Mit den beiden Technologien Single Pair Ethernet (SPE) und Ethernet-APL lässt sich Ethernet-basierte Kommunikation umfassend in die Feldebene führen. An den jüngsten Entwicklungen rund um Standardisierung und Markteinführung zeigt sich: Einer großflächigen Einführung steht nichts mehr im Wege.
Eine deutlich vereinfachte Verkabelung ist das Versprechen von SPE: Datenübertragung und Energieversorgung werden in einem einzigen Adernpaar vereint. SPE bietet sich somit für kompakte Geräte, platzsparende Installationen und flexible Netzwerktopologien an. Bisher war die Vielfalt der konkurrierenden Steckgesichter ein großes Hindernis für die breite Markteinführung von SPE. In der Normenreihe IEC 63171 sind verschiedene Varianten beschrieben, die allerdings nicht untereinander kompatibel sind. In der Vergangenheit hemmte diese Fragmentierung die Entwicklung von Infrastruktur- und Endgeräten spürbar.
Doch nun zeigt sich ein entscheidender Fortschritt. »SPE hat in den letzten Monaten wieder Drive bekommen«, erläutert Ralf Moebus, Head of Product Management Industrial Communication bei Lapp. Der Grund: »Die Profinet-Nutzerorganisation (PNO/PI) hat sich gemeinsam mit ihren Mitgliedsunternehmen endlich auf einen einheitlichen Steckverbinder für SPE festgelegt.« Das IEC-63171-7-Steckgesicht, ein robuster M12-Hybridsteckverbinder, der für IP67-Anwendungen entwickelt wurde, bildet die Grundlage dafür. Sein SPE-Datencontainer soll jetzt auch für das IP20-Umfeld verwendet werden. Dieser Standard wird aktuell in die Planungsrichtlinien für Profinet integriert und voraussichtlich noch im Laufe des Jahres 2025 in die IEC-Normung aufgenommen. Zudem haben sich die beiden führenden Single-Pair-Ethernet-Netzwerkorganisationen, SPE System Alliance und SPE Industrial Partner Network, vor Kurzem zur Zusammenarbeit entschlossen: Sie wollen Aktivitäten künftig gemeinsam gestalten, um die Verbreitung von SPE weiter zu beschleunigen. Ihr Ziel ist es, die Kräfte und die gebündelte Fachkompetenz beider Netzwerke noch stärker in den Markt einzubringen, um für eine raschere Verbreitung von SPE zu sorgen. Lapp ist seit 2019 Mitglied im SPE Industrial Partner Network.
Für Komponentenhersteller und Anwender bedeutet die Einigung auf einen gemeinsamen Steckverbinder ein neues Maß an Investitionssicherheit. Entsprechend ist damit zu rechnen, dass nach dem Abschluss der Normung erste Endgeräte und eine umfassende Infrastruktur etabliert werden. SPE steht somit kurz vor einem breiten Marktdurchbruch in der industriellen Automatisierung. Lapp, Anbieter integrierter Verbindungstechnik-Lösungen, fördert diese Entwicklung aktiv: Das Unternehmen ist Mitglied in allen relevanten Normungsgremien und hat bereits ein komplettes SPE-Produktportfolio entwickelt, von Leitungen über Steckverbinder bis hin zu Industrial-Ethernet-Switches. Das gemeinsame Ziel dabei ist es, die Marktdurchdringung von SPE voranzutreiben.
