Vor einem Jahr übernahm der US-Messtechnik-Distributor TestEquity den deutschen Gebrauchtgeräte-Händler Instrumex. Seit April firmiert das Unternehmen als TestEquity GmbH. Michael Hermle, Prokurist und Sales Director Germany, erklärt, was sich für die frühere Instrumex und ihre Kunden geändert hat.
Markt&Technik: Instrumex war jahrzehntelang eine feste Größe im Messtechnik-Gebrauchtgerätevertrieb. Mit der Übernahme durch Test Equity kam der Vertrieb von Neugeräten hinzu. Was hat den Ausschlag für diese Erweiterung gegeben?
Michael Hermle: Die Entscheidung, neben dem etablierten Gebrauchtgerätegeschäft auch Neugeräte ins Portfolio aufzunehmen, war im Grunde genommen nur konsequent. Instrumex hat bis dato über 90 Prozent des Geschäfts mit Gebrauchtgeräten gemacht. Mit dem Einstieg von Test Equity – dem weltweit größten Distributor für Test- und Messtechnik mit einem sehr breiten Herstellerportfolio – war es naheliegend, auch Neugeräte anzubieten. Interessant war, dass sich daraufhin viele Hersteller aktiv an uns gewandt haben, um unser Wachstum in Europa zu unterstützen. Heute kombinieren wir die Stärken beider Welten: ein stabiles Geschäft mit Gebrauchtgeräten – das wir durch zusätzliche Kapazitäten von Test-Equity-Geräten aus den USA sogar noch erweitern konnten – ergänzt um ein wachsendes Neugeräteangebot mit vielen namhaften Herstellern.
In unserem Vorgespräch zu diesem Interview sagten Sie, Test Equity besetze eine Nische im Messtechnik-Vertrieb. Was genau meinten Sie damit?
Kunden erwarten zu Recht mehr als nur die reine Produktlieferung. Deshalb wollen wir nicht nur Produkte verkaufen, sondern unseren Kunden Lösungen und Auswahlmöglichkeiten für den gesamten Lebenszyklus der Geräte bieten – vom Kauf über die Wartung und Aufrüstung bis hin zur Entsorgung. Und natürlich sind auch Gebrauchtgeräte unter den schwierigen Marktbedingungen, mit denen wir alle heute konfrontiert sind, sehr hilfreich. Unsere Stärke – und wenn Sie so wollen, auch unsere besondere Nische - liegt also in der Kombination: Wir bieten hochwertige Gebrauchtgeräte, aktuelle Neugeräte und ergänzende Services wie Kalibrierung, Finanzierung, Buy-Back-Programme oder auch Mietangebote für kurzfristige Bedarfe. Und das alles aus einer Hand. Das macht uns, aber auch unsere Kunden flexibel. Und genau das ist heute wichtig. Diese Mischung ist tatsächlich ziemlich einzigartig und wird von unseren Kunden – gerade in Forschung, Entwicklung und industrieller Fertigung – sehr geschätzt.
Wie verteilt sich Ihr Geschäft derzeit zwischen Neu- und Gebrauchtgeräten – und wohin geht die Entwicklung?
Aktuell liegt der Schwerpunkt unseres Business noch klar im Bereich der Gebrauchtgeräte. Das ist historisch gewachsen und weiterhin ein wichtiger Eckpfeiler unseres Portfolios. Mit dem Einstieg in den Neugerätevertrieb haben wir aber einen entscheidenden strategischen Schritt gemacht. Wir sehen jetzt schon, dass die Nachfrage nach Neugeräten immer stärker steigt. Langfristig streben wir ein ausgewogenes Verhältnis an, bei dem sich beide Geschäftsbereiche ergänzen und gemeinsam wachsen. Dabei ist uns eines ganz wichtig: Gebraucht- und Neugeräte sind keine Konkurrenten, sondern ergänzen sich. Wer schnell eine kostengünstige Lösung braucht, findet sie bei uns genauso wie derjenige, der ein brandneues High-End-Gerät mit voller Herstellergarantie sucht. Unser Ziel ist es, Kunden für jede Anwendung die passende Lösung zu bieten – wirtschaftlich, technologisch oder zeitlich optimiert.
Welche Rolle spielte die Übernahme von Instrumex in Test Equitys europäischer Vertriebsstrategie?
Test Equity verfolgt das Ziel, auch in Europa einer der größten Test- und Messtechnik-Anbieter zu werden. Nach der Übernahme der britischen MSC Test war der Kauf von Instrumex der nächste logische Schritt, um auch eine Präsenz im deutschen Markt zu haben. Er ist schlicht der größte und wichtigste in Europa. Instrumex war dafür eine gute Basis, weil wir seit vielen Jahren fest im Markt verankert sind. Mit der Übernahme konnten wir unsere Stärken mit denen des Konzerns verbinden. Heute arbeiten die Teams aus Deutschland, UK und den USA eng zusammen und nutzen ihre jeweiligen Stärken.
Welche Rolle spielen Akquisitionen generell in der Strategie von Test Equity? Wie gewichten sich organisches und anorganisches Wachstum – und welche Prioritäten setzen Sie in Europa?
Akquisitionen sind ein zentraler Bestandteil unserer Wachstumsstrategie – vor allem dann, wenn sie unser Produktportfolio sinnvoll erweitern, technologische Kompetenzen stärken oder unsere geografische Präsenz ausbauen. In den vergangenen Jahren haben wir bewiesen, dass wir in der Lage sind, gezielte Zukäufe erfolgreich zu integrieren und daraus echten Mehrwert für unsere Kunden zu schaffen. Gleichzeitig setzen wir stark auf organisches Wachstum – etwa durch die kontinuierliche Erweiterung unseres Angebots, Investitionen in Servicequalität, Digitalisierung und die Stärkung unseres Vertriebs. Entscheidend ist die Balance beider Ansätze.
