Die Covid-19-Krise hat die Anfälligkeit globaler Lieferketten deutlich gemacht. Doug Thomas von der Darden School of Business vertritt die Ansicht, dass sich die Führungskräfte in der Wirtschaft nicht mehr nur um Kosteneffizienz kümmern müssen.
Covid-19 hat es ans Licht gebracht. Als globaler Stressfaktor hatte diese Pandemie Stillstand und Verzögerungen in der Produktion und im Transportwesen, geschlossene Grenzen, verschärfte geopolitische Spannungen und Arbeitnehmer, die zu Hause festsaßen, zur Folge. Dabei war das Coronavirus nicht der erste Schock für die weltweite Versorgung; ähnlich hart trafen viele Branchen beispielsweise im Jahr 2011 die Auswirkungen eines Erdbebens und Tsunami in Japan. Und es steht zu befürchten, dass die Covid-19-Pandemie nicht die letzte Krise sein wird.
Jahrzehntelang haben die Unternehmen den heiligen Gral der immer größeren Effizienz verfolgt und dabei die Widerstandsfähigkeit und Robustheit geopfert. Führungskräfte haben nach den kosteneffizientesten Wegen gesucht, um den Endmarkt zu bedienen, wobei das Gefälle der Lohnkosten und lokale Spezialisierungen eine fragmentierte globale Wertschöpfungskette geschaffen haben. Dieses bewusste Vorgehen hat sowohl zu den historischen Kosteneinsparungen als auch zu den Schwachstellen geführt, die nun durch Covid-19 aufgedeckt werden.
Ein Beispiel dafür ist der Mangel an Computerchips, auf die Automobilwerke bei der Herstellung von Infotainmentsystemen, Servolenkungen und Bremsen angewiesen sind. Die Chipkrise zwang die Automobilhersteller zu Produktionskürzungen und dürfte die Branche weltweit 110 Mrd. US-Dollar kosten, was die Risiken einer Just-in-time-Produktion deutlich werden lässt.
Und nicht nur das Streben nach Effizienz um jeden Preis birgt Risiken. Die Optimierung der Lieferkette hat die Handelsströme durch wichtige Verkehrsadern wie den Suezkanal zentralisiert, durch den etwa zwölf Prozent des Welthandels fließen. Im März 2021 steckte ein Containerschiff von der Größe eines Wolkenkratzers fast eine Woche lang im Kanal fest, was einen Rückstau von 422 Frachtcontainern und Viehtransportern verursachte. Die Umleitung von Schiffen um Afrika herum führt zu einem erheblichen Zeit- und Kostenaufwand, und es wird deutlich, wie verheerend die Abhängigkeit von einer einzigen Route für den Handel sein kann.
Eine Reaktion auf die Schwachstellen war die Beschaffung bei mehreren internationalen Lieferanten, um das Risiko in der Lieferkette zu mindern. Diese Methode bietet zwar Vorteile, hat aber ihre eigenen Probleme: Eine Diversifizierung könnte für Unternehmen unerschwinglich sein, insbesondere in komplexen Branchen wie der Automobilindustrie. Selbst wenn eine Diversifizierung in Frage kommt, müssen die Unternehmen sicherstellen, dass sie das Risiko tatsächlich einschränkt. Die Beschäftigung von zwei verschiedenen Auftragsfertigern auf zwei verschiedenen Kontinenten kann das Risiko nicht mindern, wenn ein wichtiger Input für den Herstellungsprozess von nur einem Standort kommt.
Ein weiterer Ansatz, um diese Schwachstellen zu überwinden, besteht darin, die Produktion ins Herkunftsland zurückzuverlagern, was von der Politik vorangetrieben wird. Als Reaktion auf die während der Pandemie aufgetretenen Probleme hat die japanische Regierung einen 2-Milliarden-Dollar-Fonds eingerichtet, um Unternehmen dabei zu helfen, ihre Lieferketten zu überprüfen und möglicherweise global aufzustocken oder zu diversifizieren, wurde aber anfänglich kaum in Anspruch genommen.
US-Präsident Joe Biden unterzeichnete eine Durchführungsverordnung, die darauf abzielt, die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten zu stärken und die Abhängigkeit Amerikas von ausländischen Staaten bei kritischen Produkten wie Halbleitern und Medikamenten zu verringern. Die Widerstandsfähigkeit dieser kritischen Lieferketten lässt sich damit zwar erhöhen, es wird aber immer eine gewisse Abhängigkeit von ausländischen Quellen für bestimmte Inputs bestehen.