45 Prozent der Deutschen nutzen KI-Chatbots, um Symptome abzuklären oder Gesundheitsfragen zu stellen. Mehr als die Hälfte vertraut den Antworten – und jeder Sechste hat bereits eine ärztliche Empfehlung zugunsten der KI ignoriert. Bei der ePA dagegen mangelt es noch an Vertrauen, doch warum?
Jeder Hausarzt schlägt die Hände über dem Kopf zusammen: Die Menschen googlen jetzt nicht mehr ihre Symptome, sie fragen die KI. Und obwohl die niedergelassenen Spezialisten in ihrer Arbeit bereits heute mit einem bedenklichen Wust an teils fragwürdigsten Internetdiagnosen überhäuft werden, lechzen die Patienten weit vor dem Platznehmen im Wartezimmer nach vermeintlich todsicheren Antworten auf ihre Malässen.
Dies ist keine Glosse: eine repräsentative Umfrage des Digitalverbands Bitkom zeigt, dass 71 Prozent der Deutschen dem Einsatz von KI im Gesundheitswesen positiv gegenüber stehen, 27 Prozent sogar sehr positiv. Fast jeder Zweite (45 Prozent) nutzt bereits KI-Chatbots, um Symptome zu klären oder allgemeine Gesundheitsfragen zu stellen. Zehn Prozent tun dies häufig, 17 Prozent manchmal und 18 Prozent zumindest gelegentlich.
Besonders bedenklich, jeden falls unter dem Gesichtspunkt, dass ChatGPT, Gemini oder jeder öffentlich zugänglich Chatbot nicht speziell medizinisch trainiert wurde: Mehr als die Hälfte der Nutzer (55 Prozent) vertraut den Antworten der Chatbots. Die Hälfte gibt an, Symptome mit KI-Unterstützung besser zu verstehen als bei herkömmlicher Internetsuche. Für 30 Prozent sind die Chatbot-Antworten so wertvoll wie eine ärztliche Zweitmeinung. 16 Prozent haben sogar schon einmal eine ärztliche Empfehlung nicht befolgt und stattdessen dem Chatbot vertraut.
Allerdings zeigt sich auch Unsicherheit: 39 Prozent wissen nicht genau, wie viele Gesundheitsdaten sie KI-Systemen anvertrauen sollten. Dennoch: «Die Mehrheit der Deutschen steht dem Einsatz von KI im Gesundheitswesen offen gegenüber und nutzt KI aktiv», sagt Bitkom-Vizepräsidentin Christina Raab. «Vertrauen und Transparenz sind dabei entscheidend: Die Menschen müssen nachvollziehen können, wie die KI zu ihren Empfehlungen kommt, um sie verantwortungsvoll einzusetzen.»
81 Prozent halten das deutsche Gesundheitssystem ohne Digitalisierung für nicht zukunftsfähig. Ebenso viele (80 Prozent) wünschen sich deutlich mehr Tempo bei der Umsetzung. Nur vier Prozent meinen, die Digitalisierung gehe zu schnell.
Als besonders sinnvoll sehen die Befragten KI bei medizinischen Zweitmeinungen (74 Prozent), Diagnosen und Therapieempfehlungen (72 Prozent) sowie der Früherkennung von Krankheiten wie Krebs (64 Prozent). Auch die Analyse von Röntgen- oder CT-Bildern (59 Prozent) und organisatorische Aufgaben in Praxen wie Terminvereinbarungen (56 Prozent) werden als nützlich eingeschätzt.
Sorgen um Datenschutz und menschliche Zuwendung
Trotz der überwiegend positiven Haltung gibt es Bedenken. 71 Prozent fürchten Datenmissbrauch, 69 Prozent eine Abnahme menschlicher Zuwendung in der Behandlung. 56 Prozent sorgen sich vor Fehlentscheidungen durch KI, und 21 Prozent bezweifeln, dass Patienten KI-Entscheidungen nachvollziehen können .
«Künstliche Intelligenz bietet riesige Chancen für Diagnose, Therapie und Organisation im Gesundheitswesen – gleichzeitig sorgen sich viele Menschen um den Schutz ihrer Daten und einen Verlust an menschlicher Zuwendung», so Raab. «Damit sich diese Potenziale entfalten können, müssen Patientendaten bestmöglich geschützt werden. KI wird dann Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte so unterstützen, dass sie mehr Zeit für ihre Patientinnen und Patienten haben.»
Dennoch meinen drei Viertel (76 Prozent), Ärzte sollten wann immer möglich KI-Unterstützung erhalten. 69 Prozent fordern eine besondere Förderung von KI in der deutschen Medizin. Fast die Hälfte (48 Prozent) geht davon aus, dass KI in bestimmten Fällen bessere Diagnosen stellt als Ärzte. «KI-gestützte Diagnosesysteme können Ärztinnen und Ärzte im medizinischen Alltag ebenso unterstützen wie bei besonders komplexen und schwierigen Fällen. So lassen sich etwa seltene Krankheiten mit Hilfe von KI oft schneller erkennen», betont Raab.
Neben KI-Chatbots nutzen 73 Prozent der Smartphone-Besitzer Gesundheits-Apps für Fitness, Ernährung und Wohlbefinden. 43 Prozent greifen auf zentrale Anwendungen wie Apple Health oder Google Fit zurück, 37 Prozent auf Sport-Apps für Laufen oder Radfahren. Apps für Gewicht und Ernährung sowie zur Erfassung von Körperdaten wie Herzfrequenz oder Schlaf verwenden jeweils 30 Prozent.
64 Prozent der App-Nutzer fühlen sich dadurch gesünder, ebenso viele konnten ihr Training optimieren. 60 Prozent bewegen sich mehr, 36 Prozent haben Gewicht abgenommen. Allerdings fühlen sich 14 Prozent häufig von den Apps unter Druck gesetzt.
Seit Januar 2025 erhalten alle gesetzlich Versicherten automatisch eine elektronische Patientenakte (ePA), sofern sie nicht widersprechen. Rund 70 Millionen Menschen haben seither eine ePA von ihrer Krankenkasse bekommen, etwa vier Millionen haben sie aktiv freigeschaltet. 62 Prozent wollen die ePA mit einem eigenen Zugang nutzen, neun Prozent möchten keinen Zugang.
76 Prozent derjenigen, die die ePA kennen, schätzen die Möglichkeit, allen Ärzten ihre Gesundheitsdaten verfügbar zu machen. 67 Prozent wollen jederzeit auf ihre Daten zugreifen können. Allerdings befürchten 63 Prozent, dass ältere oder wenig digital-affine Menschen benachteiligt werden könnten. 46 Prozent fühlen sich nicht ausreichend informiert, 36 Prozent finden die Nutzung zu kompliziert.
«Die elektronische Patientenakte ist ein zentraler Baustein für ein digitalisiertes Gesundheitssystem: Sie ermöglicht Patientinnen und Patienten jederzeit den Zugriff auf ihre medizinischen Daten und schafft die Grundlage für eine bessere Vernetzung mit Ärztinnen, Ärzten und Kliniken», sagt Raab. «Allerdings ist der persönliche Zugang über eine extra zu beantragende Gesundheits-ID für viele noch zu kompliziert. Hier braucht es dringend Vereinfachungen, damit alle Versicherten die Vorteile der ePA nutzen können.» (uh)