Exklusiv-Interview Nvidia

»KI bewirkt einen massiven Wandel in der Medizin«

18. März 2024, 14:11 Uhr | Ute Häußler
Kimberly Powell ist VP Healthcare bei Nvidia am Stammsitz in Kalifornien. Wir trafen Sie in München.
© Nvidia / WFM

Vom Hype ins Krankenhaus: Künstliche Intelligenz trifft die Medizintechnik und den Klinik-Alltag wie MS Office vor 20 Jahren das Büro. Kimberly Powell, VP Healthcare bei Nvidia, erklärt das Potenzial der medizinischen KI und die Auswirkungen auf die Medizingeräte-Entwicklung und -Zertifizierung.

Diesen Artikel anhören

Frau Powell, Nvidia wächst mit KI derzeit über alle Branchen. Welchen Status hat die Medizin bei Ihnen?

Der Medizin-Sektor ist etwas ganz Besonderes. Gerade in Bezug auf generative KI kann ich mir keine Branche mit größeren Auswirkungen vorstellen. Das Gesundheitswesen ist sehr komplex und es geht am Ende einfach um viel mehr als um selbstfahrende Autos – es geht um Menschen.

Noch haben wir keine selbstfahrenden Autos und auch für die Medizin wissen wir, dass es ein langer Weg sein wird. Umso größer schätzen wir jedoch die Auswirkungen ein. Der Gesundheitssektor ist ein Geschäftsfeld, auf das wir sehr stolz sind. Medizin wird das nächste Milliardengeschäft für Nvidia sein, und zwar schon bald.

Worauf fokussiert sich Nvidia im Bereich Medical und Healthcare?

Es gibt zwei große Bereiche in der Medizin, in denen wir einen massiven Wandel sehen. Wenn Sie Life Sciences einbeziehen, sind es sogar drei.

Ich bin jetzt 15 Jahre bei Nvidia und mein erster Anruf damals war ein Gespräch mit GE und deren CT-Abteilung. Die hatten gerade einen neuen Algorithmus für die sogenannte iterative Rekonstruktion von CT-Bildern entwickelt, der nicht auf das bestehende System passte. GE brauchte eine GPU-Lösung – andernfalls hätten Sie einen Supercomputer von der Größe eines ganzen Stockwerks bauen müssen. Und dieses Beispiel zeigt sehr plastisch, welche Entwicklung die computergestützte Medizintechnik seither genommen hat – jeder Medizingerätehersteller musste seine Recheneinheiten und die Software zum Betrieb seiner Geräte neu entwerfen.

Innerhalb der Krankenhäuser konzentrieren wir uns sehr stark auf medizinische Geräte. Unser Fokus liegt darauf, MedTech-Hersteller dabei zu unterstützen, ihre Medizingeräte intelligent zu machen – in Echtzeit. Dafür haben wir Nvidia Holoscan und auch die IGX-Plattform für Edge-KI entwickelt.

Nvidia bietet den Herstellern damit quasi ein Rundum-Sorglos-Paket?

Genau, wir bauen die Hardware direkt in ein System und liefern die passende Software dafür - MedTech-Entwickler können sich auf ihre konkrete Anwendung konzentrieren. Als eines der großen Medizintechnik-Unternehmen sieht beispielsweise Medtronic die Holoscan-Plattform als Weg, all ihre Medizingeräte mit Künstlicher Intelligenz auszustatten.

Medtronics intelligentes Endoskopie-Modul GI Genius für die KI-unterstütze Koloskopie ist bereits FDA-zertifiziert. Haben Sie weitere Beispiele?

Wir haben wirklich Vollgas gegeben, das Projekt mit Medtronic zur Marktreife zu bringen. Auf Basis von HoloScan haben wir das gemeinsam in nur neun Monaten geschafft, das war wirklich bemerkenswert. Wir arbeiten zudem mit einer Reihe von Universitäten zusammen, die in der digitalen Chirurgie und der Roboterchirurgie forschen. ORSI in Gent oder die IHU in Straßburg verwenden Holoscan schon in echten Operationen, um etwa CT-Scans mit Endoskopie-Daten zu überlagern – Ärzte bekommen so live während der OP ein besseres räumliches Bewusstsein. Das System fügt per Live-Bilderkennung beispielsweise Hinweise wie ‚Vorsicht beim Schneiden, wichtige Arterie‘ ein und hilft so bei medizinischen Entscheidungen in Echtzeit. Dass akademische Institutionen diese Technik bereits im OP einsetzen, finde ich phänomenal.

