Am 8. Juni 2023 hat die europäische Kommission das IPCEI in Mikroelektronik und Kommunikationstechnologien (IPCEI ME/CT) genehmigt. Am 21. September 2023 trat der European Chips Act (EU Chips Act) in Kraft – klingt vielversprechend, läuft aber nicht gut.
Beim IPCEI ME/CT geht es darum, dass die Kommission ein IPCEI (ein wichtiges Projekt von gemeinsamem europäischem Interesse) genehmigt hat, mit dem Forschung, Innovation und der erste industrielle Einsatz von Mikroelektronik und Kommunikationstechnologien in der gesamten Wertschöpfungskette gefördert werden soll. Bei Aeneas (Association for European NanoElectronics ActivitieS), ein Industrieverband, der 2006 gegründet wurde, heißt es, dass am IPCEI ME/CT 14 Mitgliedsstaaten (Österreich, Tschechien, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Irland, Italien, Malta, die Niederlande, Polen, Rumänien, Slowakei und Spanien) beteiligt sind und bis zu 8,1 Mrd. Euro an öffentlichen Mitteln zur Verfügung stehen, die wiederum zusätzlich 13,7 Mrd. Euro an privaten Investitionen freisetzen sollen.
Es geht dabei um 68 Projekte, an denen 56 Unternehmen einschließlich KMUs und Startups beteiligt sind. Zum European Chips Act wiederum heißt es in einer Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom Februar 2022: »Das Chip-Gesetz der EU wird auf Europas Stärken aufbauen – weltweit führende Forschungs- und Technologieorganisationen und -netze sowie eine Vielzahl von Pionierarbeit leistenden Ausrüstungsherstellern – und die noch bestehenden Schwächen beseitigen.
Es wird ein florierendes Halbleiter-Ökosystem von der Forschung bis zur Produktion und eine resiliente Lieferkette schaffen. Es wird 43 Mrd. Euro in Form von öffentlichen und privaten Investitionen mobilisieren und sieht Maßnahmen vor, um gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und unseren internationalen Partnern künftige Unterbrechungen der Lieferketten zu verhindern, sich darauf vorzubereiten, ihnen vorzugreifen und rasch darauf zu reagieren. Es wird die EU in die Lage versetzen, ihr ehrgeiziges Ziel zu erreichen und ihren derzeitigen Marktanteil bis 2030 auf 20 Prozent zu verdoppeln.«
»Das Problem besteht darin, dass der Chips Act zwar beschlossen wurde, aber mitnichten umgesetzt wird, es ist noch kein einziger Cent geflossen – genauso wenig wie beim IPCEI. Im Juni hieß es noch, dass die Fördermittelbescheide schnell ausgestellt werden, bislang ist noch nichts passiert«, kritisiert Frank Bösenberg, Geschäftsführer bei Silicon Saxony, die Situation (zum Zeitpunkt des Halbleiter-Forums war der Förderbescheid für die Batteriefabrik an Northvolt noch nicht erteilt). Lediglich Infineon in Dresden und STMicroelectronics in Crolles haben mit dem Bau von neuen Fertigungskapazitäten begonnen, aber wann beispielsweise Intel und TSMC anfangen, stand auch schon vor dem Karlsruher Urteil in den Sternen. Bösenberg weiter: »Geschwindigkeit sieht anders aus, auch im weltweiten Vergleich.
