Den Absatzmarkt Europa dürften weiterhin vor allem Industrie- und Automotive-Applikationen bestimmen. Welche Herausforderungen sehen Sie in Abgrenzung zu den von Consumer- und Mobile-Anwendungen getriebenen asiatischen Märkten?
Ich glaube nicht an das Ende der Globalisierung, schon gar nicht im Rahmen dieses Jahrzehnts! Eine verstärkte Regionalisierung, ja, das kann ich mir durchaus vorstellen, aber eine weltumspannende Neuorganisation der Material- und Warenströme lässt sich nicht innerhalb weniger Jahre umsetzen. Das Rad wirklich zurückzudrehen halte ich deshalb für unmöglich und auch nicht für wünschenswert. Dass in Europa in den nächsten Jahren neue Produktionsstätten entstehen, weil sich hier auch neue Absatzmöglichkeiten erschließen, möchte ich aber nicht ausschließen.
Große asiatische Kondensatorhersteller fahren seit Ende des letzten Jahrzehnts eine dedizierte Downsizing-Strategie. Wird sich Europa mit seinen Industrie- und Automotive-Applikationen diesem Trend anschließen müssen?
Daran führt kein Weg vorbei. Allerdings ist das Thema Miniaturisierung schon seit meinem Eintritt in das Vorgängerunternehmen von TDK Electronics immer präsent gewesen. Fortschritte in der Materialentwicklung haben diese Entwicklung in den letzten Jahren noch zusätzlich befeuert. Denken Sie an Produkte wie Polymerhybrid-Kondensatoren. Sie zeichnen sich durch hohe Stromtragfähigkeit aus und erlauben gegenüber klassischen Kondensatorlösungen eine Reduzierung des Flächenbedarfs bis zu 40 Prozent. Und auch im Bereich Automotive ist der zur Verfügung stehende Bauraum heute das absolut bestimmende Element; dazu kommt dann noch das Gewichtsthema.
Ein klares Ziel der Ampelkoalition ist eine zukunftsgewandte Verbindung von Ökonomie und Ökologie. Welchen Beitrag können Sie als Spezialist für passive Bauelemente zur angestrebten Energie- und Mobilitätswende leisten?
Das ist in meinen Augen eine Chance, wie sie in einem oder zwei Jahrzehnten nur einmal kommt. Ein ehemaliger TDK-Präsident hat das auf einen, finde ich, sehr passenden Nenner gebracht: Abwärmeverluste sind unser Rohöl, sind unser Schmiermittel! Es geht primär darum, im ersten Schritt alle existierenden Lösungen effizienter zu machen. Jede auf diese Weise eingesparte Energie muss gar nicht erst gewonnen und transportiert werden. Ob der Energieträger dann letztlich Erdgas oder grüner Wasserstoff ist, spielt für uns als Spezialisten für passive Bauelemente keine Rolle.
Mit der Mobilitätswende hin zum Elektrofahrzeug steigt der Wertanteil der Halbleiter im Auto deutlich. Gilt Ähnliches auch für die passiven Bauelemente?
Absolut! Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass der Bedarf um den Faktor 4 steigt, wenn wir über vollelektrische Fahrzeuge sprechen. In einem solchen Fahrzeug geht es darum, in den verschiedenen Segmenten unterschiedliche Spannungen zu handhaben. Dazu kommen noch Aspekte wie Thermal Management und das Batteriemanagement. Darüber hinaus steigt der Bedarf im Komfortbereich der Fahrzeuge kontinuierlich. Lassen Sie es mich so sagen: Mit dem Übergang zu vollelektrischen Fahrzeugen geht der Bedarf an passiven Bauelementen stetig nach oben.
TDK Electronics setzte im Vorfeld der Mobilitätswende stark auf großformatige Folienkondensatoren. Haben diese Produkte die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt?
Der Markt im Antriebsstrang ist inzwischen da, wir hatten nur nicht damit gerechnet, dass sich die Zeit bis zur Mobilitätswende so lange hinziehen würde. Inzwischen haben wir uns nicht nur mit kompakten Folienkondensatoren sehr gut positioniert.
TDK Electronics verfügt bereits seit einigen Jahren über ein umfangreiches Sensorik-Programm. Gibt es hier Bereiche, die Sie in Zukunft stärker ausbauen wollen? Werden Sie sich beispielsweise stärker im MEMS-Segment engagieren?
Wenn Sie das Thema MEMS unter dem Dach von Gesamt-TDK betrachten, dann bewegt sich dieses Produktsegment inzwischen auf ein mittleres dreistelliges Millionen-Dollar-Umsatzvolumen zu. TDK ist vor allem stark im Bereich MEMS-Inertialsensoren. Bei TDK Electronics konzentrieren wir uns mit einer eigenen Design Group auf den Ausbau des TDK-MEMS-Mikrophone-Geschäfts. Das Ziel ist dort letztlich in diesem Geschäftsjahr eine Verdoppelung des Umsatzes..
Hat es ein internationaler Player wie TDK Electronics eigentlich leichter, qualifizierte Mitarbeiter für sich zu gewinnen? Könnte das in Zukunft angesichts einer sich abzeichnenden Deglobalisierung schwieriger werden?
Natürlich sind wir kein Halbleiter- oder IT-Unternehmen; damit wirken wir auf den einen oder anderen vielleicht weniger sexy, aber wir können qualifizierten Mitarbeitern umfassende Karriereperspektiven bieten. Und ja, unsere internationale Aufstellung hilft da etwas, um High Potentials zu gewinnen. Ich möchte aber auch sagen, dass außerhalb Deutschlands Diskussionen über Technik faktenbasierter ablaufen. Technik wird dort nicht in erster Linie als Gefahr oder Bedrohung gesehen. Deutschland wird aber in Zukunft nicht nur vom Webdesign oder Dienstleistungen leben können. Unser Asset ist Technologiekompetenz, und die müssen wir auch wieder öffentlich verstärkt zum Tragen bringen. Nur dann, davon bin ich überzeugt, werden wir uns in Zukunft als Gesellschaft und als Individuen erfolgreich weiterentwickeln können.