Einzelne Marktsegmente noch angespannt

Kapazitäts-Boost durch neue 300-mm-Fabs bei MOSFETs erst 2026

29. April 2024, 14:30 Uhr | Engelbert Hopf
Heiß begehrt: Wachstumsfelder wie Mobilität, IoT und Energieeffizienz entwickeln seit Jahren einen enormen Bedarf an MOSFET-Leistungshalbleitern. Ein Trend, der sich in den nächsten Jahren fortsetzen wird. Investitionen in neue MOSFET-Fabs, etwa 300-mm-Linien, dürften darum ein sicheres Geschäft sein.
© lexiconimages/stock.adobe.com

Es wird wohl bis 2026 dauern, bis sich die Versorgungssituation bei MOSFETs wirklich entspannt. Eine Entspannungen für die mehrere neue 300-mm-Werke sorgen werden, die dann ihre Produktion hochfahren. Bis dahin kann die Lieferzeit noch abhängig vom MOSFET-Typ und -Gehäuse bis zu 40 Wochen betragen.

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Getrieben durch die Wachstumsfelder Mobilität, IoT und Energieeffizienz ist die Versorgungssituation im MOSFET-Bereich bis heute nicht auf dem Vor-Corona-Niveau angekommen. Ob Stromversorgungs-, Inverter- oder Antriebshersteller, MOSFETs zählen nach wie vor zu den kritischen Bauelementen, denen besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Wie eine aktuelle Branchenumfrage der Markt&Technik zeigt, ist zwar gegenüber 2023 eine Verbesserung der Versorgungssituation festzustellen, doch es hängt stark davon ab, um welche Hersteller, welche MOSFET-Typen und welche Gehäuse es dabei geht.

MOSFET-Lieferzeiten inzwischen unter 20 Wochen

Nach Angaben von Infineon Technologies liegen die Lieferzeiten für die MOSFETs des Unternehmens aktuell im Bereich von 17 bis 20 Wochen. Zum Vergleich: Vor zwölf Monaten gab ein Unternehmenssprecher sie mit 52 Wochen an. Vor dem stetig wachsenden Bedarf der All-Electric Society setzt man bei Infineon konsequent auf den Ausbau der Fertigungskapazitäten, insbesondere in Dresden, Villach und Kulim in Malaysia.

Von einer leichten Verbesserung der Versorgungssituation spricht Tobias Keller, Vice President und Head of Global Product Management bei Hitachi Energy: »Die Lieferzeiten sind zuletzt um zwei bis drei Wochen runtergegangen.« Er führt diese Entwicklung vor allem auf die reduzierten Liefermengen für die Automobilindustrie und dort vor allem auf die Relativierung der Bedarfe im E-Mobility-Bereich zurück. Entsprechend den Zielmärkten liegt der Sweet Spot der MOSFET-Produktion bei Hitachi Energy bei Sperrspannungen über 750 V und Stromtragfähigkeiten über 100 A. Keller rechnet 2025 mit einer weiteren Entspannung der Versorgungssituation.

Kasteleiner Harald
Harald Kasteleiner, Glyn: »Neben einer 300-mm-Linie, die Toshiba bereits in einem Werk betreibt, werden in naher Zukunft weitere 300-mm-Linien in einem neuen Werk dazukommen und die Versorgungssituation bei MOSFETs weiter entspannen.«
© Componeers GmbH

