Halbleiterhersteller/Tier-Ones/OEMs

Entwicklungszeit verkürzen?

28. März 2017, 9:48 Uhr | Iris Stroh
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Entwicklungen brauchen ihre Zeit

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Jürgen Weyer, NXP Semiconductors: »Der Automotive-Markt wird vielschichtiger, aber das heißt nicht, dass weniger Autos gebaut werden und es heißt vor allem auch nicht, dass weniger Elektronik benötigt wird. Denn selbst wenn der Automotive-Markt nur mit kleinen Wachstumsraten zulegt, geht der Elektronikanteil mit viel höheren Wachstumsraten nach oben.«
© Markt & Technik

»Wir können nicht alle Entwicklungen beschleunigen, also müssen früher anfangen«, so Bröckelmann. Das hat sich in der Industrie auch mittlerweile durchgesetzt, denn die meisten Halbleiterhersteller reden mittlerweile direkt mit den OEMs. Bröckelmann weiter. »Wir diskutieren darüber, was in fünf Jahren überhaupt gebraucht wird, denn nur dann stehen in fünf Jahren auch die Chips zur Verfügung.« Würde der Halbleiterhersteller erst mit der Entwicklung anfangen, wenn er vom Tier-One die Spezifikationen bekommt, wäre das viel zu spät.

Und das spiegelt sich bereits heute wider, was ein Vergleich zwischen früher und heute zeigt. Nach einer Entwicklungszeit eines neuen Fahrzeugs von zirka sieben Jahre wurden nach drei Jahren bei der Modellpflege nur minimale Veränderungen durchgeführt. Bröckelmann: »Überspitzt formuliert, wurde dabei nur die Farbe angepasst. Heute hingegen ist die Modellpflege fast ein komplettes Redesign.« Hier noch weiter zu verkürzen, hält Bröckelmann für keine gute Idee, denn zum einen kostet die Entwicklung eines Fahrzeugs viel Geld, das auch wieder hereingebracht werden muss, zum anderen, wären 50.000 Euro für einen Neuwagen nicht mehr durchsetzbar, wenn das Fahrzeug bereits nach einem Jahr veraltet ist und durch ein neues Modell ersetzt wird.

Dass diese umfangreiche Modellpflege möglich ist, basiert auf mehreren Faktoren. Hoika: »Wenn sie heute die Motoren sehen, da wird beim Face-Lifting nichts verändert. Das ist ein einfaches Flashen, da werden einfach 50 PS mehr freigeschaltet. Die sind in der Planung schon drin gewesen. Und das betrifft viele Funktionen.« Hinzu kommt noch, dass mittlerweile die Hardware auch so ausgelegt wird, dass sie es auch ermöglicht, zukünftige Funktionalitäten abzubilden.

Laut Hoika werden bereits heute in in manchen Applikationen Prozessoren eingesetzt, die beispielsweise fünf Kerne enthalten, obwohl sie derzeit noch gar nicht gebraucht werden. Aber in Zukunft sind sie notwendig, also wird die Leistung vorgehalten, weil sie zu einem späteren Zeitpunkt benötigt wird. Und Bröckelmann fügt noch hinzu: »Im Infotainment braucht man eine Upgrade-Fähigkeit, da sind wir uns einig.« Eine Möglichkeit wäre beispielsweise eine Einsteckkarte, mit der der Prozessor auf die nächste Generation gebracht werden kann.

Innovationen sind entscheidend

Siedhoff hält es für wichtig, Innovationen schneller in das Fahrzeug zu bringen, anstatt den Entwicklungszyklus zu beschleunigen. Und deshalb ist auch er davon überzeugt, dass eine engere Zusammenarbeit zwischen Halbleiterhersteller und OEM unabdingbar ist. Siedhoff: »Die Chips müssen da sein, bevor der OEM seinen Tier-One mit irgendeinem Projekt beauftragt. Auch der Tier-One muss seine Plattform schon entwickelt haben, die er dann nur noch fein-tunen muss. Das muss alles im Vorfeld entwickelt sein, dann ist die Innovation auch verfügbar.« Wenn das nicht der Fall sei, dann würden Komponenten aus dem Consumer-Bereich übernommen, und dann wäre nicht die Qualität der Halbleiter das Problem, sondern dass die Technologie nicht ausgereift sei. Siedhoff macht die Problematik an einem Beispiel deutlich: Als die Automobilindustrie zunächst versucht hatte, Gestenerkennung über Infrarot im Fahrzeug einzuführen, wurde erst im nach hinein festgestellt, dass die Technik nicht funktioniert, wenn der Autofahrer schwarze Handschuhe trägt. Nicht die Qualität der Halbleiter war das Problem, sondern dass eine Technologie genutzt wurde, die nicht ausgereift war.

Und Weyer mahnt abschließend, dass die Automobilindustrie nicht zu viel Energie in die Verkürzung der Entwicklungszeit stecken sollte, sondern vielmehr darauf achten müsse, den Wechsel auf neue Technologien zu schaffen. Weyer: »Die Herausforderung für den OEM besteht in der Elektromobilität darin, seine Expertise zu finden und zu sichern.« Und er spricht aus Erfahrung, denn auch die Halbleiterindustrie musste schon diverse Umbrüche meistern. War früher die eigene Fertigung ein Differenzierungsfaktor, nutzen heute fast alle Foundries, zumindest für die Fertigung von ICs mit kleinsten Strukturen. Ähnlich ist es mit den Prozessorkernen gelaufen. Hatte früher jeder Hersteller seine eigenen Architekturen, nutzen heute die meisten ARM-Cores. »Wir müssen uns laufend neu erfinden und genau das muss die Automobilindustrie jetzt auch«, so Weyer.


  1. Entwicklungszeit verkürzen?
  2. Infotainment - ein spezieller Fall
  3. Entwicklungen brauchen ihre Zeit

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