Für höhere Effizienz, Flexibilität und Sicherheit: Real-Time-SDC (Service-oriented Device Connectivity, RT-SDC) erweitert die IEEE-11073-SDC- Normenfamilie um Echtzeitfähigkeit. So wird die Kommunikation zwischen Medizingeräten und steuernden Geräten deterministisch, zuverlässig und interoperabel.
Dr. Marcus Köny spricht auf dem Medical Solution Day »Der OP der Zukunft«:
Jetzt kostenfrei zum Business Lunch am 11. Dezember anmelden!
In modernen Operationssälen sind medizintechnische Geräte heute meist nur in Insellösungen miteinander vernetzt. Gerätehersteller setzen oft auf proprietäre Schnittstellen, die eine reibungslose Integration in komplexe, herstellerübergreifende OP-Umgebungen erschweren. Die IEEE-11073-SDC-Normenfamilie adressiert dieses Problem, indem entsprechende Kommunikationsprotokolle und ein Datenmodell definiert werden.
Der OP der Zukunft wird modular aufgebaut sein: ein oder mehrere zentrale und dezentrale User Interfaces (wie zentrale Bedieneinheiten oder Fußschalter) steuern mehrere Geräte unterschiedlicher Hersteller – von chirurgischen Werkzeugen über Navigationssysteme bis zu bildgebenden Verfahren. Die Vorteile sind offensichtlich: weniger Gerätewechsel, effizientere Bedienung der Geräte, kürzere Operationszeiten, geringeres Fehlerrisiko und eine höhere Patientensicherheit.
Die SDC-Normenfamilie ermöglicht die herstellerübergreifende Kommunikation zwischen Medizingeräten. Kernaspekte dabei sind:
Die Entwicklung begann im deutschlandweiten BMBF-geförderten Leuchtturm-Forschungsprojekt OR.NET (2012–2016) und diversen Vorgängerprojekten. Seitdem wird die Normenfamilie kontinuierlich erweitert.
Grenzen von SDC
Klassisches SDC nutzt Standard-Ethernet. Damit werden zwar Zuverlässigkeit und Interoperabilität erreicht, jedoch keine garantierten Latenzen oder deterministischen Übertragungen. In zeitkritischen Anwendungen entstehen jedoch Probleme, wie beispielsweise, dass die Fußschalter und die gesteuerten Geräte, abhängig vom Use Case, innerhalb von Millisekunden zuverlässig abschalten und neue Sollwerte einstellen müssen. Zeitkritische Closed-Loop-Regelungen erfordern konstante Zykluszeiten. Die Navigation und Bildgebung benötigen synchronisierte, hochfrequente Datenströme.
Proprietäre Protokolle bieten hier zwar niedrige Latenzen, verhindern aber eine reibungslose herstellerübergreifende Integration. Die Lösung liegt in einer echtzeitfähigen Erweiterung von SDC: RT-SDC.
Was macht der OR.NET e.V.? |
---|
Der OR.NET e.V. hat sich aus dem BMBF-geförderten Leuchtturmprojekt OR.NET (2012–2016 mit über 50 Projektpartnern) gegründet. Ziel war, die sichere, dynamische Vernetzung von Medizinprodukten in OP und Klinik weiter voranzutreiben Der Verein fördert die offene, herstellerübergreifende Vernetzung von Medizintechnik in OP-Sälen, Intensivstationen und anderen Akutbereichen. Dabei steht ein sicherer Geräte-zu-Geräte-Datenaustausch via Plug-and-Play im Mittelpunkt Der OR.NET vereint die Industrie, Klinik und Forschung. Er unterstützt u. a. durch Standardisierung, Demo- und Testzentren sowie Beratung bei der Entwicklung, Zulassung und Umsetzung von SDC-Schnittstellen. www.ornet.org |
RT-SDC stellt eine Erweiterung der IEEE-11073-SDC-Normenfamilie dar und ergänzt diese um die Fähigkeit zur deterministischen Kommunikation. Ziel ist nicht, den bestehenden SDC-Standard zu ersetzen, sondern ihn zu ergänzen und beide Ansätze in einer koexistierenden Architektur zu vereinen: Während SDC die sichere, nicht zeitkritische Kommunikation zwischen medizinischen Geräten gewährleistet, übernimmt RT-SDC zeitkritische Steuerungsaufgaben und ermöglicht präzise synchronisierte Abläufe.
Steute Technologies auf der Medica |
---|
Halle 8a, Stand N35 |
Die Umsetzung dieser Echtzeitfähigkeit basiert auf drei zentralen Technologien: Time-Sensitive Networking (TSN) nach IEEE 802.1Q, das garantierte Latenzzeiten, Bandbreitenreservierung und die Priorisierung sicherheitskritischer Datenströme sicherstellt; Precision Time Protocol (PTP) nach IEEE 1588, das eine hochpräzise Zeitsynchronisation im Submikrosekundenbereich ermöglicht; sowie Data Distribution Service/Real-Time Publish Subscribe (DDS/RTPS), das einen performanten, auf Publish/Subscribe-Prinzipien basierenden Datenaustausch in der Anwendungsschicht bereitstellt.
Time-Sensitive Networking
TSN ist eine Weiterentwicklung von Ethernet, die eine zuverlässige und zeitgenaue Datenübertragung ermöglicht. Für den Einsatz im OP bedeutet das, dass wichtige Steuerinformationen bevorzugt und zu genau geplanten Zeitpunkten übertragen werden.
