Vom Hype ins Krankenhaus: Künstliche Intelligenz trifft die Medizintechnik und den Klinik-Alltag wie MS Office vor 20 Jahren das Büro. Kimberly Powell, VP Healthcare bei Nvidia, erklärt das Potenzial der medizinischen KI und die Auswirkungen auf die Medizingeräte-Entwicklung und -Zertifizierung.
Der Medizin-Sektor ist etwas ganz Besonderes. Gerade in Bezug auf generative KI kann ich mir keine Branche mit größeren Auswirkungen vorstellen. Das Gesundheitswesen ist sehr komplex und es geht am Ende einfach um viel mehr als um selbstfahrende Autos – es geht um Menschen.
Noch haben wir keine selbstfahrenden Autos und auch für die Medizin wissen wir, dass es ein langer Weg sein wird. Umso größer schätzen wir jedoch die Auswirkungen ein. Der Gesundheitssektor ist ein Geschäftsfeld, auf das wir sehr stolz sind. Medizin wird das nächste Milliardengeschäft für Nvidia sein, und zwar schon bald.
Es gibt zwei große Bereiche in der Medizin, in denen wir einen massiven Wandel sehen. Wenn Sie Life Sciences einbeziehen, sind es sogar drei.
Ich bin jetzt 15 Jahre bei Nvidia und mein erster Anruf damals war ein Gespräch mit GE und deren CT-Abteilung. Die hatten gerade einen neuen Algorithmus für die sogenannte iterative Rekonstruktion von CT-Bildern entwickelt, der nicht auf das bestehende System passte. GE brauchte eine GPU-Lösung – andernfalls hätten Sie einen Supercomputer von der Größe eines ganzen Stockwerks bauen müssen. Und dieses Beispiel zeigt sehr plastisch, welche Entwicklung die computergestützte Medizintechnik seither genommen hat – jeder Medizingerätehersteller musste seine Recheneinheiten und die Software zum Betrieb seiner Geräte neu entwerfen.
Innerhalb der Krankenhäuser konzentrieren wir uns sehr stark auf medizinische Geräte. Unser Fokus liegt darauf, MedTech-Hersteller dabei zu unterstützen, ihre Medizingeräte intelligent zu machen – in Echtzeit. Dafür haben wir Nvidia Holoscan und auch die IGX-Plattform für Edge-KI entwickelt.
Genau, wir bauen die Hardware direkt in ein System und liefern die passende Software dafür - MedTech-Entwickler können sich auf ihre konkrete Anwendung konzentrieren. Als eines der großen Medizintechnik-Unternehmen sieht beispielsweise Medtronic die Holoscan-Plattform als Weg, all ihre Medizingeräte mit Künstlicher Intelligenz auszustatten.
Wir haben wirklich Vollgas gegeben, das Projekt mit Medtronic zur Marktreife zu bringen. Auf Basis von HoloScan haben wir das gemeinsam in nur neun Monaten geschafft, das war wirklich bemerkenswert. Wir arbeiten zudem mit einer Reihe von Universitäten zusammen, die in der digitalen Chirurgie und der Roboterchirurgie forschen. ORSI in Gent oder die IHU in Straßburg verwenden Holoscan schon in echten Operationen, um etwa CT-Scans mit Endoskopie-Daten zu überlagern – Ärzte bekommen so live während der OP ein besseres räumliches Bewusstsein. Das System fügt per Live-Bilderkennung beispielsweise Hinweise wie ‚Vorsicht beim Schneiden, wichtige Arterie‘ ein und hilft so bei medizinischen Entscheidungen in Echtzeit. Dass akademische Institutionen diese Technik bereits im OP einsetzen, finde ich phänomenal.
Moon Surgical ist ein weiteres bemerkenswertes Beispiel. Die Firma für kollaborative Robotik ist erst ein paar Jahre alt und verfügt bereits über die CE- und FDA-Zulassung für sein Maestro-System, welches Chirurgen bei minimal-invasiven Operationen an den menschlichen Weichteilen unterstützt. Wir helfen Moon, das Telerobotik-Laparoskop mit der nötigen Echtzeit-Rechenleistung auszustatten und dabei so klein und flexibel zu halten, dass es nahtlos in die klinischen Abläufe passt.
Die Robo-Chirurgie ist ohne künstliche Intelligenz in Echtzeit nicht möglich. Der Roboter muss die Welt um sich herum wahrnehmen und genaustens einordnen, um sofortige Entscheidungen zu treffen – insbesondere für diese Imaging-Anwendungen und Echtzeit-Visualisierungen haben wir Holoscan gebaut. Und natürlich MONAI.
HoloScan ist für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz am Edge gedacht. MONAI (Medical Open Network for AI) dagegen ist für die KI-Entwicklung gedacht. Diese Zweiteilung ist notwendig, denn die Daten ändern sich ständig. Sobald neue Daten verfügbar sind, müssen die KI-Modelle angepasst und verbessert werden. MONAI als Open-Source-Framework hilft bei der Entwicklung, dem Testen und der (erneuten) Integration in die klinischen Abläufe. U.a. dafür haben wir auch unseren KI-Supercomputer DGX in die Cloud verlagert, die DGX Cloud.