Der Umstieg auf Elektrofahrzeuge läuft in Deutschland immer noch schleppend – ein Grund dafür ist der hohe Preis, und hieran trägt wiederum die Batterie einen gewichtigen Anteil.
Wenn schon so teuer, dann sollte sie auch bestmöglich genutzt werden, so die Devise von Chirag Patel, Senior Director für Automotive BMS bei Analog Devices.
Markt&Technik: In Deutschland sind hoher Preis und geringe Reichweite die zwei wichtigsten Punkte, die gegen den Kauf eines Elektrofahrzeugs (EV) sprechen. Die Batterie ist der größte Preistreiber; inwieweit adressiert Analog Devices (ADI) dieses Problem?
Chirag Patel: Stimmt, bis zu 40 Prozent des Verkaufspreises eines EV entfallen auf die Batterie. Dementsprechend sind Leistung, Lebensdauer und Gesamtbetriebskosten der Batterie entscheidend für den Erfolg eines EV. ADI ist führend im BMS-Bereich, und wir arbeiten mit unseren Kunden eng zusammen, um die besten und entscheidenden Prozesse zur Überwachung und für das Management der Batterien zu finden, und das über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg, und damit die Sicherheit, Leistungsfähigkeit und Langlebigkeit der Batterie zu gewährleisten.
Mit unserer Präzisionselektronik können OEMs den Gesundheitszustand (SOH) und den Ladezustand (SOC) der Batterie genau überwachen und so eine größere Reichweite und ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis erzielen. Unsere Ansätze haben aber auch Einfluss auf die Batterietechnologie und das Lifecycle-Management, und das umfasst auch die Entwicklung und Prüfung von Batterien, die Entwicklung und Montage von Batteriepaketen, das Betriebsmanagement von Elektrofahrzeugen und das zweite Leben von Batterien.
Darüber hinaus zeichnen sich unsere kabellosen Batteriemanagementsysteme, kurz: wBMS, durch eine zuverlässige Überwachung der Batteriezellen und Stromregelung aus, und das ganz ohne das Gewicht von Leitungen. Mit unserem wBMS kann bis zu 90 Prozent der Verkabelung für die Kommunikation wegfallen, das spart Gewicht und Materialkosten für die OEMs. Ein wBMS bringt aber noch einen weiteren Vorteil: Die OEMs können die Herstellungskosten durch eine robotergestützte Fertigung senken, was zur Skalierung der EV-Produktion beiträgt und die Effizienz der Produktionslinie, die Zuverlässigkeit und den Zusammenbau der Batteriepacks verbessert.
Außerdem können wir mit unserer BMS-Plattform tiefe Einblicke in den Lebenszyklus von Batterien gewinnen, die wiederum dazu genutzt werden können, ein Informations-Ökosystem rund um die EV-Batteriedaten zu schaffen. Diese Einblicke sind entscheidend für die Entwicklung neuer Systeme und Dienste, die über OTA-Software-Updates bereitgestellt werden können, z. B. zur Verbesserung der Reichweite und der Ladezeiten von Elektrofahrzeugen. Dies hat auch das Potenzial, die Gesamtbetriebskosten von E-Fahrzeugen zu verbessern.
Wo sehen Sie derzeit Potenziale, mit denen das Batterieproblem zumindest entschärft werden kann?
Ein Punkt sind Hochspannungsbatterien, die sich momentan ständig weiterentwickeln. Auch hier gilt: Die Qualität des BMS wirkt sich direkt auf die Kilometer pro Ladung aus, die ein Elektroauto erreichen kann. Je höher die Genauigkeit des BMS, desto besser kann man den Zustand der Batteriezelle verstehen. Je mehr Kapazität man aus ihr herausholen kann, desto zuverlässiger arbeitet das Akkupaket. Kurzum: Die Verbesserung der Genauigkeit dieser Systeme ist entscheidend für die Erhöhung der Reichweite von Elektrofahrzeugen. Hier können beispielsweise auch Verbesserungen in der Halbleitertechnologie ihren Beitrag leisten.
