Das Potenzial der Vitalparameter-Messung

»Riesig, wenn Consumer-Elektronik auf Medizintechnik trifft«

23. August 2023, 9:00 Uhr | Von Ute Häußler
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Welche Herausforderungen haben die verschiedenen Messverfahren?

... und welche Lösungen gibt es dafür?

Die Pulsmessung wird heute hauptsächlich am Handgelenk gemessen, für die Signalqualität ist das allerdings nicht der beste Platz am Körper.

Wichtiger ist jedoch, dass die Patienten bzw. Kunden das Gerät tragen und die Messung prinzipiell funktioniert, und daher ist die Uhr am Handgelenk eine sehr gute Option. Dafür wird mit einer LED grünes Licht ausgesendet: Dieses tritt in die Haut ein, wo es zufällig gestreut wird. Ein wenig Licht geht auch durch die Adern und wird vom fließenden Blut absorbiert. Das Blutvolumen und damit auch die Absorption ändert sich mit dem Pulsschlag. Der Anteil des Lichts, der zurück zur Fotodiode – meist wenige Millimeter neben der LED – gestreut wird, ist nicht sehr groß und nur ein geringer Teil davon wurde tatsächlich vom Blut absorbiert. Ergo liegen sehr kleine Lichtsignale vor, wovon die meisten auch noch konstant und nicht durch den Puls zeitlich moduliert sind. Die Herausforderung liegt im Signal-Rausch-Verhältnis, was entsprechend empfindliche Komponenten und ein passendes Design erfordert.

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Zitat von Dr. Arzberger
Dr. Markus Arzberger, ams Osram.
© ams Osram

Zudem sprechen wir von batteriebetriebenen Smart Watches, welche die Träger möglichst selten aufladen wollen. Daher spielt der Energieverbrauch eine wichtige Rolle. Einfach mehr LED-Licht durch die Haut zu senden, würde den Stromverbrauch in die Höhe treiben. Die Komponenten müssen so ausgewählt und aufeinander abgestimmt sein, dass einerseits wenig Strom verbraucht, und zum anderen ein gutes Signal-Rausch-Verhältnis geliefert wird.

Sie haben im April eine neue Fotodiode TOPLED D5140, SFH 2202 auf den Markt gebracht, die diesen Anforderungen entspricht.

Genau, die SFH 2202 hat zwei Vorteile: Sie ist zum einen optimiert auf die Empfindlichkeit im grünen Lichtbereich, also der Hauptwellenlänge zur Pulsmessung. Mit der LED kommt recht viel Signal bei moderatem Licht- und Stromeinsatz heraus. Zum zweiten ist die Diode besonders linear. Das heißt, der generierte Fotostrom ist proportional zum eingestrahlten Licht über einen sehr hohen Dynamikbereich. Durch Umgebungslicht entsteht ein recht hoher Konstantstrom, auf den das kleine, modulierte LED-Signal kommt. Das muss erkannt werden und das modulierte Signal der SFH 2202 hat auch bei viel Umgebungslicht den gleichen Betrag – exakt diese Herausforderung haben wir mit dem Produkt für die Pulsmessung adressiert.

Die Diabetes-Messung am Handgelenk ist ein Hype-Thema, u. a. wird bei Apple daran geforscht. Wie steht es bei Ihnen um Komponenten für die nichtinvasive Glukosemessung?

Blutzucker ist ein spannendes Thema mit gigantischem Potenzial, einfach weil die Krankheit sehr verbreitet und die Glukosemessung aufwendig und teuer ist. Der Bedarf für einfachere und günstigere Testverfahren wäre riesig – und das nicht nur für diagnostizierte Diabetiker, sondern auch für gesunde Menschen, die ihre Ernährung optimieren wollen.

Gleichzeitig ist es auch ein sehr schwieriges Thema, technologisch sehr herausfordernd. An der nichtinvasiven Glukosemessung haben renommierte Firmen bereits mit sehr viel Geld gearbeitet, daher muss das Thema mit allem gebührenden Respekt betrachtet werden. Noch gibt es keine nichtinvasive Blutzuckermessung. Wir beobachten die Entwicklung in diesem Bereich, aber ich möchte keine Prognose abgeben, ob dies jemals möglich sein wird – insbesondere in medizinischer Qualität.

Auf welche technologischen Weiterentwicklungen aus Ihrem Hause können sich MedTech-Entwickler für die Vitalparametermessung einstellen?

Wir arbeiten an vielen Detailverbesserungen, sowohl auf der LED- wie auch auf der Fotodiodenseite und den ICs. Für die LEDs geht es hauptsächlich Richtung Effizienz und Helligkeit, inklusive der Betriebsspannung; bei den Fotodioden ist es die Empfindlichkeit und auf der IC-Seite sprechen wir im Wesentlichen von Verbesserungen im Signal-Rausch-Verhältnis und dem Stromverbrauch. Bei den Temperatursensoren haben wir ein vorkalibriertes Produkt mit der höchsten Genauigkeit am Markt – das ist bereits eine sehr gute Basis.

Wo liegt für Sie die Zukunft der Medizintechnik?

Echtes Potenzial liegt meiner Meinung nach dort, wo der Consumer-Bereich und die Medizintechnik zusammentreffen. Für Zulieferer und Hersteller könnte dies bedeuten, mit den gleichen oder zumindest ähnlichen Komponenten beide Märkte zu bedienen. Ich hoffe, dass sich die Märkte tatsächlich aufeinander zubewegen – gerade im Gesundheitsbereich ist der Bedarf dafür sehr groß.

Wenn Sie heute mit ihrer Smart Watch zum Arzt gehen, ist es nicht gesichert, ob der diese Informationsquelle ernst nimmt. Es wäre sehr hilfreich, diese Lücke zu schließen. Dazu muss sich zum einen die Qualität der Daten noch verbessern, aber eben auch die Akzeptanz auf Seiten der Mediziner. Bereits heute geben diese Daten gute Hinweise, ob mit dem Körper etwas nicht stimmt – hier braucht es Offenheit, sich sowohl auf Patienten- wie auch Arztseite mit den neuen Gesundheitsdaten auseinanderzusetzen.


  1. »Riesig, wenn Consumer-Elektronik auf Medizintechnik trifft«
  2. Welche Herausforderungen haben die verschiedenen Messverfahren?

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