Vor einigen Jahren hatte Better Place versucht, mit Wechselstationen und Austauschbatterien der Elektromobilität Flügel zu verleihen – 2013 meldete das Unternehmen Insolvenz an. Der chinesische Automobilbauer Nio hat die Idee wiederbelebt. Hat dieser Ansatz heute mehr Aussicht auf Erfolg?
Im Dezember letzten Jahres hatte Nio veröffentlicht, dass das Unternehmen seinen zukünftigen Fahrern in Deutschland mit seinen »Power Swap Stations« (PSS) den vollautomatischen Austausch der Batterie in rund fünf Minuten anbietet – neben den üblichen Lademöglichkeiten und dem »BaaS« (Battery as a Service), bei dem der Fahrer einen Preisnachlass auf das Fahrzeug bekommt und dafür einen Vertrag über ein Batterie-Abo (je nach Bedarf mit unterschiedlich hohen Kapazitäten) abschließt. In Hinblick auf die PSS fügt Nio noch hinzu, dass damit auch die Möglichkeit besteht, später mal auf eine größere Batterie zu wechseln, es besteht also eine Upgrade-Möglichkeit. Außerdem müsse sich der Fahrer »keine Gedanken mehr um die Lebensdauer der Batterie machen«, denn »bei jedem Tausch werden der Zustand der Batterie und des elektrischen Systems sorgfältig geprüft, um sicherzustellen, dass sowohl das Auto als auch die Batterie in optimalem Zustand sind.«
Nio hat bereits zwei PSS in Deutschland installiert: eine an der A8 in Zusmarshausen bei Augsburg (Bayern) und eine in Hilden (Nordrhein-Westfalen) an der A3; dazu soll bald noch eine PSS in Berlin kommen. Zunächst werden alle drei PSS im Testbetrieb laufen; bis voraussichtlich Ende März 2023 wird der Battery-Swap-Service in Deutschland für User kostenlos sein.
Die Zeiten haben sich geändert, aber die Skepsis bleibt
Ob Nio mehr Erfolg hat als Better Place, wird sich zeigen, manche veränderten Bedingungen sprechen allerdings dafür. So weist beispielsweise Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Center Automotive Research in Duisburg, in einem Artikel der »Zeitschrift für Wirtschaftspolitik« vom ZBW (Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft) auf einen entscheidenden Unterschied zwischen heute und damals hin: Die Akzeptanz der Elektromobilität ist deutlich gestiegen. Laut Statista wurden im Verlauf des letzten Jahres rund 470.559 PKWs mit reinem Elektroantrieb neu zugelassen, mehr als jemals zuvor. Als Better Place Insolvenz anmelden musste, waren es laut Dudenhöffer lediglich 8522 vollelektrische PKWs, der Marktanteil lag bei gerade mal 0,3 Prozent.
Stefan Singer, Fellow & Senior Director für CAS Automotive EMEA bei NXP Semiconductors, spricht eine weitere wichtige Änderung im Vergleich zu Better Place an: Nio hat seine Fahrzeuge darauf ausgelegt hat, dass die Batterie schnell gewechselt werden kann. Das heißt für ihn aber nicht, dass das Konzept jetzt zwingend funktionieren wird. Denn für ihn stellt sich die ganz einfache Frage, ob ein einzelner OEM den Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur überhaupt stemmen kann oder ob das nur funktioniert, wenn es einen standardisierten Batterie-Formfaktor gäbe, sodass mehrere OEMs an einer entsprechenden Infrastruktur interessiert wären und sich am Aufbau beteiligen würden. Singer lapidar: »Ich fahre heute ja auch an eine Tankstelle und nicht an eine BMW-Tankstelle.«
Aber auch von anderer Seite ist Skepsis zu vernehmen. So stellt Raphael Hrobarsch, European Regional & Automotive Sales Manager bei Diodes, beispielsweise die Frage, inwieweit es überhaupt sinnvoll ist, so eine Infrastruktur aufzubauen, wenn das Laden in Zukunft nur 10 bis 15 Minuten dauert. Und Uwe Bröckelmann, Senior Director of Technology bei Analog Devices, wiederum hält die Skalierbarkeit des Ansatzes für nicht gegeben. Denn langfristig müssten enorm große Lagerbestände an Batterien vorgehalten werden, »denn die Batterien sollen ja langsam geladen werden«, so Bröckelmann weiter. Steigt also der Anteil an E-Fahrzeugen weiter, sind schon sehr hohe Investitionen nur für die Batterien notwendig, von den eigentlichen Wechselstationen ganz abgesehen. »Ich denke, das ist eine Nischenlösung für den Anfang und um die Reichweitenangst zu mindern«, erklärt er weiter.
Wobei Philippe Prats, Head of Automotive Marketing & Application EMEA bei STMicroelectronics, auch Nischenansätze für durchaus sinnvoll hält. Denn der Druck auf den Aufbau der Infrastruktur sei so groß, dass man auch solche Konzepte durchaus in Betracht ziehen muss. So kann er sich zum Beispiel vorstellen, dass dieses Konzept für Flotten durchaus funktioniert. »Das Konzept ist für den Normalverbraucher vielleicht nicht das Beste, aber es eignet sich auf alle Fälle für Unternehmen, die Flotten betreiben, aber nicht die Infrastruktur aufbauen wollen, sondern mit weniger Kosten eine Lademöglichkeit anbieten können. Ein Beispiel sind Taxifahrer, hier zählt die Zeit, die für das Laden der Batterie notwendig ist, und dieses Problem ließe sich mit einem Batterietausch einfach lösen.«
Er verweist aber noch auf ein weiteres Phänomen, das für den Erfolg des Nio-Konzepts spricht: Diverse Startups in den USA gehen genau denselben Weg. Prats weiter: »So hat Ample beispielsweise 2021 den Batterietausch-Service für Uber-Fahrer in San Francisco gestartet.« Und hier stimmt auch Bröckelmann zu. Er weiß aus eigener Erfahrung, dass Taxifahrer mit Elektrofahrzeugen oft darüber schimpfen, dass sie dreimal am Tag zum Laden fahren müssen; der Batterietausch könnte hier Entlastung bringen. Bröckelmann betont aber noch einmal: »Dieses Konzept eignet sich nicht für die Massenmobilisierung.«