Für Thilo Hack, Vorstand von Ansmann, stehen die Potenziale der Natrium-Ionen-Batterie außer Frage, aber mit Serienprodukten, die auch außerhalb der E-Mobility und Stromspeicher einsetzbar sind, rechnet er nicht vor 2028. Dafür hält die KI Einzug in die Entwicklung und Fertigung von Batteriepacks.
Markt&Technik: Herr Hack, in Ihrer Keynote auf der Battery&Power World geht es unter anderem um Batterietechnologie und KI. In welcher Form hat KI Einfluss auf die Entwicklung und den Einsatz von Batterien und Akkus?
Thilo Hack: Bei Ansmann spielen wir das Thema KI aktuell über die Entwicklung und den Fertigungsbereich; im fertigen Akku selbst steckt bei uns noch keine KI, aber auf dem Weg dorthin nutzen wir KI bereits auf vielfältige Weise. Nehmen wir das Beispiel Bauraumanalyse. Hier können wir Datenbank- und KI-gestützt für den Kunden herausfinden, mit welchen Zellen, welcher Batterietechnologie und in welcher Konfiguration wir das Maximum für ihn herausholen können, auch im Hinblick auf die Hochstromfähigkeit seiner Anwendung.
In der Vergangenheit ging es vor allem darum, die Kapazität bestehender Batteriebauformen zu optimieren. Haben sich die Prioritäten der Anwender verändert oder liegt es schlicht daran, dass die Verbesserungsmöglichkeiten im Bereich der 18650-Zellen schlicht ausgereizt sind?
Definitiv ist die 18650 heute nicht mehr im Fokus bei den Zellherstellern! Man ist am Maximum dessen angekommen, was man aus dieser Bauform herausholen kann. Würde man darüber hinausgehen, würde das auf Kosten der Lebensdauer und der Zyklenfestigkeit gehen. Bei den Zellherstellern steht inzwischen die 21700 im Fokus, und in dieses Zellformat fließt nun auch das ganze Entwicklungs-Know-how der Hersteller. Auch in der Produktion sind inzwischen viele Linien auf 21700 umgestellt oder es handelt sich um Hybrid-Linien, auf denen sich sowohl 18650- als auch 21700-Zellen fertigen lassen.
Haben sich die an Ansmann gerichteten Kundenanforderungen in Sachen Batterie- und Akku-Technik in den letzten Jahren wirklich verändert? Wenn ja, in welcher Form?
Bei Applikationen wie E-Bikes gab es schon Zeiten, wo das alles sehr kapazitätsgetrieben war. Inzwischen hat sich das in Richtung chemischer Systeme wie beispielsweise Lithium-Eisenphosphat mit Fokus auf Sicherheit und Lebensdauer verschoben. Diese Veränderung beginnen wir nach und nach auch in anderen Anwendungsbereichen zu beobachten.
Eines der aktuellen heißen Topics ist die Natrium-Ionen-Batterie. Wurden Sie von Kundenseite bereits darauf angesprochen? Mit Blick auf die europäischen Applikationen: Wo rechnen Sie am ehesten mit einem Markterfolg dieser neuen Batterietechnologie?
Ganz ehrlich? Ich gehe aktuell davon aus, dass man wohl bis 2028/30 davon ausgehen kann, dass man da wirklich von Serienproduktion sprechen kann. Aktuell beschäftigen sich verschiedene Hersteller mit dem Thema, aber ein wirkliches Serienprodukt, in großen Stückzahlen, hat noch niemand vorzuweisen. Auch sind die mir bekannten Batterieformate bislang größer und zielen auf E-Mobility- und Stromspeicher-Anwendungen. Unsere Anwendungen liegen dagegen mehr im Medizin- und Meßtechnikbereich sowie im Segment der individuellen Mobilität wie etwa E-Scooter. Da muss man abwarten, welche Zellformate sich für diese neue Batterietechnologie letztlich am Markt etablieren können. Für unsere aktuellen Kundenanwendungen sehe ich darum für die nächsten Jahre keinen Einsatz von Natrium-Ionen-Batterien.
Überraschenderweise zählen zu den ersten in Europa erhältlichen Natrium-Ionen-Zellen Batterien im Format 18650. Halten Sie es für sinnvoll, diese Batterietechnologie in diese Zelle zu packen?
Eigentlich nein. Die Amortisation dieser Zellen kommt aus den eben genannten Bereichen. Wir wissen alle, dass 18650 das Format war, mit dem Tesla begonnen hat, Elektroautos zu bauen. Aber die Entwicklung ist inzwischen zu anderen Batterieformaten fortgeschritten. Ich gehe deshalb davon aus, dass das Auftauchen dieser Zellen letztlich historisch zu begründen ist und dass dies nicht das Format ist, mit dem die großen Hersteller dann an den Markt gehen werden.
