Es wird wohl noch ein Jahrzehnt dauern, bis in Europa im großen Maßstab EV-Batterien ins Recycling gehen. Für Sebastian Oster, Senior Consultant E-Mobility bei P3 Automotive, genügend Zeit, bis dahin europaweit sechs oder sieben Recycling-Fabriken zu errichten, um Europa unabhängiger zu machen.
Markt&Technik: Der Bedarf an Lithium, Nickel und Kobalt, um nur die wichtigsten Rohmaterialien zu nennen, wird für die geplante EV-Batterie-Produktion in Europa enorm sein. Sie müssen großteils importiert werden. Wie hoch ist Europas Abhängigkeitsgrad?
Sebastian Oster: Er ist sehr hoch. Betrachtet man die Sache optimistisch, dann wäre Europa wohl in der Lage, dank entsprechender Minen in Finnland seinen Nickelbedarf für EV-Batterien etwa zu einem Fünftel selbst zu decken. Für Kobalt hingegen gibt es in Europa keine nennenswerten Mining-Kapazitäten. Beim Thema Lithium gäbe es etwa in Deutschland Möglichkeiten im Oberrheingraben, aber auch im Erzgebirge, vor allem aber in Serbien und in Finnland. Auch hier gilt: Wenn man es sehr optimistisch betrachtet, könnte Europa wahrscheinlich ein Siebtel bis ein Sechstel seines Lithium-Bedarfs aus eigenen Vorkommen decken, mit entsprechend hohen Aufwendungen zur Erschließung dieser Vorkommen. Es liegt darum auch an der EU, die notwendigen Verfahren zu vereinfachen, um entsprechende Vorkommen auch zeitnah nutzen zu können.
Können Sie einen Eindruck davon geben, um wie viel sich der Bedarf an Basismaterialien wie Lithium in Europa, sagen wir: bis 2030, vervielfachen wird?
Nur für den Batteriebereich würde ich bei Nickel einen Faktor von 6 bis 7 ansetzen. Im Fall von Lithium bewegen wir uns ebenfalls bei einem Faktor zwischen 6 und 7. Bei Kobalt würde ich aktuell von einer Vervielfachung um den Faktor 3 bis 4 ausgehen.
Normalerweise sinken mit steigendem Bedarf und Produktion die Preise. Das scheint hier nicht der Fall zu sein.
Das Problem hier lässt sich mit Disconnect beschreiben. Wenn in Europa Fabriken für EV-Batterien errichtet werden, dann lässt sich das in einem Zeitraum von zwei bis drei Jahren realisieren. Die Erhöhung der Förderung in bereits erschlossenen Minen ist in gewissem Maße möglich. Wenn wir über neue Minen sprechen, deren lokale Geologie noch nicht erschlossen ist, dann würde ich dafür einen Zeitraum von sieben bis zehn Jahren ansetzen. Momentan werden also die niedrig hängenden Früchte geerntet.
Steigt der Bedarf, heißt das also nicht unbedingt, dass die Produktion dafür im gleichen Maße steigen könnte. Insbesondere für Lithium ist das der Fall, da der Bedarf unfassbar konsolidiert ist, und schon jetzt weit mehr als 50 Prozent der globalen Förderung für Batterien verwendet wird. Es gibt andere Nutzen für das Metall im Bereich der pharmazeutischen Industrie und der Schmiermittelbranche, aber im Vergleich war das lange Zeit für Europa wirtschaftlich wenig relevant; das ändert sich nun Schritt für Schritt.
Wie sieht es im Fall von Nickel aus?
Nickel hingegen ist ein Industriemetall mit zahlreichen erschlossenen Minen, einem entwickelten Markt, und es ist trotz signifikantem Bedarf eher eine Frage der Rohstoffqualität und damit verbunden benötigter Prozessierung. Außerdem gibt es mit LFP-Kathoden verfügbare, kommerzialisierte Substitute für die Batterie. Um es noch einmal klar zu sagen: Lithium ist keine Commodity, da es keinen Standard für die Materialqualität gibt und es technisch qualifiziert werden muss, um seinen Weg in die Batterie zu finden. Daher ist es eher üblich, langfristige Verträge abzuschließen.
Rechnen Sie damit, dass Themen wie eine bestimmte Recycling-Quote in Europa gesetzlich geregelt werden könnten?
Der Staat hat hierzu in der Vergangenheit bereits ein Gesetz erlassen, das war 2006 das Batteriegesetz, das erst vor Kurzem novelliert wurde. Es sieht beispielsweise vor, dass bis 2030 ein Recyclinggrad von 16 Prozent bei Kobalt erreicht werden soll. Wenn Sie einwenden, das sei zu niedrig, wird man damit argumentieren, dass man es hier noch mit einer dynamisch wachsenden Industrie zu tun hat und die Quoten entsprechend der Entwicklung noch weiter angepasst werden müssen.
Es gibt verschiedene Methoden, Rohmaterialien aus Batterien zu recyclen. Welche wäre nach Ihrer Einschätzung die effektivste? Welche wäre die kostengünstigste?
Es gibt unterschiedliche Wege, die sich durch die gewählten Verfahren und Kosten unterscheiden. Im Wesentlichen unterscheiden Sie zwischen der Vorbehandlung und der Hydrometallurgie. Die meisten, nicht asiatischen Recycler kommen aus dem »Non-ferrous Metal Recycling« wie etwa Umicore oder Nickelhütte Aue. Dieser Prozess ist etabliert und basiert auf einem reduktiven Schmelzen innerhalb der Vorbehandlung. Dieser Prozess kann hauptsächlich verwendet werden, um Nickel und Cobalt zu recyclen; bei Lithium gibt es gewisse Probleme mit dem Recycling. Aufgrund des geringen Redox-Potenzials landet es in der Schlacke-Phase und muss aufwendig zurückgewonnen werden. Daher wird mehr und mehr mechanisch recycelt.