Bereits 2016 sah das Ranking der größten Automotive-IC-Hersteller durch die Akquisitionen stark verändert aus. Und auch in diesem Jahr dürfte das Ranking wieder anders ausfallen, weil die Übernahme von NXP durch Qualcomm noch bevorsteht. Schaut man sich den Rest der großen IC-Hersteller für den Automotive-Markt an, kann man sich kaum vorstellen, dass es in diesem Jahr noch zu weiteren starken Veränderungen kommen wird. Doch hier widerspricht DeAmbroggi. Auch wenn er es für unwahrscheinlich hält, dass Firmen wie Renesas und STMicroelectronics übernommen werden, sieht er trotzdem Spielraum für Akquisitionen. Denn zum einen glaubt er, dass Renesas, STMicroelectronics und sogar Infineon bislang noch nicht die kritische Masse erreicht haben, um langfristig erfolgreich zu sein. Also müssten diese Unternehmen agieren. Zum anderen müssten M&As ja nicht nur unter Halbleiterunternehmen stattfinden. Als Beispiel verweist er auf Samsung und Harman – eine Konstellation, die durchaus auch in Zukunft vorstellbar ist. Aber auch kleinere Anbieter von Schlüsseltechnologien wie beispielsweise Mobileye seien durchaus interessante Kandidaten. In der Summe ist DeAmbroggi also überzeugt, dass es auch in Zukunft M&As im Automotive-relevanten Bereich geben wird.
Der gesamte Automotive-Sektor ist in Bewegung, das zeigen nicht nur die M&As. DeAmbroggi verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass sich auch die Beziehungen innerhalb der Wertschöpfungskette deutlich verändert haben. Aus der „Dreiecksbeziehung“ zwischen OEM und Tier-One und Tier-One und Halbleiterhersteller wurde zunächst eine eindimensionalen Verbindung: Die OEMs reden direkt mit den Halbleiterherstellern, ohne Umweg über den Tier-One. Mittlerweile ist das eindimensionale Gebilde aber wieder erweitert worden, denn neue Player wie Service-Provider sind hinzugekommen.
Diese neue Konstellation setzt besonders die Tier-Ones unter Druck, weshalb »sich viele neu positionieren«, so DeAmbroggi, beispielsweise indem sie eigene Software-Kompetenz aufbauen. Warum geraten die Tier-Ones unter Druck. Weil alle Mitspieler in der Wertschöpfungskette versuchen, einen größeren Teil der Wertschöpfung abzudecken. Die OEMs bauen quasi von oben neue Kompetenzen auf, die Halbleiterhersteller wiederum von unten. Und dazwischen sitzt der Tier-One. DeAmbroggi argumentiert, dass theoretisch jeder ein Fahrzeug bauen kann, sobald das Fahrzeug immer mehr zum PC mutiert. Tesla sei der Beweis dafür. DeAmbroggi: »Das können andere OEMs auch.« Dem Hinweis, dass Tesla ein nicht ganz fairer Vergleich zur Automobilindustrie darstellt, stimmt DeAmbroggi zu, aber er ist der Überzeugung, dass die Automobilindustrie vom Tesla-Ansatz lernen kann und das auch tut. Das zeige sich beispielsweise daran, dass Unternehmen wie Mercedes mittlerweile ihre eigenen Entwicklungsabteilungen für wichtige Technologien besäßen.
DeAmbroggi: »Bei künstlicher Intelligenz verlässt sich der OEM nicht auf Nvidia, sondern entwickelt diese Technologie selbst.« Allerdings entwickeln auch Tier-Ones wie Bosch im eigenen Haus Schlüsseltechnologien, mit denen sich das Unternehmen von der Konkurrenz unterscheiden kann. DeAmbroggi betont, dass dieser Trend aber nur für das Premiumsegment gilt, denn nicht alle Hersteller hätten die finanziellen Mittel, diese Technologien selbst zu entwickeln. Da ist also noch Platz für die Tier-Ones.
Darüber hinaus sieht DeAmabroggi noch eine weitere Möglichkeit, wo die Tier-Ones in Zukunft eine wichtige Rolle spielen werden: in der Wartung. Denn Unternehmen wie BMW oder Mercedes würden zwar ihre Systeme in Zukunft verstärkt selbst entwickeln, aber nur einmal für ihr Flaggschiff. Die Migration in die unteren Fahrzeugklassen und die dazugehörige Weiterentwicklung stünden nicht im Fokus der OEMs, das gäben sie weiter. DeAmbroggi abschließend: »Der Tier-One wird also in Zukunft weniger eine Rolle bei den High-End-Systemen spielen, sondrn sich mehr auf die unteren Modelle konzentrieren und auf Wartung, Produktion, Qualität. Darüber hinaus bleiben die konventionellen Systeme bei den Tier-Ones.«