Dazu kommen neue Bauelemente mit großer Bandlücke wie z. B. MOSFET-Leistungsschalter aus SiC, die effizientere Designs und schnellere Schaltfunktionen ermöglichen, um leichtere E-Fahrzeuge zu liefern – was letztlich natürlich auch dazu beiträgt, die Lücke zwischen den Erwartungen der Verbraucher an die Reichweite von E-Fahrzeugen und den Möglichkeiten der OEMs, diese zu wettbewerbsfähigen Kostenstrukturen zu erfüllen, zu verkleinern. Diese Halbleitertechnologie ist ein wichtiger Bestandteil der nächsten Generation von Antriebsumrichtern in Elektrofahrzeugen. Wenn sie zusammen mit den unterstützenden Komponenten richtig genutzt werden, könnte ihr Gewinn an Energieeffizienz einen großen Schritt nach vorne bedeuten und damit das Vertrauen der Verbraucher in die Reichweite von Elektrofahrzeugen stärken und die Akzeptanz von Elektrofahrzeugen fördern.
Grundsätzlich muss natürlich auch alles gegen Überladen und zu starkes Entladen getan werden, denn beides kann eine Zelle beschädigen oder vorzeitig altern lassen, was wiederum zu einer Verringerung der Kapazität oder Lebensdauer und schließlich zum Ausfall der Zelle führen kann. Die Hauptfunktion des BMS besteht darin, den SOC und den SOH für jede Zelle in der langen Reihe, aus der ein Pack besteht, zu bestimmen und zu kontrollieren. Dementsprechend ist die BMS-Elektronik Dreh- und Angelpunkt für die Maximierung der Betriebsreichweite, Lebensdauer, Zuverlässigkeit und Sicherheit des Batteriesystems eines Elektrofahrzeugs. Und das hohe Maß an Genauigkeit, das die ADI-BMS-Zellenmonitore und Pack-Monitore bieten, ermöglicht eine höhere Auslastung der gesamten Batterie, da die Batterie bis nahe an ihre maximalen Grenzen geladen werden kann. Und wie gesagt: Die von der BMS-Plattform generierten Einblicke in den Lebenszyklus sind darüber hinaus entscheidend, um Verbesserungen und Upgrades der sicheren Schnellladefähigkeiten für das EV-Batteriepaket zu ermöglichen.
Ein wichtiges Element, das dem Ökosystem noch fehlt, ist die Verfügbarkeit von Erkenntnissen über den Lebenszyklus von Batterien. Diese Erkenntnisse könnten aber genutzt werden, den Fahrzeug-/Flottenbesitzern einen konstanten Mehrwert zu bieten, z. B. die Verbesserung der Reichweite durch Software-Updates für die BMS-Plattform über das Internet.
Es wird viel über Software-definierte Fahrzeuge gesprochen. Auch beim BMS?
Ja. Wir bieten für unser BMS neben der Hardware auch Treiber und Netzwerksoftware an. Dies ermöglicht es dem Kunden, OTA-Updates für Firmware-Updates sowie zusätzliche Softwarefunktionen zu nutzen, wodurch die Wahrscheinlichkeit eines Rückrufs minimiert wird, da die Software von ADI über OTA aktualisiert werden kann.
Darüber hinaus arbeiten wir mit Kunden zusammen, um spezifische Algorithmen für den SOH, den Ladezustand und den Leistungszustand zu entwickeln. Selbst die frühzeitige Erkennung von Anomalien kann aus Sicht der Software genutzt werden, um die Lebensdauer der Batterie zu maximieren. Wir integrieren einen Teil dieser Software in die Hardware, um die Batteriefunktionalität zu verbessern und ein schnelleres Aufladen der Batterie zu ermöglichen, was letztendlich die Erfahrung des Endverbrauchers und die Gesamtkosten für den Besitz eines Elektrofahrzeugs verbessert. Die Software wird auch in der Fertigung eingesetzt, um den Design- und Montageprozess zu steuern, unabhängig davon, ob es sich um einen Cell-to-Pack- oder einen Plattformansatz handelt.