Und das macht uns wirklich Sorgen. Wir fordern seit vier, fünf Jahren mehr Geschwindigkeit.« In diesem Zusammenhang verweist er beispielsweise auf Japan und Rapidus. »Wir hatten neulich Gäste aus Sapporo bei uns, die planen nach wie vor, dass die Fab 2025 steht. Wir sind als Europäer einfach zu langsam.«
Woran liegt es, dass die Umsetzung hier nicht so funktioniert? »An Europa, Föderalismus, 27 Mitgliedstaaten, 16 Bundesländern, 3 Parteien in der Koalition der Bundesregierung – es ist einfach die negative Seite von Pluralismus«, so Bösenberg weiter. Und Jens Drews, Director Communications/Government Relations bei Globalfoundries, fügt hinzu: »Das ist der Preis, den wir zahlen, dass wir zumindest in Westeuropa noch einigermaßen stabil und friedlich miteinander auskommen. Das ist gut für die Gesellschaft, aber die Wirtschaft und gerade unsere schnelllebige Branche kommt damit nicht zurecht.«
Robert Weichert, Arbeitskreisleiter bei Silicon Saxony, weist außerdem darauf hin, dass in den Institutionen zu wenig Leute sitzen, was Bösenberg mit dem Hinweis bestätigt, dass Silicon Saxony in einem Positionspapier den Aufbau von Kapazitäten in der Administration fordert, und zwar auf sächsischer, Bundes- und EU-Ebene. Bösenberg: »Auf allen drei Ebenen sind mitnichten genug Leute da, die überhaupt genug technisches Verständnis zum Thema haben, um die Prozesse schnell durchführen zu können. Die USA bauen ihr US Chips Act Office mit 300 Leuten auf, die finde ich in ganz Europa nicht in der Administration insgesamt.« Wobei Drews anmerkt, dass in den USA eine Vielzahl von Experten sitzen, auch viele ehemalige Leute aus der Industrie, die entsprechend auch die Halbleiterexpertise haben, »allerdings sind die USA nicht unbedingt schneller als wir in Europa, die Auflagen und Nebenbestimmungen sind auch dort nicht ohne.«
Die meisten der bislang erfolgten Bekanntmachungen seitens der Halbleiterunternehmen sind »lediglich positive Projektbewilligungen«, so Drews. Und um diese zu erhalten, müssen die Unternehmen schon einen langen Atem vorweisen, denn es wird natürlich erst einmal genau auf die Zahlen geschaut, und weichen sie nur geringfügig selbst bei Millionenbeträgen ab, geht der ganze Prozess von vorne los. Dass die Anträge überprüft werden und genau geschaut wird, wie viel Geld an Unterstützung wirklich sinnvoll sind, stellt keiner Infrage. Allerdings scheint der eine oder andere über das Ziel hinauszuschießen. Denn Bösenberg erklärt: »Bei der Förderung für grünen Stahl wurde ein Scheck über 300.796.340 Euro und 43 Cent ausgestellt.« So ein Betrag für ein Projekt, das über sieben Jahre läuft, mit allen Unsicherheiten und Zinsen und und und? »Diese Pseudo-Genauigkeit findet über den gesamten Prüfungsprozess statt, und das verzögert und behindert ihn«, so Bösenberg.
STMicroelectronics ist ein europäischer Halbleiterhersteller, der zwar weltweit Kunden bedient, aber laut Philippe Prats, Head of Automotive Marketing & Application EMEA bei STMicroelectronics, 9 seiner 15 Produktionsstätten in Europa stehen hat. Prats: »Wir haben schon klar kommuniziert, dass wir unsere Fertigungskapazitäten zwischen 2020 und 2025 in Europa verdoppeln werden, und damit leisten wir einen Beitrag zum Ziel der EU-Kommission.« Konkret geht es um eine neue 300-mm-Fab in Agrate, um eine Produktionsstätte für SiC-Substrate in Catania, die Erweiterung der bestehenden Fab in Crolles und den Aufbau einer neuen 300-mm-Fab zusammen mit Globalfoundries, ebenfalls in Crolles. Lediglich die letztgenannte Aktivität wird zum Teil vom EU Chips Act und der französischen Regierung unterstützt, weshalb Prats erklärt: »Unsere Basis ist in Europa, und das ist der Grund, warum wir nicht auf den Chips Act gewartet haben.«
Hans Adlkofer, Senior Vice President und Head of Automotive System Group bei Infineon Technologies, argumentiert ähnlich: »Nicht alle haben auf den Chips Act gewartet, viele Investitionen fließen auch ohne den Chips Act.« Das soll nicht heißen, dass Adlkofer den Chips Act nicht für wichtig hält, aber mehr aus dem Grund, dass er zeigt, dass die Halbleiterindustrie in Europa eine wertige Industrie ist. Adlkofer: »Das ist eigentlich das Zeichen, was wir bekommen haben. Wir bauen ja nicht jetzt Fabriken, nur weil der Chips Act da ist.« Und auch Prats ist vom Chips Act überzeugt und fügt hinzu, dass er wichtig sei, denn damit werde die Wettbewerbsfähigkeit von Europa gestärkt. Prats: »Wir müssen alle global mit ähnlichen Regeln spielen.«
Intel und TSMC hingegen warten. Laut Drews fehlen in beiden Fällen noch die Genehmigungen der Europäischen Kommission. Drews weiter: »Deswegen passiert ja auch noch nichts.« Er ist überzeugt, dass TSMC vor dem Förderbescheid auch keinen Spatenstich tätigen wird.