Florian Haas, VP Marketing & Digitalization von Traco Power, nennt die Auswirkungen hingegen »viel schwächer als vermutet« und unterstreicht ebenfalls die Möglichkeiten von Online-Meetings und digitaler Kommunikation: »Die kostenfreie Beratung durch unseren Entwicklungs-Support haben wir so digitalisiert, dass dieser Support mittels verschiedenen Video Online Tools durchgeführt werden kann, ohne dabei vor Ort sein zu müssen.« Haas sieht darin auch ein Modell für die Zukunft: »Die letzten 16 Monate haben gezeigt, dass es im Prinzip keine unbedingte Präsenz vor Ort benötigt, um das Geschäft erfolgreich weiterzuführen und die Kundenbedürfnisse zu befriedigen. Allerdings erleichtert physische Präsenz gewisse Abläufe wie beispielsweise Audits und den Aufbau von neuen Geschäftszweigen.«
Bernhard Erdl, Geschäftsführer von Puls, sieht ebenfalls kaum Beschränkungen bei laufenden Projekten, da Puls global verteilte Teams vor Ort habe. Er weist zudem auf die Vorzüge der Online-Kommunikation bei Routinefragen und -abstimmungen und bei einfachen Themen oder wenn man sich schon gut kennt, gibt aber auch zu bedenken: »Das erste persönliche Kennenlernen sollte aber unbedingt persönlich sein, um Vertrauen aufzubauen.« Demzufolge habe Puls den noch kurz vor Pandemie-Beginn beschlossenen Schritt, eine direkte Präsenz in Südkorea aufzubauen, vertagt, »bis wir die einzustellenden Führungspersonen persönlich kennenlernen können«, führt Erdl aus. Auch Südkorea hatte bis zum 1. September 2021 einen Quasi-Einreisestopp verhängt. Inzwischen sind Einreisen wieder mit einer 14-tägigen Quarantäne möglich.
Kai Heinemann, Geschäftsleiter Entwicklung und Produktmanagement bei Block Transformatoren-Elektronik, sieht die Einschränkungen insbesondere in der gebremsten Entwicklung der Standorte: »Zwar lässt sich schon vieles online erledigen, aber große Investitionsentscheidungen erfordern dann doch einen Vor-Ort-Termin der entscheidenden Personen. Bei uns steht ganz konkret die weitere Erweiterung der Produktionsfläche an. Dies impliziert dann natürlich auch Entscheidungen, die nur vor Ort und von der höchsten Managementebene getroffen werden können. Hier sind wir schon deutlich eingebremst.« Der Vertrieb dagegen lässt sich nach den Worten von Heinemann mit den lokal verantwortlichen Personen abwickeln.
Bei Lapp stellt man nach den Worten von Jan Ciliax, CFO der Lapp Holding, Auswirkungen »nur in einem sehr geringen Umfang« fest. Ciliax unterstreicht, dass die Produktionswerke und die Lieferantenbasis global und breit aufgestellt sind und die Regionen daher sehr autonom arbeiten. Auch er betont die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation, die aber auch Grenzen hat: »Die digitalen Meetings ersetzen aus meiner Sicht nicht die sozialen und persönlichen Kontakte, insbesondere im interkulturellen Austausch wie beispielsweise mit China oder Indien. Da ist der persönliche Kontakt schon hilfreich, um kulturelle Unterschiede besser zu verstehen und zu überbrücken.« Insgesamt werde die Reisetätigkeit aber langfristig nicht mehr so hoch sein wie vor der Pandemie, meint Ciliax, weil viele internationale Meetings durch digitale Treffen ersetzt werden.
»Gut auffangen« kann auch TDK die Reisebeschränkungen nach den Worten von Josef Vissing, President von TDK Euorpe. Schließlich sei man in China und den USA bereits seit Langem stark präsent. Die TDK-Werke werden lokal durch das erfahrene Management geführt – das gilt auch für den Fertigungshochlauf neuer Produkte. »Was Audits durch Kunden angeht, haben wir bereits während der Hochphase der Pandemie mitunter virtuelle Werksbesichtigungen realisiert, bei denen neue Produktionslinien in Echtzeit angeschaut werden können«, unterstreicht Vissing. »Solche Remote-Online-Formate werden auch künftig sehr vorteilhaft sein, etwa wenn man bedenkt, welcher Aufwand notwendig ist, damit ein Reinraum betreten werden kann.« Nichtsdestotrotz setzt TDK nach den Worten von Vissing wieder vermehrt auf persönliche Treffen: »Denn letztendlich sind es Menschen, die Geschäfte führen. Es ist wichtig, gegenseitiges Vertrauen und Sympathie zu Geschäftspartnern oder Kunden aufzubauen – und diese kann online auf Dauer nicht wirklich funktionieren.«
Ähnlich sieht das auch Harald Sauer, Director von Taiyo Yuden Europe: »Die Kundenbeziehung leidet, wenn man sich zu lange nicht mehr persönlich trifft.« Auch Sauer weist auf die Auswirkungen auf den Aufbau an zusätzlichen Fertigungskapazitäten hin: »Produkt-Neuanläufe sind dann behindert, wenn dafür neue Maschinen installiert werden müssten.«
Laut Alexander Gerfer von Würth eiSos funktioniert der technische Vertrieb und die Betreuung in China und USA nach wie vor gut. Von Einschränkungen spricht Gerfer wie seine Branchenkollegen aber im Hinblick auf die Produktionen, wenn es um Erweiterungen, Neu- oder Umbauten geht: »Hier können unsere Experten aus Europa oder anderen Ländern nicht nach China oder die USA einreisen, was für diese Maßnahmen wichtig wäre. Es geht über digitale Zusammenarbeit, was bei komplexen Aufgabenstellungen aber nicht einfach ist.« Auch Kundenaudits finden bei Würth eiSos derzeit zum Teil digital statt. »Wir machen heute digitale oder hybride Meetings zu Themen, die wir uns zuvor nicht als virtuelles Meeting haben vorstellen können.«
Unterm Strich sind die viele Firmen durch die Reisebeschränkungen im laufenden Betrieb zwar gefordert, können diese aber relativ gut abfedern. Störend wirken sich die Beschränkungen allerdings auf den Aufbau von weiteren Standorten oder auch von zusätzlichen Produktionskapazitäten aus, was die Lieferketten mittelfristig zusätzlich beeinträchtigen könnte.