»Je nach Gehäuseart konnten wir in den letzten Monaten die Lieferzeiten für unsere MOSFETs um 4 bis 22 Wochen senken«, berichtet Bernd Riemann, Senior Field Application Engineer Europe bei Alpha and Omega Semiconductor. Er führt den leichten Rückgang aber auch darauf zurück, »dass sich ein Teil der Kunden zum Ende der Pandemie zu stark bevorratet hatte. Dadurch sank bei einigen Artikeln der Auftragseingang, was zu einer weiteren Entspannung der Lieferzeiten führte«. Aktuell bewegen sich die Lieferzeiten bei A&O Semiconductor je nach Gehäuseart wieder bei 14 bis 18 Wochen. Mit einer wirklichen Entspannung auf dem weltweiten MOSFET-Markt rechnet Riemann aber erst ab Mitte 2026, »wenn die angekündigten erhöhten Fertigungskapazitäten der verschiedenen Hersteller auf den Markt kommen«. Kurzfristig rechnet er hingegen ab dem 3. Quartal 2024 mit einer nochmaligen Verknappung auf dem MOSFET-Markt, »die mindestens bis Mitte 2025 anhalten wird«.

Blaga Udo
Udo Blaga, Avnet Silica: »Je nach Hersteller reichen die Lieferzeiten für ein Low-Voltage-MOSFET im SO8-Package bei uns aktuell von 8 bis 16 Wochen über 16 bis 20 Wochen bis zu 40 Wochen.«
© Avnet

Welchen Effekt rechtzeitig zur Verfügung stehende Fertigungskapazitäten etwa in Form neuer 300-mm-Fertigungen haben, zeigt das Beispiel Toshiba. »Toshiba betreibt bereits eine erste 300-mm-Linie in einer bestehenden Fabrik«, so Harald Kasteleiner, Business Unit Manager für Analog, Power & Sensors bei Glyn; »diese Linie trägt zur Entspannung der Lieferzeiten bei diesem Hersteller bei«. Da weitere 300-mm-Linien in naher Zukunft in einer neuen Fab starten werden, dürfte das für eine weitere Entspannung der Versorgungssituation sorgen.

Nachfrage nach MOSFETs wird hochbleiben

Konkret liegen die Wiederbeschaffungszeiten bei den MOSFET-Herstellern, die Glyn im Programm hat, nun bei 12 bis 24 Wochen, wenn es um Produkte für Industrieapplikationen geht, und um 24 bis 46 Wochen im Fall von MOSFETs für das Automotive-Segment. Dass die Nachfrage nach MOSFETs mittelfristig nachlassen könnte, glaubt Kasteleiner nicht: »Die Elektrifizierungstransformation unserer Gesellschaft hat gerade erst begonnen, sie wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen und gegebenenfalls sogar noch deutlich beschleunigen!«

Keller Tobias
Tobias Keller, Hitachi Energy: »Aus unserer Sicht hat sich die Versorgungssituation leicht entschärft, was insbesondere auf die reduzierten Liefermengen für das Automotive-Segment zurückgeht. Grund dafür ist die Relativierung der Bedarfe aus dem E-Mobility-Bereich.«
© Hitachi

Wie entscheidend das Thema Gehäusebauform bei MOSFETs ist, macht auch die Antwort von Udo Blaga, Technology Application Engineer Power bei Avnet Silica, klar: »Einzelne Gehäusevarianten werden aktuell leider noch erst nach 40 Wochen geliefert.« Am Beispiel eines Low-Voltage-MOSFETs im SO8-Package macht er die Bandbreite deutlich: »Das reicht von teilweise 8 bis 16 Wochen über 16 bis 20 Wochen bis hin zu 40 Wochen bei den unterschiedlichen Herstellern.«

Wie Riemann von A&O Semiconductor geht auch Blaga davon aus, dass die Kunden nach wie vor über eigene Läger verfügen, die sie aktuell abschmelzen. »Darauf deutet das aktuelle Bestellverhalten hin, wir gehen deshalb aktuell nicht von einem weiteren grundsätzlichen Rückgang der Lieferzeiten aus.« Blaga glaubt auch nicht, dass die Inbetriebnahme der von verschiedenen MOSFET-Herstellern angekündigten 300-mm-Fabs ab 2026 an der aktuellen Marktsituation grundsätzlich etwas ändern wird. »Wir gehen aktuell nicht davon aus, dass das dann zu einem Überangebot führen könnte.«


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