Optimal auf die Anwendung zugeschnitten

Was Leitungsquerschnitte mit Nachhaltigkeit zu tun haben

28. Mai 2025, 14:00 Uhr | Andreas Knoll
Welcher Leitungsquerschnitt am nachhaltigsten ist, hängt von der Anwendung ab.
© Lapp

Eine Annahme hält sich hartnäckig: Dünne Leitungsquerschnitte seien wegen des geringeren Materialeinsatzes die bessere Wahl. Doch eine Untersuchung von Lapp zeigt, dass energieführende Leitungen mit größerem Querschnitt langfristig nachhaltiger sind.

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Energieführende Leitungen mit größerem Querschnitt sorgen für weniger Leistungsverluste, verringern Treibhausgas-Emissionen und kosten über den gesamten Lebenszyklus betrachtet weniger. Eine Frage bleibt aber: Wann lohnt sich welcher Querschnitt?

»Wenn Du den Motor anschließt, nimm einfach die dünnste Leitung – das ist billiger und reicht aus.« Diesen Satz hörte Maximilian Christians während seiner Ausbildung zum Mechatroniker immer wieder. Und er fragte sich schon damals, ob weniger wirklich immer besser ist. Auch als Research Engineer Advanced Technology bei Lapp ließ ihn diese Frage nicht los. Denn dünnere Leitungen sparen zwar Materialien und sind in der Anschaffung günstiger, verursachen aber höhere Leistungsverluste. Ob das langfristig nicht teurer wird, wollte er irgendwann genauer wissen.

Research Engineer Advanced Technology bei Lapp
Maximilian Christians, Lapp: »Die dünnste Leitung ist nicht immer die beste Wahl.«
© Lapp

Nach seinem Maschinenbaustudium an der Hochschule Bochum untersuchte er bei Lapp, Hersteller von integrierten Lösungen und Markenprodukten im Bereich der Kabel- und Verbindungstechnik, ob sich die gängige Faustregel »dünnere Leitung gleich weniger Material und somit niedrigere Kosten« halten lässt. Seine Forschungen zum Thema Nachhaltigkeit ergaben: Auch wenn Leitungen mit größerem Querschnitt in der Herstellung einen höheren Materialeinsatz bewirken und daher initial mehr kosten, können sie durch geringere Leistungsverluste über den Lebenszyklus hinweg Emissions- und Energiekosten sparen. »In einer Zukunft, die von nachhaltigem Wandel geprägt ist, können steigende Energiepreise und CO₂-Abgaben für Anwender zu einem entscheidenden Faktor für effiziente und nachhaltige Entscheidungen werden«, erläutert Maximilian Christians.

Erkenntnisse zu industriellen Anwendungen

Ein großer Leitungsquerschnitt hat oft Vorteile in puncto Nachhaltigkeit.
Ein großer Leitungsquerschnitt hat oft Vorteile in puncto Nachhaltigkeit.
© Lapp

Eine dünnere Leitung erzeugt durch ihren höheren elektrischen Widerstand mehr Wärme, was zu vermeidbarem Leistungsverlust führt. Je größer also der Leitungsquerschnitt, desto geringer der elektrische Widerstand – der Strom fließt effizienter, ohne dass unnötig viel Energie in Wärme umgewandelt wird und verloren geht. Gerade in industriellen Anwendungen, wo hohe Ströme im Spiel sind und dadurch der Leistungsverlust mit steigender Belastung überproportional zunimmt, ist das entscheidend. Leitungen mit größerem Querschnitt senken daher nicht nur den Energieverbrauch, sondern auch die thermische Belastung der Verbindung. Dies erhöht die Betriebssicherheit und verlängert die Lebensdauer der gesamten Konfiguration.

Für die Berechnung, ob sich das am Ende lohnt, ist zu berücksichtigen, dass eine Leitung mit größerem Querschnitt mehr Ressourcen wie Kupfer benötigt, was die initialen Herstellungs- und Anschaffungskosten im Vergleich zu einer dünneren Leitung erhöht und zunächst auch zu höheren CO2-Emissionen führt. Maximilian Christians betont: »Die Lösung kann vor diesem Hintergrund nicht sein: Wir nehmen die dünnste Leitung, um den Geldbeutel zu schonen, oder die dickste, um das Klima zu schützen. Vielmehr geht es darum, das optimale Verhältnis zu kalkulieren.« Als Teil des Vorentwicklungs-Teams von Lapp entwickelte er dafür eine fundierte Methode.