Für die speziellen Anforderungen der Prozessindustrie wurde auf der Grundlage von SPE die Ethernet-APL-Technik (Ethernet Advanced Physical Layer) entwickelt. Ethernet-APL ermöglicht eine Datenübertragung mit bis zu 10 Mbit/s über Strecken von bis zu 1000 m und erweitert die Technologie um intrinsische Sicherheit (gemäß IEC TS 60079-47). Die Energieversorgung der Feldgeräte erfolgt dabei über dieselbe Leitung. In neuen Anlagen, sogenannten Greenfield-Projekten, wird Ethernet-APL schon heute erfolgreich eingeplant. So lassen sich von Anfang an geprüfte und freigegebene Komponenten einsetzen. Die Anschaffungskosten sind zwar etwas höher als bei klassischen Systemen wie 4-20 mA / HART, aber Ethernet-APL bietet deutliche Vorteile: eine schnellere Amortisation durch bessere Fernwartungsmöglichkeiten sowie eine vereinfachte Planung. Die aufwändige Berechnung der Eigensicherheitsparameter entfällt vollständig, dank des Einsatzes von 2-WISE-konformen Feldgeräten und passiven Komponenten.
Im Brownfield dagegen sieht es anders aus: Viele der bestehenden Verkabelungsstrukturen entsprechen nicht den strengen Anforderungen von Ethernet-APL an Kapazität, Induktivität und Schirmung. Die Bestandskabel müssen sorgfältig mit speziellem Messequipment qualifiziert werden. Wenn die Parameter dabei außerhalb der Toleranz liegen, sind reduzierte Übertragungslängen oder sogar eine vollständige Neuverkabelung notwendig.
All diesen Herausforderungen zum Trotz bietet Ethernet-APL eine zukunftsfähige Lösung für die Prozessindustrie, die langfristig eine durchgängige IP-Kommunikation bis in explosionsgefährdete Bereiche ermöglicht. »Das größere Thema für unsere Kunden ist aus unserer Erfahrung aktuell die Aufbereitung bestehender Verkabelung und nicht der Neuaufbau, denn es gibt viele Bestandsgebäude, die nachgerüstet werden«, verdeutlicht Christian Illenseer, Product Manager Industrial Communication und Ethernet-APL-Experte bei Lapp. »Für deren Prüfung bedarf es hochkomplexer Geräte, damit eine erfolgreiche APL-Kommunikation gewährleistet werden kann.«
Bei der Implementierung der neuen Technologien unterstützt Lapp Unternehmen mit einem umfassenden Portfolio:
• Etherline T1: SPE-Leitungen für feste und flexible Anwendungen sowie große Distanzen.
• Etherline T1L: Speziell entwickelte Leitungen für Ethernet-APL, zertifiziert nach internationalen Normen und ausgelegt auf hohe mechanische Belastbarkeit und einfaches Handling (Fast Connect).
Für die Umsetzung von SPE und Ethernet-APL in konkreten Anwendungen bietet Lapp zudem auch Schulungen, Planungsunterstützung und individuelle Beratung an, für bestehende Anlagen ebenso wie für neue - »unter anderem in unserem neuen Lapp Exploration Center am Standort in Stuttgart«, wie Ralf Moebus ausführt. »Hier haben wir die Möglichkeit, Kunden und Anwender an unseren Standort einzuladen und sie beispielsweise einen kompletten Tag lang zu den Themen SPE und Ethernet-APL zu schulen und uns auf fachlicher Ebene auszutauschen.«
Der flächendeckenden Markteinführung von SPE und einer zunehmenden Nutzung von Ethernet-APL in der Prozessindustrie steht dank der Einigung auf ein einheitliches Steckgesicht nichts mehr im Wege. Unternehmen, die jetzt auf die neuen Technologien setzen, schaffen die Basis für skalierbare, effiziente und zukunftssichere Kommunikationsnetzwerke – und sichern sich damit einen Wettbewerbsvorteil in einer zunehmend vernetzten industriellen Welt. Ralf Moebus und sein Team rechnen 2026 mit dem großen Durchbruch, wenn Geräte und Infrastruktur in noch größerer Vielfalt zur Verfügung stehen. »Wir merken, dass sich die Anwender gerade informieren«, fasst Ralf Moebus zusammen. »Maschinenbauer wollen genau wissen, wo und wie SPE eingesetzt wird. Unsere Kunden können die Technologie sofort implementieren.«