Ihr Portfolio umfasst bereits über 30 Hersteller. Wo sehen Sie weiteres Potenzial?
Wir versuchen, uns möglichst eng an den Bedürfnissen unserer Kunden zu orientieren und passende Lösungen anzubieten. Dafür arbeiten wir schon jetzt mit sehr unterschiedlichen Messtechnik-Herstellern zusammen – sowohl mit etablierten Marken als auch mit innovativen Spezialanbietern. Gleichzeitig sehen wir aber auch noch Bereiche, in denen wir unser Angebot gezielt erweitern könnten. Besonders interessant sind für uns technologisch führende Hersteller aus den Bereichen Hochfrequenztechnik, optische Messtechnik, Batterietestsysteme oder IoT-Lösungen, die unser bestehendes Portfolio gut ergänzen würden.
Test Equity ist nicht nur Distributor, sondern auch Hersteller – unter anderem von Umweltprüfkammern. Wie fügt sich diese Fertigungskompetenz in Ihre Gesamtstrategie ein?
Weltweit haben wir mehr als 3000 Eigenmarkenprodukte, und es ist ein sehr wichtiger Teil unserer Strategie, diese nach und nach auch in Europa anzubieten. Besonderes Interesse besteht aktuell an unseren Umweltprüf- und Klimakammern, den „TE Chambers“. Sie sind hochwertig und gleichzeitig preislich attraktiv – und sind damit oft der erste Berührungspunkt zu neuen Kunden im europäischen Markt. Unsere Fertigungskompetenz – insbesondere eben im Bereich der Umwelt- und Messkammern – erweitert unsere Wertschöpfungskette, unterstreicht unsere Kompetenz, differenziert uns vom Wettbewerb und ergänzt das Distributionsgeschäft sinnvoll. Zusammengefasst: Die Fertigung ist kein isolierter Geschäftsbereich, sondern ein integraler Bestandteil der Strategie, Test Equity als umfassenden Lösungsanbieter für Test- und Messtechnik zu positionieren.
Deutschland ist bekannt für hohe Ansprüche an Technik und Service. Wie stellen Sie Support, Kalibrierung und Wartung sicher – sowohl für die Neu- und Gebrauchtgeräte als auch für Ihre Eigenentwicklungen?
Da kommt uns die Erfahrung von Instrumex sehr zugute. Wir pflegen langjährige Partnerschaften mit Anbietern von Kalibrierdienstleistungen in Deutschland. Wir arbeiten mit zertifizierten Kalibrierlaboren zusammen, bieten schnelle Turnaround-Zeiten und auf Wunsch auch Vor-Ort-Services – insbesondere für zeitkritische Projekte. Bei unseren Eigenprodukten stellen wir sicher, dass Ersatzteile, Reparaturservices und technischer Support jederzeit verfügbar sind. Unser Anspruch ist es, nicht nur Geräte zu liefern, sondern funktionierende, nachhaltige Lösungen – und das über den gesamten Lebenszyklus hinweg.
Die weltwirtschaftlichen Herausforderungen sind aktuell immens. Lieferkettenprobleme, Fachkräftemangel – wie stabil ist Ihre Supply Chain für den europäischen Markt aufgestellt?
Natürlich spüren auch wir die Auswirkungen der weltwirtschaftlichen Herausforderungen – insbesondere was Lieferketten, Materialverfügbarkeiten und Preisdynamiken betrifft. Dennoch sehen wir uns für den europäischen Markt sehr robust aufgestellt. Dank unserer engen Lieferantenbeziehungen in Europa und den USA sowie unserer hohen Lagerverfügbarkeit können wir die Herausforderungen der Lieferkette ganz gut abfedern. Wir sind davon überzeugt, dass ein starker lokaler Lagerbestand, unterstützt durch globale Kapazitäten das Erfolgsrezept ist. Auch unsere breite Gebrauchtgerätebasis ist hier ein klarer Vorteil – sie erlaubt es uns, kurzfristig Alternativen anzubieten.
Und wie begegnen Sie dem zunehmenden Preisdruck?
Dazu verfolgen wir eine klare Mehrwertstrategie: Wir setzen auf Beratungskompetenz, langfristige Kundenbeziehungen und maßgeschneiderte Lösungen statt auf reinen Preiswettbewerb. Gleichzeitig optimieren wir kontinuierlich unsere Prozesse – von der Beschaffung bis zur Logistik –, um wettbewerbsfähig zu bleiben, ohne bei Qualität oder Service Kompromisse einzugehen. Denn gerade in herausfordernden Zeiten zeigt sich, wer ein verlässlicher Partner ist.
Wenn Sie auf die nächsten Jahre blicken: Wo steht Test Equity im Jahr 2030?
Bis 2030 sehe ich Test Equity auch in Europa als einen der führenden Anbieter im Bereich Messtechnik – mit einem ausgewogenen Portfolio aus Gebraucht- und Neugeräten, umfassenden Serviceleistungen und innovativen Eigenentwicklungen. Digitalisierung, Automatisierung und Vernetzung unserer Produkte werden dabei eine zentrale Rolle spielen. Darüber hinaus werden wir bis 2030 nicht nur für führende Marken im Bereich Test- und Messgeräte bekannt sein, sondern wir werden auch unsere Produktpalette an Electronic Production Supplies – EPS – und Electronic Maintenance & Repair – eMRO – auf den Markt bringen. Kurz gesagt: Wir werden unseren Kunden ein noch breiteres Spektrum an Lösungen bieten können – aus einer Hand.
Die Fragen stellte Nicole Wörner.