In 20 Jahren ist Silicon Saxony zum größten Mikroelektronik-Cluster in Europa aufgestiegen. Frank Bösenberg, Leiter der Geschäftsstelle Silicon Saxony, erklärt im Interview mit Markt&Technik, welche Ziele der Verband in den kommenden Jahren erreichen will.
Markt&Technik: Silicon Saxony feiert den 20. Geburtstag – und kann auf eine Erfolgsgeschichte zurückblicken, die ihresgleichen sucht: Sachsen ist inzwischen das größte Elektronik-Cluster in Europa. Welche Ziele setzt sich Silicon Saxony für die kommenden Jahre?
Frank Bösenberg: Wir sind aktuell das größte Mikroelektronik-Cluster in Europa mit 375 Mitgliedern; hier wollen wir weiter auf rund 750 Mitglieder wachsen. Darüber hinaus hat uns die European Cluster Excellence Initiative (ECEI) zum vierten Mal die „Gold-Label“-Zertifizierung verliehen, was noch kein deutsches Cluster geschafft hat und worauf wir besonders stolz sind. Darauf wollen wir uns natürlich nicht ausruhen. So arbeiten wir gerade eine Strategie aus, um die Zahl der Beschäftigten in der Elektronik- und Softwareindustrie von aktuell 70.500 bis 2030 auf 100.000 zu erhöhen. Dann wären wir die größte Branche in Sachsen und hätten Automotive mit aktuell rund 90.000 überholt.
Wo werden die Arbeitskräfte herkommen?
Das ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit: Wir unterstützen alle Maßnahmen für die Aus- und Weiterbildung sowie – ganz wichtig – auch die Umschulung von Arbeitskräften. Wir zeigen in der Öffentlichkeit, dass das Elektronikumfeld interessante Chancen für Berufseinsteiger bietet und dass sich dort vielfältige Karrierechancen öffnen. Dem Thema Fachkräfte widmen wir uns ganz besonders. Sachsen befindet sich wie andere Regionen auch in einem strukturellen Wandel; den wollen wir als Chance nutzen: Denn die Mikroelektronik und die Softwarebranche bieten zukunftssichere Jobs.
ußerdem bietet Sachsen ein attraktives Lebensumfeld, was Arbeitskräfte auch aus anderen Ländern anzieht. Die Zuwanderung wird ein wichtiger Faktor sein, um unser Ziel erreichen zu können. Weil der Mangel an Fachkräften in der IKT-Branche weiter zunehmen wird, werden wir unsere Fachkräftestrategie ständig weiterentwickeln.
Sieht sich Silicon Saxony in Konkurrenz zu anderen europäischen Clustern?
Ganz und gar nicht, wir arbeiten mit allen anderen relevanten Standorten in Europa zusammen und stimmen uns monatlich ab, denn die Branche ist so komplex, dass die großen Probleme nur auf europäischer Ebene gelöst werden können.
Ein Problem dürfte sein, dass Europa trotz vieler großen Ankündigungen über die vergangenen 30 Jahre seinen Marktanteil in der IC-Fertigung nicht erhöhen konnte, sondern stetig verloren hat. Wie kann der Trend umgekehrt werden – um von 9 Prozent auf 20 Prozent zu kommen, wie das offizielle Ziel lautet?
Das sieht insgesamt zunächst nicht nach einem Erfolg aus, aber es hat sich in den vergangenen Jahren sehr viel verändert: 2016 wurde das erste Project of Common European Interest (IPCEI1) gestartet, weil die EU schon lange vor Corona und dem Chipmangel die strategische Bedeutung der Halbleiterindustrie erkannt hatte. Die Mikroelektronik war die erste Branche, auf die das europäische Instrument IPCEI angewandt wurde. IPCEI dürfte mit ein Grund dafür sein, dass Bosch seine neue Fab für 1 Mrd. Euro hier und nicht in einer anderen Weltregion gebaut hat. Das wäre vor zehn Jahren noch nicht möglich gewesen. Und Bosch hat der ganzen Welt gezeigt, wie gut der Neubau einer Fab hier funktioniert: Sie konnte sogar schneller fertiggestellt werden als geplant. Die Genehmigung wurden ebenfalls schnell erteilt, alle Behörden spielten mit. So etwas macht das Cluster noch attraktiver.
Wo gibt es immer noch Verbesserungsbedarf?
Bisher war Europa immer gut in Ankündigungen. Leider ist Europa vor allem eine schnelle Umsetzung schuldig geblieben. Seit einigen Jahren sieht die Politik die strategische Wichtigkeit der Halbleiter für die Souveränität, wie IPCEI1 zeigt. Jetzt haben der Chipmangel und seine Auswirkungen auf die Automobilindustrie und andere Branchen den Fokus noch einmal auf das Thema gelenkt. IPCEI1 war ein guter Anfang, jetzt kommt es darauf an, in der Umsetzung noch schneller zu sein. Denn die anderen Regionen in der Welt erkennen auch, was getan werden muss, deshalb steigen die Investitionen in China, in den USA, Taiwan, Japan und Südkorea massiv. Die Welt wartet nicht auf Europa.
Werden Intel und TSMC kommen?
Der Ministerpräsident hat öffentlich erklärt, dass Gespräche mit Intel im Gang sind, mehr kann ich dazu im Moment nicht sagen.