Wie lange es noch bis zur »grünen Batterie« dauert, da will sich Professor Dr. Karl-Heinz Pettinger, Professor für Elektrische Energiespeicher an der Hochschule Landshut, nicht festlegen, eine zentrale Rolle spielt für ihn dabei aber auf jeden Fall die Lithium-Eisenphosphat-Technologie.
Bis in die 1980/90er-Jahre hinein spielten deutsche und europäische Batteriehersteller auf dem Weltmarkt durchaus eine Rolle. Warum hat sich das in den letzten drei Jahrzehnten verändert?
Prof. Karl-Heinz Pettinger: Bezogen auf Deutschland könnte man sagen, dass Elektrochemiker in dieser Zeit so etwas wie eine aussterbende, bedrohte Art waren. Wenn man es drastisch ausdrücken will, könnte man auch sagen, dass die Batterietechnik in Deutschland lange Zeit zurückgestellt wurde. Batterien waren etwas, was man zukauft, ein Verbrauchsgut.
Sie beziehen sich jetzt vor allem auf klassische Zink-Kohle-Batterien. Mit der Einführung der Lithiumzellen dürfte sich das etwas verändert haben.
Jede neue Batterietechnologie ermöglicht neue Anwendungen. Die Performance einer Zink-Kohle-Batterie war übersichtlich. Brauchte ein Consumer-Produkt etwa alle drei Tage eine neue Batterie, so waren das im Jahr gut 100 Batterien. Mit Lithium-Batterien hat sich das auf weniger als eine Handvoll Batterien im Jahr reduziert, wenn nicht sogar eine einzige ausreichte. Lithium-Batterien ermöglichten ein höheres Spannungsniveau und größere Energiedichte.
War es nur die fehlende Anwenderindustrie in Form der Konsumgüter- oder Mobilfunk-Branche, die dazu beitrug, dass Batteriehersteller fast vollständig aus Europa verschwanden?
Man könnte es so ausdrücken: Die europäischen Hersteller sahen die Asiaten auf der Überholspur. Fabriken in Japan, Korea und Taiwan waren in der Lage, massenhaft Zellen sehr hoher Qualität zu produzieren. Man hat in Europa hervorragende Kleinserien etwa für den Militär- oder Medizinmarkt produziert, aber der Herausforderung des Lithium-Massenmarktes sah man sich angesichts der Preisvorstellungen der Einkäufer nicht gewachsen. Man könnte sagen, die Fähigkeit, Batterien und Akkus herzustellen, ist in den 1980/90er-Jahren nach Asien abgewandert.
Inzwischen stecken Unternehmen, Investoren und die EU Milliarden in den Bau neuer Batterie-Fabs in Europa. Wie lange wird es nach Ihrer Einschätzung noch dauern, bis der entstehende Batteriebedarf der E-Mobility in Europa bedient werden kann?
Betrachtet man die aktuelle VDE-Landkarte der Batterie-Fabs in Europa, dann sind etwa ein Drittel der dort verzeichneten Fabriken bereits aktiv, zwei Drittel befinden sich dagegen noch im Bau oder der Prozessstabilisierung. Nehmen Sie das Beispiel CATL bei Erfurt. Sie sind bisher noch nicht am Markt. Die Inbetriebnahme der Fabrik bei Erfurt verzögert sich. Und das wird nicht der einzige Fall sein. Es dauert einfach, bis eine Fertigungsanlage für Batterien oder Akkus mit geringem Ausschuss läuft. Das Kunststück besteht dann darin, sie in diesem Zustand zu halten.
Wie kostenintensiv ist die Entwicklung und die Produktion von Batterie- und Akkutechnik? Ist der Investitionsgesichtspunkt der entscheidende, wenn es darum geht, wie lukrativ der Einstieg in das Batteriegeschäft für Branchenneulinge ist?
Vor allen Dingen muss erst einmal akzeptiert werden, dass Speicher-Elektrochemie sich mit langsamen Phänomenen beschäftigt. Man kann Prozesse maximal parallelisieren, aber Sie können sie nicht in ihrem Ablauf beschleunigen. Sie müssen sich vorstellen, es handelt sich um 15 bis 18 aufeinanderfolgende Produktionsschritte, und jeder davon soll mit 100 Prozent Ausbeute funktionieren. Qualitätsstabilisierung lautet das Zauberwort! Auch der Test der Produkte, die Sie auf dieser Linie produzieren, braucht Zeit. Ich würde sagen, es dauert rund ein Jahr, bis eine Fabrik nach Ihrer Fertigstellung zuverlässig Batterien oder Akkus produziert.
Werfen wir noch einmal einen Blick auf die Lithium-Ionen-Technik. Wann wurde diese Elektrochemie zur beherrschenden Technologie?
Dies war etwa ab 1995. Das hatte zum einen eine Marktkomponente, zum anderen war es aber auch applikationsgetrieben. Als Berufseinsteiger betreute ich portable Gaswarngeräte, wie sie in Gruben, Klär- und Chemie-Anlagen zum Einsatz kommen. So ist beispielsweise der Gas-Metering-Markt und auch Anwendungen, die nicht explosionsgefährdet waren, sehr schnell auf die neue Batterietechnologie umgestiegen.
Der wohl noch wesentlich größere Hebel aber war die Tatsache, dass sich die Lithium-Ionen-Batterie mit ihren 3,6 V Spannung hervorragend für die neue 3-V-Halbleitertechnik geeignet hat. Da musste nicht viel rumgetrickst werden, das hat einfach gepasst!