Als ADI sein wBMS auf den Markt gebracht hat, war die Skepsis groß, doch die Tatsache, dass mittlerweile auch andere Anbieter ähnliche Systeme im Produktportfolio haben, spricht dafür, dass die Skepsis gewichen ist.
Wenn überhaupt, sehen wir nur Wachstumspotenzial für wBMS. Wir sind in diesem Bereich bereits führend, und mittlerweile fertigen wir die 8. Generation. Mit dieser Weiterentwicklung der Batteriemanagementtechnologie geht es nicht mehr nur darum, die Spannung an der Zelle und den Strom in der Zelle zu messen. Unsere Technologie der neuesten Generation ermöglicht es, Signale in die Batteriezelle zu senden und Informationen darüber zu gewinnen, was in der Zelle vor sich geht. Dies ist die nächste Stufe in der Entwicklung von BMS. So können OEMs Informationen über die Chemie im Inneren der Zelle erhalten und viel fortschrittlichere Informationen über den Ladezustand und die Gesundheit erhalten.
Übrigens: Wir haben auch ein bedeutendes BMS-Geschäft, das aus dem Stromnetz kommt; etwa 15 Prozent unseres Umsatzes mit Batteriemanagement entfallen auf Energiespeicher- und Stromnetzanwendungen.
Und dass es mittlerweile auch andere Anbieter gibt, kann ich nur dahingehend kommentieren: Es gibt immer jemanden, der versucht, etwas Ähnliches in Bezug auf die Komponenten zu einem niedrigeren Preis zu verkaufen. Wir versuchen im Gegensatz dazu, Technologien zu optimieren und vertikal integrierte Lösungen auf Systemebene mit Hardware und Software zu entwickeln.
Können Sie die Weiterentwicklungen etwas konkretisieren?
Wir arbeiten mit OEMs, Tier-Ones, Batterieherstellern, Energieversorgungsunternehmen und anderen Interessengruppen zusammen, um ein Informations-Ökosystem aus EV-Batteriedaten aufzubauen, das es bisher, wie bereits gesagt, noch nicht gibt. Ein Informations-Ökosystem rund um die Batteriedaten ermöglicht es der Wertschöpfungskette, Erkenntnisse in Echtzeit zu nutzen, um innovative Lösungen zu entwickeln, die zu besseren Ergebnissen für die Besitzer von Elektrofahrzeugen führen werden.
Aufbauend auf unseren hochpräzisen Zellüberwachungs-Sensorikfähigkeiten liefert unser Ansatz Echtzeit-Einblicke in die Batteriedaten, indem sie sichere Intelligenz im Edge, eingebettete Software und drahtlose Kommunikationsverbindungen nutzt, die für die Entwicklung neuer Systeme und Dienstleistungen für den gesamten Lebenszyklus der Batterie entscheidend sind. Diese Funktionen bieten den Besitzern von Elektrofahrzeugen die Möglichkeit, von einer wertorientierten Preisstruktur zu profitieren, und den Herstellern und Zulieferern die Möglichkeit, ihre variablen Kosten zu senken und gleichzeitig eine schnellere Entwicklung und effizientere Produktionslinien zu erreichen.
Die BMS-Plattform ist auch von entscheidender Bedeutung für die Konvergenz des elektrischen Verkehrs mit dem Energienetz. Elektrofahrzeuge haben das Potenzial, zu einer bedeutenden bidirektionalen Energiequelle zu werden, aber sie stellen eine zeitlich und räumlich einzigartig dynamische Stromlast dar. Energiespeicherung und -umwandlung in Kombination mit Energiemanagement werden EVs zu einem wichtigen und wertvollen Werkzeug zur Netzstabilisierung machen.
Intelligente Batteriesoftware, die mit unseren BMS-Lösungen für Elektrofahrzeuge und Energiespeichersysteme (ESS) bereitgestellt wird, kann dazu beitragen, den Energiefluss im Energienetz zu koordinieren, um Angebot und Nachfrage effizienter und nahtloser zu steuern. Damit können dynamische Ladetarife genutzt werden, um Ladepläne zu optimieren und bessere Stromtarife zu sichern.