Wo sind die Lücken in Europa?
Zunächst einmal: Wir brauchen uns im weltweiten Vergleich keinesfalls zu verstecken. Die ICs, die Bosch, Infineon und X-Fab produzieren, werden rund um die Welt gekauft. Im Bereich der Leistungselektronik, der MEMS und der Sensorik sind wir in Europa, Deutschland und Sachsen sehr gut aufgestellt.
Aber selbstverständlich gibt es in Europa Lücken. Es ist kein Geheimnis, dass uns im Sektor der Halbleiterfertigung die kleinen Strukturbreiten fehlen. Schon deshalb, weil die Abnehmer, die größeren Hersteller von Unterhaltungselektronik, Computern und Smartphones schon lange nicht mehr in Europa sitzen, was zu beklagen ist. Deshalb ist auch der Entwurf dieser Chips abgewandert. Ob und wie dies zu ändern wäre, das zu klären sind wir als Regionalverband zu klein, das muss auf europäischer Ebene entschieden werden, weshalb unsere enge Zusammenarbeit mit den übrigen europäischen Clustern auch so wichtig ist.
So mancher Automobilhersteller will unter dem Eindruck der Krise, aber auch, weil die Chips so wichtig für Elektrifizierung, für autonomes Fahren und die Differenzierung insgesamt geworden sind, jetzt die Chips im eigenen Hause entwickeln …
… was aus unserer Sicht in die richtige Richtung geht, das unterstützen wir, aber die Initiative muss von den Unternehmen selbst ausgehen.
Silicon Saxony hat als ein Zukunftsthema KI erkannt. Was tut sich in dieser Hinsicht in Sachsen?
Die Verbindung von KI und Mikroelektronik sehen wir in der Tat als ein vielversprechendes Zukunftsthema an, das wir besonders fördern, und hier gibt es auch Erfolge. So hat Infineon vor eineinhalb Jahren sein Entwicklungszentrum für KI hier gegründet, das insbesondere auf KI im Automotive-Sektor den Schwerpunkt legt. Auch Startups wie SpiNNCloud Systems sind hier entstanden, die wiederum ihre Tape-outs bei Globalfoundries fertigen lassen. Mit den klassischen Architekturen wird auf Dauer nicht mehr viel gehen, deshalb müssen wir uns um diese Technologien besonders kümmern. Selbstverständlich gibt es noch mehr, etwa die Robotik, wir sprechen schon vom Robot Valley in Sachsen. Die bereits erzielten Automatisierungserfolge im Sektor der Halbleiterfertigung strahlen hier aus, wie die Firma Wandelbots zeigt.
Ein immer wieder beklagtes Thema ist der Stand der Mobilfunkabdeckung sowie der mangelhaften Kommunikationsinfrastruktur im Allgemeinen. Beschäftigt sich Silicon Saxony auch mit diesem Problem?
Diese Infrastruktur ist die Voraussetzung dafür, dass all die neuen Technologien und Geschäftsmodelle funktionieren können. Deshalb freuen wir uns besonders darüber, Vodafone als 375. Mitglied von Silicon Saxony begrüßen zu dürfen.
Was kann Silicon Saxony denn in der konkreten Alltagsarbeit tun, um die vielfältigen Ziele zu erreichen?
Wir haben das Ohr ganz nah bei unseren Mitgliedern, der direkte persönliche Kontakt ist entscheidend. Wir hören genau zu, was sie uns sagen.
Stehen die Unternehmen nicht sowieso im regen Austausch untereinander?
Sie würden sich wundern, wie viele Unternehmen aus der Mikroelektronikbranche ihre Zulieferer und ihre Kunden in Sachsen noch nicht kennen. Es besteht immer wieder Vernetzungspotenzial. Das zu erkennen und auszuschöpfen übernehmen wir, das ist eben sehr viel mehr, als die Mitglieder nur über Verteilerlisten anzusprechen. Deshalb haben wir bei 375 Mitgliedern auch 13 Mitarbeiter. Wir sorgen zudem für die internationale Vernetzung. Außerdem verstehen wir uns als die Stimme der KMUs und sorgen dafür, dass sie im Wettbewerb mithalten können. Insgesamt sind wir dafür der Katalysator und sorgen für das passende Umfeld.
Können sie ein Beispiel dafür nennen?
Ganz zu Beginn von Corona haben wir Einkaufsgemeinschaften für Masken und Schnelltests gebildet, um gemeinsam über Großbestellungen günstiger einkaufen zu können. Das hat den Unternehmen tausende Euro gespart.
Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?
Dass die Vorhaben jetzt sehr schnell auf der Bundes- und der Europaebene umgesetzt werden und ein Bewusstseinswandel unter den Anwendern von Mikroelektronik spürbar wird, der sich in Kooperationen niederschlagen sollte. Außerdem wäre ein Commitment zu der Mikroelektronikindustrie auf europäischer und Bundesebene erforderlich, und zwar ein langfristiges.