Mindestquerschnitt häufig nicht die optimale Wahl

Typischer Produktlebenszyklus mit verschiedenen Betrachtungszeiträumen.
Typischer Produktlebenszyklus mit verschiedenen Betrachtungszeiträumen.
© Lapp

Maximilian Christians entwickelte ein Berechnungsverfahren, das neben den Anschaffungskosten auch die Betriebskosten über die gesamte Nutzungsdauer der Leitung – die sogenannte Total Cost of Ownership (TCO) – berücksichtigt. Das Ergebnis? »Der rein normgerechte Mindestquerschnitt ist häufig nicht die wirtschaftlich und ökologisch optimale Wahl.« Maximilian Christians macht es an einem Beispiel deutlich: Bei einer Leitungslänge von 50 m und einem dreiphasigen Netz bei 16 A Nennstrom liegt der normgerechte Mindestquerschnitt bei 2,5 mm². Bezogen auf die Energiekosten wäre ökonomisch betrachtet ein Durchschnitt von 6 mm² die wirtschaftlichere Wahl. Wird zusätzlich die CO2-Bilanz über den gesamten Lebenszyklus berücksichtigt, wäre die nachhaltigste Lösung ein Querschnitt von 16 mm². Der optimale Leitungsdurchschnitt hängt somit von mehreren Faktoren ab, wie dem Nennstrom, der Nutzungsdauer und dem Strommix. »Hierauf sollten Unternehmen bei der Auswahl ihrer Leitungen achten«, führt Maximilian Christians aus. »Schon heute kann eine fundierte Entscheidung über den optimalen Leiterquerschnitt erhebliche Einsparungen von CO2-Emissionen und Kosten bringen.«

Umfassende Nachhaltigkeitshebel nutzen

Verschiedene Leitungen im Hochregallager aufbewahrt.
Verschiedene Leitungen im Hochregallager aufbewahrt.
© Lapp

Die Wahl des optimalen Leitungsquerschnitts ist einer von vielen Nachhaltigkeitshebeln bei Lapp. Auf der Hannover Messe 2025 zeigte das Unternehmen deshalb, wie die Wahl des optimalen Leitungsquerschnitts zur CO2-Reduktion und Kosteneffizienz beitragen kann. »Dies ist ein Beispiel dafür, wie Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz Hand in Hand gehen können«, sagt Maximilian Christians. »Die langfristige Reduktion von Energiekosten bedeutet zugleich eine nachhaltigere Nutzung von Ressourcen.«

Damit Kunden den optimalen Leistungsquerschnitt für ihre Anforderungen bestimmen können, integrierte Lapp seine Forschungsergebnisse in einen Emissions- und TCO-Lebenszyklus-Rechner. »Indem wir Nachhaltigkeit messbar machen, können Anwender bessere Investitionsentscheidungen treffen, die sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile bieten«, legt Maximilian Christians dar. »Dieses Konzept ist ein Baustein unserer umfassenden Nachhaltigkeitsstrategie, mit der wir unsere Vorreiterrolle in der Branche weiter ausbauen.«

Ein Zeichen in diese Richtung setzt Lapp mit der Veröffentlichung des Product Carbon Footprint (PCF), der für volle Transparenz über die CO2-Emissionen im gesamten Produktionszyklus sorgt – von der Rohstoffgewinnung über die Produktion bis zur Logistik. Parallel dazu entwickeln Ingenieure des Unternehmens kontinuierlich innovative, nachhaltige Materialien, wie die biobasierte Datenleitung »Etherline bioP Cat.5e« und die biobasierten »EPIC«-Steckverbinder; beide reduzieren den Einsatz fossiler Rohstoffe. »Auf Nachhaltigkeit lenken wir unser besonderes Augenmerk - von der Vorentwicklung am Standort Stuttgart über die Entwicklung und Fertigung bis hin zu unserer Logistik, wo wir mit optimierten Versandwegen und zum Teil rezykliertem Verpackungsmaterial Emissionen einsparen«, resümiert Maximilian Christians. »Und mich persönlich freut es, dass ich mittlerweile mit Zahlen belegen kann, dass die dünnste Leitung nicht immer die beste Wahl ist.«

Als Teil des Vorentwicklungsteams veröffentlichte Maximilian Christians die Ergebnisse seiner Forschungen in einem Whitepaper mit dem Titel »Wie größere Leiterquerschnitte Kosten und CO2-Emissionen senken«.


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