Spatenstiche sind beliebte Termine bei Politikern. Doch wenn jetzt in Dresden ein Spaten in Erde gesteckt wird, geht es tatsächlich um Besonderes. Der weltgrößte Chip-Hersteller kommt nach Europa.
Noch ist nicht viel zu sehen vom neuesten Zukunftsprojekt in Sachsen. Doch in den kommenden Monaten soll es Schlag auf Schlag gehen in Silicon Saxony. Ab 2027 will das taiwanesische Unternehmen TSMC mit drei Partnern im Norden von Dresden Chips vor allem für die Automobilindustrie produzieren. Der weltweit größte Auftragsproduzent von Silizium-Mikroelektronik kommt damit nach Europa. Heute soll der symbolische erste Spatenstich gesetzt werden, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen werden als Gäste erwartet.
TSMC plant gemeinsam mit den drei Unternehmen Bosch, Infineon und NXP den Bau einer neuen Halbleiterfabrik. Die Partner, die allesamt eigene Fertigungsstätten in Dresden unterhalten, sollen jeweils 10 Prozent am Gemeinschaftsunternehmen European Semiconductor Manufacturing Company (ESMC) halten, TSMC 70 Prozent. Das Unternehmen erwartet, dass die Investitionssumme 10 Mrd. Euro übersteigen wird. Die Hälfte der Investitionskosten wird von den Steuerzahlern in Deutschland aufgebracht, denn der Deal umfasst ein staatliches Subventionspaket.
Im Gegensatz zu den Chips für Hochleistungs-Smartphones sollen die Halbleiter aus dem neuen Werk in Dresden nicht in den neuesten 3- oder 4-nm-Prozessen hergestellt werden, sondern mit größeren Strukturbreiten. Solche herkömmlichen Chips sind in der Autobranche und im Maschinenbau gängig und werden wegen der zunehmenden Vernetzung von Fahrzeugen und Maschinen sowie . der Elektrifizierung in wachsenden Stückzahlen benötigt.
Bei ESMC sollen 2000 Arbeitsplätze entstehen. Für den Fachkräftebedarf wird schon vorgesorgt. Dieser Tage kehrten die ersten 30 Studenten sächsischer Hochschulen aus Taiwan zurück. Sie hatten dort sechs Monate studiert und Praktika bei TSMC absolviert. Im kommenden Jahr soll eine duale Ausbildung in den Berufen Mikrotechnologe und Mechatroniker beginnen. Im Januar 2025 will das Unternehmen auf der Ausbildungsmesse Karrierestart in Dresden präsent sein. Auch Fachkräfte aus Taiwan sollen die Arbeit in Dresden unterstützen.
In Magdeburg plant Intel den Bau mehrerer Chipfabriken. Mit einem Volumen von rund 30 Mrd. Euro ist es die größte Investition in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Bundesregierung will dafür Hilfen von 9,9 Mrd. Euro leisten, dafür steht aber die EU-Genehmigung noch aus. Intel ist inzwischen auf Sparkurs, hält nach Angaben der Landesregierung in Magdeburg aber an den Vorhaben fest.
Im saarländischen Ensdorf plant der US-Hersteller Wolfspeed für rund 2,7 Mrd. Euro eine Fabrik für Halbleiter aus Siliziumkarbid. Es gibt jedoch Verzögerungen. Wolfspeed hat mitgeteilt, mit dem Baubeginn sei erst 2025 zu rechnen. In München baut der iPhone-Konzern Apple sein Zentrum für Chip-Design milliardenschwer aus.
Ein weiteres Ausbauvorhaben findet sich in Dresden nicht weit vom TSMC-Projekt: Der Bau einer neuen Fabrik des deutschen Herstellers Infineon kommt nach den Worten von Vorstandschef Jochen Hanebeck gut voran. Ab September 2025 sollen die Maschinen kommen und im Jahr darauf die Produktion beginnen. Infineon will 5 Mrd. Euro in diese Erweiterung stecken und damit über 1000 neue Jobs schaffen.
Lieferengpässe in der Corona-Zeit haben offenbart, wie abhängig Deutschland und Europa von der Chip-Versorgung vor allem aus Asien sind. Die Autoindustrie war besonders hart betroffen. Mehrere Hersteller mussten die Produktion aussetzen. Nun könnte Deutschland aus Sicht von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) der große Standort für die Halbleiterproduktion in Europa werden. Das sei wichtig für die Resilienz von Produktionsstrukturen in der ganzen Welt, erklärte Scholz im vergangenen Jahr, als das Dresdner Projekt bekannt wurde. Staatliche Beihilfen sind bei solchen Vorhaben nicht ungewöhnlich. Es gibt aber immer wieder auch Kritik daran, den Unternehmen mit Steuergeld unter die Arme zu greifen.