Bis 1 MW pro Server Rack

Deshalb steigen Rechenzentren auf DC-Versorgung um

15. September 2025, 8:21 Uhr | Heinz Arnold
Zafer Cankurtaran, Rittal: »Neue Rechenzentren werden in Zukunft eine komplette Gleichstrominfrastruktur und -versorgung vom Grid2Chip haben. Dann wird die Leistung eines Racks schon 1 MW betragen – Gleichstrom gehört die Zukunft im Rechenzentrum!«
© Rittal

»Rechenzentren werden zu einer treibenden Kraft für den Umstieg von Wechselspannung zu Gleichspannung auf der Niederspannungsebene«, sagt Zafer Cankurtaran von Rittal. Warum es sich um einen sehr wichtigen und schnell wachsenden Markt handelt, erklärt er im Interview mit Markt&Technik.

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Markt&Technik: Warum ist der Markt für Rechenzentren aus ihrer Sicht derzeit so interessant?

Zafer Cankurtaran, Product Manager Direct Current Technology von Rittal: Der Leistungsbedarf steigt, weil die Anwendung von KI deutlich mehr Rechenleistung erfordert. Derzeit nimmt ein normales Rack 11 kW auf, bei KI Applikationen sind es dann bis zu 140 kW.  Bald sollen es 300 bis 600 kW und ab 2030 vielleicht sogar 1 MW pro Rack sein. Da fallen die Nachteile einer AC-Versorgung im wahrsten Sinne des Wortes immer mehr ins Gewicht. Jeder Umwandlungsschritt von AC auf DC ist mit Verlusten verbunden. Darüber hinaus ist die AC-Technik physikalisch bedingt schon mit höheren Verlusten verbunden. Dazu kommt noch, dass die Spannung in den Computing-Racks relativ niedrig liegt  und somit hohe Ströme erforderlich sind, die zu großen Kupferquerschnitten führen. Es werden also riesige Mengen von Kupfer verbaut. Ein weiterer Punkt ist, dass wenn die Leistungsdichte steigt, müssen entweder mehr Netzteile oder neue, größere Netzteile eingesetzt werden. Wegen der erforderlichen Redundanz kommen dann auch noch mehr Batterien hinzu. Außerdem steigt die Zahl und Größe der erforderlichen weiteren Komponenten, sodass im Rack immer weniger Platz für die eigentliche Rechenleistung bleibt  

Von Gleichstromnetzen jetzt profitieren!

Wie Sie jetzt auf Niederspannungs-Gleichstromnetze umsteigen und so Energie, Ressourcen sowie Geld sparen und Erneuerbare Energien einfacher als bisher integrieren können, erfahren Sie auf der »DC-Konferenz – Gleichstromnetze starten durch« am 23. Oktober 2025 in Ludwigsburg.

Dort wird Zafer Cankurtaran von Rittal eine Keynote mit dem Titel »Enabling AI Applications in Data Centers with DC Power« halten, in der er auf alle Aspekte rund um die Gleichstromversorgung von Rechenzentren tiefer eingeht.

Nach dem erfolgreichen Auftakt im vergangenen Jahr veranstaltet die Markt&Technik diesen Branchenevent in Kooperation mit der Open Direct Current Alliance (ODCA) bereits zum zweiten Mal. Im Mittelpunkt steht in diesem Jahr die rasante Entwicklung und die zunehmende Akzeptanz von Gleichstromnetzen – nicht nur in der Industrie, sondern weit darüber hinaus. Dazu zählen: 

Rechenzentren 
Gebäudeautomation 
Beleuchtung 
Logistiksysteme 
Halbleiterfertigung 
dezentrale Energiesysteme 

Der Bedarf ist offensichtlich, denn zentrale Komponenten moderner Energiesysteme – wie Photovoltaik, Batterien, E-Autos und Ladesäulen – arbeiten bereits mit Gleichstrom.

Auf der »DC-Konferenz – Gleichstromnetze starten durch« präsentieren Experten den Stand der Technik, verfügbare Produkte, neue Entwicklungen sowie Erfahrungsberichte aus der Praxis. 

Außerdem werden Fragen zur Planung, Umsetzung und Regulierung von DC-Netzen diskutiert – etwa zu Schutzeinrichtungen, Leistungselektronik oder zur Integration erneuerbarer Energien. 

Zielgruppe sind Entscheider, Planer und Praktiker, die den Aufbau von Gleichstrominfrastrukturen in der Industrie vorantreiben möchten.

 

Für die Betreiber der Rechenzentren besteht also starker Handlungsbedarf. Gehen sie bereits in Richtung Gleichstrom?

Definitiv! Die Idee besteht darin, die Leistungselektronik ganz aus dem Rack zu verbannen und in einen eigenes Power-Rack zu stecken, der Gleichstrom liefert und die Server-Racks versorgt. Weil die Racks mit einer niedrigen Spannung von 50 VDC arbeiten, müssten dann aber die Kupferleitungen und -Schienen aufgrund des hohen Stromes einen großen Querschnitt haben. Um das zu vermeiden und Leitungsverluste zu reduzieren, wird die Spannung erhöht. Im ersten Schritt wird es eine Gleichspannung von +400 VDC (800 VDC) sein, die diese Schränke, auch Sidecars genannt, an die Server-Racks liefern. Das führt dazu, dass schon einmal sehr viel Kupfer, Wandler und sonstige Komponenten und damit viel wertvoller Platz, Verluste und damit auch Geld gespart werden können. Außerdem erhöhen sich die Zuverlässigkeit und die Rechenzentren werden nachhaltiger. 