In den letzten Jahren hat sich die Wahrnehmung von Abhängigkeitsverhältnissen, auch im Bereich der Basismaterialien, verändert. Hat Risk-Management da heute eine andere Bedeutung als vor zehn Jahren? Wie schätzen Sie die Erfolgsaussichten für eine größere Unabhängigkeit Europas ein?
Risk-Management in Bezug auf Rohstoffe ist sicherlich zu einem großen Thema geworden. Es gibt ja Studien, die ganz klar belegen, dass wir, wenn wir Lithium-Quellen in Europa nutzen, maximal ein Drittel des Bedarfs bedienen könnten. Noch extremer ist es beim Thema Cobalt, hier kommen 70 Prozent des Weltbedarfs aus der Republik Kongo. Die Entwicklungen in Europa zielen deshalb darauf ab, und hier kommt wieder die Natrium-Ionen-Batterie ins Spiel, dass wir unabhängiger werden bezüglich der Suppy-Chain der Rohstoffe. Mit der neuen Batterietechnologie sehe ich das auch mittel- und langfristig als realistisch an.
Momentan sorgen die neue EU-Batterieverordnung und der Batteriepass für Unsicherheit bei den Anwendern. Ist das ein Kommunikationsproblem oder wird der Einsatz von Batterien und Akkus dadurch zukünftig noch stärker von administrativen Vorgaben und gesetzlichen Einschränkungen getroffen?
Wir sollten aus der Vergangenheit lernen, und aus meiner Sicht macht der Batteriepass auf jeden Fall bei größeren Batteriesystemen Sinn. Über den Batteriepass führt der Weg zur Rohstoffkenntnis und -sicherheit. Ich befürworte den Batteriepass, aber ich plädiere dafür, die praxisgerechte Anwendung nicht aus den Augen zu verlieren, weil wir sonst drohen, in einem Dokumentationswirrwarr zu enden.
Naturgemäß sind die Herstellung und der Einsatz von Batterien und Akkus mit gewissen Umweltbelastungen verbunden. »Eco-Friendly« war früher ein Nice-to-Have. Ist es inzwischen zum Must-Have geworden?
Ich hoffe das doch sehr, denn für mich ist das ein wichtiges und heißes Thema! Ganz zu Beginn war Umweltfreundlichkeit dadurch definiert, dass ich wiederaufladbare Batterien eben wieder aufladen und damit deutlich länger nutzen konnte als Primärbatterien. Heute hat sich das gewandelt und wir betrachten eigentlich die Supply-Chain der Rohstoffe: Welche Energie wurde aufgewendet und welcher CO2-Abdruck bereits hinterlassen? Heute geht es um das Thema Nachhaltigkeit: Wie lange trägt mich der Akku in meiner Applikation? Das Thema wird heute umfassend betrachtet, wie wir das etwa bei unserem Batterie-Package Greenpack umgesetzt haben, bei dem wir recyceltes Material verwendet haben, das einen geringeren CO2-Fußabdruck aufweist.
Sie haben sich 2021 für die Gründung einer eigenen Innovationsabteilung entschieden. Was war der Grund dafür? Haben sich Ihre damit verbundenen Erwartungen inzwischen erfüllt?
Wir haben gesehen, dass sich das Rad der Innovation im Bereich der Batterie- und Akku-Technik immer schneller gedreht hat. Unser Anspruch ist es, für unsere Kunden ein Partner zu sein, der auch technologisch immer einen Schritt weiter ist. Wenn unser Kunde über ein Produkt nachdenkt, das in fünf Jahren seinen SOP (Start of Production, Anmerkg. der Red.) hat, dann müssen wir in der Lage sein, ihn mit einer technologischen Expertise zu beraten, die fünf bis zehn Jahre in die Zukunft reicht. Wir müssen aber auch wissen, welche Themen in Zukunft an Bedeutung verlieren, damit wir den Kunden entsprechend beraten können. Zu diesem Zweck haben wir uns auch ein Kompetenznetzwerk aus Universitäten und Forschungseinrichtungen aufgebaut.
Als mittelständischer Spezialist im Batterie- und Akku-Bereich sind Sie politischen Zyklen unterworfen. Wo haben Sie das am deutlichsten wahrgenommen? Sehen Sie Chancen, auf diese Zyklen Einfluss zu nehmen und, wenn ja, wie?
Den härtesten Einschlag haben wir über unsere Innovationsabteilung gerade jetzt gespürt, als die Förderprojekte aufgrund der staatlichen Sparmaßnahmen abrupt gestoppt wurden. Das schwächt die Innovationskraft des ganzen Landes! Ich hoffe, dass wir da das Rad wieder ins Laufen kriegen, das ist für uns als innovativen Mittelstand von existenzieller Bedeutung! Man sollte nicht an den falschen Stellen sparen, denn sonst droht die Gefahr, dass wir uns kaputtsparen!