre FAE-Mannschaften entsprechend ausbauen«. Das Geschäft werde immer technologischer. »Früher haben wir mit den Distributoren Produktschulungen gemacht«, schildert Wedermann den Wandel, »heute geht es um Software und Use-Cases«. Eine Entwicklung, die zwangsläufig ist, schließlich versuchen die Distributoren inzwischen ja auch, Systemlösungen anzubieten.
Auch in den Augen von Dr. Lindner wird die Bedeutung der Distribution für die Sensorik immer größer. »Wir wachsen sehr stark, und dieses Wachstum wäre für uns ohne Distribution gar nicht möglich«, versichert er; »wir arbeiten hier deshalb eng mit unseren Partnern Mouser, Digi-Key, Future, Arrow und BFI zusammen«. Aus seiner Sicht ist das Thema Sensorik auch wegen der hochwertigen Produkte und der damit verbundenen Margen für die Distributoren so interessant. »Wenn ich einen Sensor eindesigne, dann habe ich nicht nur das Geschäft, ich bin auch die nächsten Jahre in dieser Applikation drin, das ist nicht so wie bei Widerständen, wo ich schon morgen wieder draußen sein kann.«
Nachdem es in den letzten Jahren in der MEMS- und Sensor-Branche eine Reihe von Übernahmen gegeben hat, ist es inzwischen etwas stiller geworden. »Das Geld für weitere Übernahmen wäre da«, so Dr. Dixon, »aber viele Firmen, die man übernehmen könnte, gibt es nicht mehr oder sie sind deutlich größer geworden, als sie noch vor zwei, drei Jahren waren«. In seinen Augen war etwa TDK ein Musterbeispiel für ein Unternehmen, das zukauft, um sein Portfolio abzurunden und nicht nur Magnetsensorik im Programm zu haben.
»TDK strebt im Sensor-Bereich eine führende Position am Markt an, und das haben die Akquisitionen von Micronas, Tronics, InvenSense und Chirp Microelectronics in den letzten Jahren untermauert«, stellt Hennrich fest. Eine Reihe kleinerer Firmen hat Analog Devices übernommen. Zuletzt war es eine Firma aus dem Bereich Radar, »die uns in diesem Bereich mehr Systemwissen im Bereich Software verschafft«, erläutert Kämmerer die letzte Akquisition seines Unternehmens.
»Aus unserer Perspektive kaufen wir Technologie, die uns interessiert«, beschreibt Dr. Leitner die Vorgehensweise von ams. Besonders interessant sei dann immer die Frage: »Kriegt man das auch in die Hochvolumenproduktion?« Dazu kommt für Dr. Leitner, dass für viele Unternehmen der Sensor ein Herzstück ihrer Applikation sei. »Das möchte man dann nicht von einer kleinen Technologiefirma kaufen, sondern von einer Firma, auf die man sich verlassen kann«. Aus seiner Sicht gib es noch viele interessante Technologiefirmen am Markt; »ich glaube nicht, dass das Übernahmekarussel wirklich zum Stillstand gekommen ist«.
Bei aller Technologiegetriebenheit des Sensor-Business mutet es doch erstaunlich an, dass es keine oder nur wenige Single-Source-Lösungen am Markt gibt. »Für Sensortechnologie, die nur einer anbietet, gibt es, glaube ich, keinen Markt«, meint Dr. Helm. »Wenn es einen Markt für eine Sensorlösung gibt, dann werden da immer zwei oder drei sein, die diesen Markt bedienen.«