Wird das bereits gemacht? 

Ja, es gibt weltweit schon einige Rechenzentren, die von Telekom-Unternehmen mit 400 V Gleichstrom betrieben werden,   beispielsweise beim Unternehmen NTT. Das ist zwar noch keine 800 V Gleichstrom-Infrastruktur, aber dennoch ein wichtier Schritt. Außerdem wurde im letzten Jahr eine mögliche Gleichstrom-Infrastruktur mit Sidecars in der »Diablo 400«-Spezifikation der Open Compute Project Foundation,  hinter der Firmen wie Microsoft, Meta und Google stehen, beschrieben. Das ist wichtig, denn auf Basis von »Diablo400« kann es jetzt zeitnah global standardisiert in die Anwendung gehen. Genau das wollen die Betreiber der Rechenzentren jetzt tun. 

Sind dafür alle erforderlichen Komponenten vorhanden?  

Ja, alle sind inzwischen auf dem Markt zu kaufen, sie müssen nur entsprechend der jeweiligen Projektanforderungen passend eingesetzt werden. Für eine ganzheitliche Gleichstrominfrastruktur ohne Wandlungsstufen fehlen jedoch noch die Server, die mit +400 V Gleichspannung versorgt werden können. Es ist zu erwarten, dass es auch in diesem Bereich in Kürze Lösungen auf dem Markt geben wird.  

Warum halten Sie Rechenzentren-Markt für so vielversprechend für Rittal?

Rechenzentren boomen nach wie vor, Hyperscaler wie Meta, Google und Microsoft investieren viel Geld in den Neubau von Rechenzentren. Marktforscher prognostizieren, dass bis 2030 pro Jahr 10 bis 20 GigaWatt an neuer Rechenleistunggebaut werden. Das ist auch gegenüber anderen Anwendungen für die Gleichstromtechnik, beispielsweise in der Industrieproduktion, sehr viel. Die Betreiber der Rechenzentren wissen sehr genau, was sie durch den Umstieg sparen können. Denn in Rechenzentren wird die elektrische Energie direkt in Rechenleistung umgesetzt, ohne dass weitere Kosten anfallen, wie etwa in der industriellen Produktion . Der Effizienzgewinn und das Kosteneinsparpotenzial  durch den Einsatz von Gleichstrom ist in Rechenzentren sehr hoch, deshalb wollen sie jetzt schnell umsteigen. Rittal hat sich zur Mission gesetzt diesen Umstieg mit seinen Lösungen aus den Bereichen Energy&Power, Racks, Kühllösungen und den zugehörigen Serviceleistungen mitzugestalten. Unsere Produktlösungen greifen Hand in Hand und bedienen die gesamte Rechenzentrumsinfrastruktur aus einer Hand. 

Wie hoch wird denn der Effizienzsteigerung ausfallen?

Eine wichtige Kenngröße für Rechenzentren ist die Power Usage Effectiveness, kurz PUE. Das ist das Verhältnis zwischen Gesamtenergieverbrauch des Rechenzentrums und dem Energieverbrauch der IT-Geräte. In Rechenzentren wird Energie unter anderem durch Kühlung, Beleuchtung und weitere Lasten verbraucht , die nicht in Rechenleistung gewandelt wird. Hier erreichen die heutige Rechenzentren schon sehr gute Werte Neben der Steigerung des PUE liegt eine weitere großeMotivationim reduzierten Ressourcenverbrauch und der Platzeinsparung. Mit Gleichstrom müssen nur noch zwei Leitungen verlegt werden statt vier  wie bei der AC-Versorgung! Das spart allein schon 50 Prozent an Kupfer ein. Zusätzlich fallen viele weitere Komponenten weg, was zusätzlich Kosten spart und die Zuverlässigkeit erhöht. 

Sie hatten gesagt, dass der Einsatz der Sidecars mit +400-V-Gleichspannung nur der erste Schritt sei. Wie sieht der zweite Schritt aus? 

Der Gedanke liegt nahe auch auf die Sidecars zu verzichten und das gesamte Rechenzentrum auf Gleichstromversorgung umzustellen. Das erfordert aber eine andere Infrastruktur, die ausgelegt für eine Spannung von 800 VDC ist. Technisch gesehen ist das zwar umsetzbar, aber braucht eine längere Vorlaufzeit für die Planung und Realisierung. Darüber hinaus bietet sich das eher für Greenfield-Rechenzentren an, da in bestehenden Rechenzentren die Infrastruktur bereits auf AC ausgelegt ist. Deshalb setzen Betreiber jetzt auf die Sidecars, um möglichst schnell von den Vorteilen der Gleichstromtechnik profitieren zu können. Gleichzeitig arbeiten wir innerhalb der Open Direct Current Alliance (ODCA) mit Hochdruck daran, unsere Systeme und Lösungen auch im Bereich von Rechenzentren bekannt zu machen und den Wandel von AC auf DC mitzugestalten.. Jetzt geht es darum die Versorgung mit 800 V DC in die Anwendung zu bekommen!

Wann wird es so weit sein?

Ich rechne damit, dass wir die ersten 800-V-DC-Rechenzentren in zwei bis drei Jahren sehen werden. Ab 2030 werden sie in großem Maßstab gebaut werden. Die Gleichstromversorgung in Rechenzentren ist die Zukunft!


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