Um ihre geopolitische Stellung zu festigen und ihre Bedeutung als Fertigungsstandort für Halbleiter wieder zu stärken, haben sowohl die USA als auch Europa entsprechende Chip Acts auf den Weg gebracht. Wie schneiden diese Maßnahmen im globalen Vergleich ab?
Die Chipkrise hat deutlich gezeigt, wie problematisch es sein kann, wenn sich die globalen Fertigungskapazitäten für strategisch wichtige Komponenten auf eine einzige Weltregion konzentrieren. Immerhin fertigt Ostasien 75 Prozent aller Halbleiter weltweit. Die aktuelle Krise hat westliche Staaten daher wachgerüttelt. Um ihre geopolitische Stellung zu festigen und ihre Bedeutung als Fertigungsstandort für Halbleiter wieder zu stärken, haben sowohl die USA als auch Europa entsprechende Chip Acts auf den Weg gebracht. Wie schneiden diese Maßnahmen im globalen Vergleich ab?
Der European Chips Act, den die EU-Kommission am 8. Februar 2022 vorlegte, soll insgesamt 43 Milliarden Euro an öffentlichen und privaten Investitionen mobilisieren. Beim Thema Forschung und Entwicklung sieht EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton den Kontinent mit führenden Mikroelektronik-Institutionen wie dem Imec in Belgien, dem CEA-Leti in Frankreich und Fraunhofer in Deutschland bereits gut aufgestellt. Daher würden dafür »nur« 11 Milliarden Euro bereitgestellt werden.
Der größere Teil der Fördersumme, über 30 Milliarden Euro, soll in den Ausbau der Chipfertigung fließen, denn dort klafft die größte Lücke. Wurden im Jahr 1998 noch 22 Prozent aller Halbleiter in Europa produziert, sind es heute gerade einmal acht Prozent. Geht es nach der EU-Kommission, soll bis zum Jahr 2030 der globale Anteil Europas bei der Chipfertigung auf 20 Prozent wachsen. Dafür müsste sich die Produktion vervierfachen, da sich der Markt bis 2030 verdoppeln dürfte.
Die öffentlichen Subventionen sollen auch private Investitionen anlocken. Chipkonzerne wie Intel, TSMC und GlobalWafers suchen bereits nach Standorten in Europa für künftige Fabriken. Deutschland macht sich große Hoffnungen auf Zuschläge.
Auch wenn US-Präsident Joe Biden bereits im April 2021 einen Chips for America Act vorgeschlagen hatte, wird dieser immer noch im US-Kongress verhandelt. Zwar stimmte am 4. Februar 2022 das Repräsentantenhaus dem Chips Act zu. Und dessen Finanzierung hatte der Senat als Teil seiner Version des Wettbewerbsgesetzes, des United States Competition and Innovation Act (USICA), im Juni 2021 verabschiedet. Aber nun müssen die führenden Vertreter beider Parlamentskammern noch die Unterschiede in den Gesetzesentwürfen abgleichen und ein überparteiliches Gesetz verabschieden, damit der US-Präsident es dann unterzeichnen kann.
Damit bleibt die Versorgungslage mit Halbleitern in der US-Wirtschaft vorerst prekär, wie eine Ende Januar 2022 veröffentlichte Umfrage des US-Handelsministeriums verdeutlicht. Demnach sei der mittlere Lagerbestand bei Halbleitern bei den befragten US-Abnehmern von 40 Tagen im Jahr 2019 auf weniger als fünf Tage im Jahr 2021 gesunken. In Schlüsselindustrien seien die Bestände sogar noch niedriger. »Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass der Kongress so schnell wie möglich die Finanzierung von Chipfabriken verabschiedet«, mahnte US-Handelsministerin Gina Raimondo. »Mit jedem Tag, an dem wir auf diese Finanzierung warten müssen, fallen wir weiter zurück.«
So wie in Europa legt auch der Chips for America Act den Schwerpunkt auf die Fertigung, denn bei diesem Thema steht das Land im Moment nicht sehr viel besser da als Europa. Während im Jahr 1990 noch rund 40 Prozent der weltweiten Fertigungskapazitäten auf die USA entfielen, waren es im Jahr 2019 gerade einmal noch elf Prozent.
Umgerechnet etwa 35 Milliarden Euro aus dem Cihps for America Act sind daher für den Bau oder die Modernisierung von Einrichtungen in den USA für die Halbleiterfertigung, Chipmontage, Prüfung und Packaging vorgesehen. Umgerechnet etwa 877 Millionen Euro fließen in die Forschung und Entwicklung, beispielsweise in ein noch zu schaffendes National Semiconductor Technology Center (NSTC). Dieses soll Talente, Wissen, Prozesstechnik und Tools bündeln, um die Erforschung neuer Materialien, Architekturen, Verfahren, Bauelemente und Anwendungen voranzutreiben und die Lücke zwischen öffentlicher und privater Forschung und Entwicklung sowie der Vermarktung in den Vereinigten Staaten zu schließen.
Nach einer Untersuchung des US-Kongresses sind bis zu 70 Prozent des Kostenunterschieds bei der Produktion von Halbleitern in Ostasien nicht auf unmittelbare Wettbewerbsvorteile zurückzuführen, sondern auf staatliche Subventionen. Und da legen die ostasiatischen Staaten trotz eines Anteils von 75 Prozent die Hände nicht in den Schoß.
China etwa veröffentlichte im Juni 2014 einen Plan mit dem Ziel, 70 Prozent des heimischen Halbleiterbedarfs bis 2025 selbst zu decken. Im Jahr 2019 korrigierte die Regierung das Ziel nach oben und gab als Teil seiner Industrialisierungsstrategie »Made in China 2025« vor, die einheimische Chip-Produktion – einschließlich Wafer Fabs ausländischer Firmen in China – bis 2030 auf 80 Prozent der heimischen Nachfrage zu steigern. Dafür hat die Volksrepublik einen staatlichen Fonds, den China Integrated Circuit Investment Industry Fund (CICIIF), eingerichtet, der schätzungsweise umgerechnet rund 131 Milliarden Euro an staatlichen Mitteln bereitstellt. Im Oktober 2019 kündigte China einen zweiten Halbleiterfonds mit einer geschätzten Kapitalisierung von 28,9 Milliarden US-Dollar an.
Japan hat kürzlich öffentliche Mittel in Höhe von umgerechnet 7 Milliarden Euro für inländische Investitionen in Halbleiter angekündigt, die durch zusätzliche Mittel ergänzt werden sollen. Südkorea wird seine Halbleiterindustrie stärken, indem es private Investitionen seiner inländischen Unternehmen in F&E und Fertigung durch steuerliche Anreize unterstützt, die bis 2030 auf umgerechnet 394 Milliarden Euro geschätzt werden.