Moon Surgical ist ein weiteres bemerkenswertes Beispiel. Die Firma für kollaborative Robotik ist erst ein paar Jahre alt und verfügt bereits über die CE- und FDA-Zulassung für sein Maestro-System, welches Chirurgen bei minimal-invasiven Operationen an den menschlichen Weichteilen unterstützt. Wir helfen Moon, das Telerobotik-Laparoskop mit der nötigen Echtzeit-Rechenleistung auszustatten und dabei so klein und flexibel zu halten, dass es nahtlos in die klinischen Abläufe passt.

Die Robo-Chirurgie ist ohne künstliche Intelligenz in Echtzeit nicht möglich. Der Roboter muss die Welt um sich herum wahrnehmen und genaustens einordnen, um sofortige Entscheidungen zu treffen – insbesondere für diese Imaging-Anwendungen und Echtzeit-Visualisierungen haben wir Holoscan gebaut. Und natürlich MONAI.

Worin unterscheiden sich die beiden KI-Tools, wie können MedTech-Hersteller und Entwickler damit arbeiten?

HoloScan ist für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz am Edge gedacht. MONAI (Medical Open Network for AI) dagegen ist für die KI-Entwicklung gedacht. Diese Zweiteilung ist notwendig, denn die Daten ändern sich ständig. Sobald neue Daten verfügbar sind, müssen die KI-Modelle angepasst und verbessert werden. MONAI als Open-Source-Framework hilft bei der Entwicklung, dem Testen und der (erneuten) Integration in die klinischen Abläufe. U.a. dafür haben wir auch unseren KI-Supercomputer DGX in die Cloud verlagert, die DGX Cloud.

Anbieter zum Thema

zu Matchmaker+

  1. »KI bewirkt einen massiven Wandel in der Medizin«
  2. KI im Klinik-Alltag // LLM in der Arzneimittel-Entwicklung
  3. Digitale Patienten-Zwillinge // Neue Wege zur FDA-Zertifizierung

Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Produkte des Jahres 2025

Medizintechnik: Das sind die Gewinner

Spracherkennung und Transkription

Nvidia-KI macht Notizen für Therapeuten überflüssig

Glowtime Event 2024

Apple macht AirPods Pro zum Hörgerät - per Software-Update

Nvidia AI Enterprise-IGX

Nvidia erweitert Echtzeit-KI für das Gesundheitswesen

Schwerpunkt Wearable-Entwicklung

Vitaldaten medizinisch genau per Smartwatch messen

Softwaredefinierte Workflows in Holoscan

Nvidia und Mathworks kooperieren für Medizintechnik-KI

Reproduzierbare und genaue GenAI

Gegen KI-Halluzinationen in der Medizin

Einsatz in der Chirurgie

Mini-Roboter bewegt sich für Schädeldruck-Messung im Gehirn

Tools für die Software-Entwicklung

Mit KI im Schuh gegen Diabetes-Lähmung

Medical Solution Day 2024

Call for Papers: KI für die Medizingeräte-Entwicklung

Code-Testing für Medizingeräte

Software über die IEC 62304 hinaus prüfen

Produkte des Jahres 2024

Das sind Gewinner der Medizinelektronik

Per Internet-Suche zur Diagnose?

Google baut Medizin-Suchmaschine

Case Study Mobile Medizingeräte

Digitialer Visitenwagen mit lüfterloser Stromversorgung

Medizinische Antriebstechnik im OP

Sensitive Medizin-Roboter mit Force Feedback

Healthcare // GTC-Konferenz

Nvidia zeigt neue generative KI-Tools für die Medizin

Technologie, Marktpotenzial & Zukunft

KI-Trends in der Medizin

Schwerpunkt Künstliche Intelligenz

KI-Chips zur Medizingeräte-Entwicklung

Automatisierte MS-Diagnose

Neue Philips-Kooperation integriert KI in MRT-Geräte

Einfache PACS-Integration

Diagnose-KI gegen Prostata-Krebs bekommt MDR-Zertifizierung

Das neue europäische KI-Gesetz

»Medizintechnik-Hersteller müssen den AI Act jetzt genau lesen«

Rechen-Power für die Gesundheit

Zehn neue KI-Module für die Medizingeräte-Entwicklung 2024

Mit Software gegen Zuckerkrankheit

KI erkennt Diabetes in 10 Sekunden an der Stimme

Nur Apple und Microsoft sind mehr Wert

KI-Boom: Nvidia überholt Google

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu NVIDIA Corporate

Weitere Artikel zu Künstliche Intelligenz (KI)

Weitere Artikel zu Medizinelektronik

Weitere Artikel zu Medizintechnik

Weitere Artikel zu eHealth / Medizin 4.0

Weitere Artikel zu Software als Medizinprodukt