Zudem lässt sich festlegen, welche Datenströme stets genügend Bandbreite erhalten und mit gleichbleibender, vorhersehbarer Verzögerung übertragen werden. So wird sichergestellt, dass Geräte im OP reibungslos und optimal aufeinander abgestimmt arbeiten. Auf Basis der Selbstbeschreibung der Geräte in SDC/RT-SDC lässt sich das Netzwerk automatisch konfigurieren.
Precision Time Protocol
Das Precision Time Protocol (PTP) ermöglicht die Synchronisation von Geräteuhren mit einer Genauigkeit im Submikrosekundenbereich. Im OP-Betrieb erlaubt dies die präzise und gleichzeitige Auslösung mehrerer Geräte, was die Koordination komplexer Abläufe erleichtert. Zudem gewährleistet PTP eine exakte Zeitstempelung aller relevanten Ereignisse, was sowohl für regulatorische Anforderungen als auch für die lückenlose Nachvollziehbarkeit essenziell ist.
Data Distribution Service/Real-Time Publish Subscribe
DDS/RTPS basiert auf einer Publish/Subscribe-Architektur, die eine feingranulare Konfiguration von Quality-of-Service-Parametern ermöglicht. Im Kontext von RT-SDC wird DDS über das Real-Time Publish-Subscribe-Protokoll (RTPS) eingesetzt, um harte Echtzeitanforderungen umsetzen zu können. Zu den Vorteilen zählen die flexible Anpassung an unterschiedliche Bandbreiten- und Latenzanforderungen, das automatische Erkennen neuer Geräte und Dienste sowie die Möglichkeit zum Parallelbetrieb mit bestehenden SDC-Implementierungen.
Kurz und klar: SDC und RT-SDC |
---|
SDC: IEEE 11073 Service-oriented Device Connectivity RT-SDC: |
Vorteile für OEMs
Aus Sicht von Medizingeräteherstellern bietet RT-SDC eine Vielzahl strategischer und technischer Vorteile. Durch die konsequente Unterstützung von Interoperabilität lassen sich Geräte nahtlos in offene, herstellerübergreifende OP-Architekturen integrieren. Dies eröffnet nicht nur neue Marktchancen, sondern erleichtert auch die Zusammenarbeit mit Kliniken, die auf modulare und flexible Systemlösungen setzen.
Ein weiterer entscheidender Aspekt ist die Sicherheit: Garantierte Latenzzeiten in der Kommunikation erhöhen die funktionale Sicherheit und ermöglichen eine präzise und verlässliche Ausführung zeitkritischer Steuerbefehle – ein Faktor, der insbesondere in chirurgischen Anwendungen von höchster Relevanz ist.
Darüber hinaus trägt RT-SDC zur Kostenreduktion bei, indem der Bedarf an proprietären Schnittstellen sinkt und der Integrationsaufwand für neue Geräte deutlich reduziert wird. Die Nutzung international anerkannter Normen unterstützt Hersteller zudem bei der regulatorischen Absicherung ihrer Produkte, da viele Anforderungen aus bestehenden Standards und Regularien unmittelbar erfüllt werden können.
Nicht zuletzt sorgt der Anschluss an die zukunftsfähigen IEEE-Standards für Investitionsschutz: Geräte, die heute mit RT-SDC ausgestattet werden, sind auf kommende Entwicklungen in der OP-Vernetzung vorbereitet und bleiben langfristig kompatibel mit künftigen Erweiterungen der Standardfamilie.
RT-SDC ist der logische nächste Schritt in der Entwicklung interoperabler OP-Technologien. Es verbindet die semantische Stärke von SDC mit der deterministischen Präzision von TSN, PTP und DDS/RTPS. Für Hersteller bedeutet das: höhere Produktkompatibilität, geringere Integrationskosten und die Möglichkeit, innovative Use Cases zu realisieren.
Die Integration in internationale Normenwerke wie der IEEE und/oder IHE-Profile ist sicher – Hersteller, die früh auf RT-SDC setzen, sichern sich Wettbewerbsvorteile. Langfristig wird RT-SDC nicht nur chirurgische Eingriffe effizienter und sicherer machen, sondern auch neue Anwendungsfelder wie AR-gestützte Navigation oder KI-gestützte Assistenzsysteme ermöglichen. (uh)
Auf einen Blick: Steute Technologies |
---|
Steute hat sich im Bereich »Meditec« auf die Entwicklung und Fertigung von Bediensystemen für Medizingeräte wie zum Beispiel Fußschalter und Handbediengeräte spezialisiert. Die ergonomisch gestalteten und intuitiven Bediengeräte werden, egal ob kabelgebunden oder funkbasiert, für die OEMs speziell an die medizinischen Anwendungen in der Chirurgie, bildgebenden Diagnostik, Ophthalmologie oder Dentaltechnik angepasst. Steute Meditec hat viel Erfahrung und Wissen in Funktechnologien und Normen: Mit über 20 Jahren Erfahrung in drahtlosen Systemen, erfüllt der Medizingerätezulieferer strenge Normen wie IEC 60601 und operiert nach ISO 13485 – inklusive MDR- und FDA-Unterstützung. www.steute-meditec.com |