Eine der Spezialitäten von X-Fab ist die Produktion von MEMS. Die dort gewonnenen Erfahrungen lassen sich auf die Produktion von photonischen ICs heranziehen – ein vielversprechender Markt, in den X-Fab jetzt vorstoßen will, wie CEO Rudi De Winter im Interview mit Markt&Technik erklärt.
Markt&Technik: Derzeit gelten Photonic Integrated Circuits, kurz PICs, als ein vielversprechender Markt für die Zukunft. Große Halbleiterhersteller arbeiten genauso daran wie Startup-Unternehmen. Ist das für X-Fab als Foundry ebenfalls ein interessanter Markt?
Rudi De Winter: X-Fab ist stark in der Fertigung von MEMS engagiert. Die Prozesse, die für die Produktion von MEMS erforderlich sind, ähneln denen für PICs. Deshalb beschäftigen wir uns schon seit über fünf Jahren mit den PICs. Heterogene Integration ist hier das Stichwort. Wir können CMOS-Prozesse mit Prozessen für die Fertigung von MEMS und Waveguides kombinieren, das schafft einen starken Differenzierungsfaktor. Wir arbeiten beispielsweise mit Firmen zusammen, die Waveguides auf Basis von SiN entwickeln, die kaum Verluste (Einfügedämpfung) aufweisen. Sie eignen sich für den Einsatz überall dort, wo praktisch keine Photonen verloren gehen dürfen, etwa in Quantencomputern und in LiDAR-Geräten. Auf der Ebene der Entwicklung und des Prototypings geschieht dort gerade sehr viel. Wir sind allerdings noch nicht in Produktion.
Die großen Stückzahlen sind dort im Moment auch nicht zu erwarten?
In den angesprochenen Märkten kurzfristig nicht. Dafür haben derzeit Datenzentren und das High Performance Computing starken Bedarf: Sie wollen so viele Daten wie möglich übertragen, das können nur hochintegrierte optische Transceiver. Um die Übertragungsraten weiter zu steigern, spielen die PICs eine immer wichtigere Rolle, denn die geforderten Leistungen sind nur noch mit einer Kombination aus integrierten optischen und elektronischen Elementen auf einem Chip zu schaffen. Dazu haben wir – wie gesagt – schon jahrelang Vorarbeit geleistet, jetzt kommt uns der HPC-Boom entgegen. Unser Ziel ist es, rasch in den Markt für optische Transceiver vorzudringen. Wie es derzeit aussieht, wird sich auch die Nachfrage aus den übrigen, heute eher als Nischen anzusehenden Marktsektoren ebenfalls beschleunigen.
Wie sie bereits erwähnt haben, kommt es bei der heterogenen Integration auf die Zusammenarbeit mit Partnern an, weil so viele unterschiedliche Technologien kombiniert werden müssen. Können Sie Beispiele für Kooperationen nennen?
Erst Anfang April haben wir auf der 50. Optical Fiber Communication Conference in San Francisco eine Kooperation mit SMART Photonics, einer Foundry für Integrated Photonics auf Basis von InP, und dem Design-Haus Epiphany Design bekanntgegeben. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit entwickeln wir auf Basis unserer SOI-Technologie neue heterogen integrierte photonische Plattformen, die es ermöglichen, Transceiver für Datenzentren mit Übertragungsraten von mehreren Tbit/s zu realisieren. Dabei kommt die Micro-Transfer-Printing (MTP)-Technologie von X-Celeprint zum Einsatz, über die sich das Packaging der photonischen Komponenten vereinfachen lässt. Beispielsweise lassen sich so Photodetektoren effektiv in die Low-Loss-SiN-Plattform integrieren. Damit können optische Transceiver in hohen Stückzahlen kostengünstig hergestellt werden. Die Kombination aus SOI und InP führt zu hohen Datenraten bei einer sehr effizienten Energieaufnahme, wodurch sich die Systemleistung erhöht. Zudem können die Transceiver mit neuen Funktionalitäten ausgestattet werden. Epiphany Design hat auf der OFC-Konferenz in San Francisco den Demonstrator eines Transceivers vorgestellt, der auf Basis des InP- und SOI-Designflow gebaut wurde. Implementiert ist der Design-Flow im »IPKISS«-EDA-Tool von Luceda Photonics.
Welche Rolle spielen EU-Projekte zur Förderung der Produktion photonisch integrierter Chips in Europa?
Grundlage für unsere Kooperationen ist das europäische Projekt »photonixFAB«. Im Rahmen dieses EU-Projekts sollen Pilotlinien und Lieferketten für SOI-Silizium-Photonik und für InP-Chiplets, die mit Hilfe von Mikro-Transferdruck-Techniken (MTP) auf SOI- und SiN-Photonik-Wafer integriert werden können, etabliert werden. Dazu wird X-Fab die Hochvolumenfertigung auf Basis der SOI-Plattform für die PIC-Produktion von Imec in die eigene 200-mm-Linie integrieren. In diesem Projekt dabei ist auch Ligentec, die sich auf die Entwicklung von Low-Loss-SiN-Waveguides spezialisiert hat. Auf dieser Basis bietet Ligentec verschiedene Module für die heterogene Integration an. Sitz des Unternehmens ist in der Nähe von Lausanne in der Schweiz, das französische Büro befindet sich ganz in der Nähe unserer französischen Fab in Corbeil-Essonnes, wo X-Fab die PICs von Ligentec produziert.
Das Hauptgeschäft für X-Fab ist derzeit aber immer noch Automotive?
Ja, unsere Spezialität sind Hochvolt-CMOS-ICs, für deren Fertigung auch BCD und SOI kombiniert werden. Diese BCD-on-SOI-Prozesse sind prädestiniert für smarte Aktuatoren und smarte Drivers.
Wir können Power-SOI-Komponenten bis zu 400 V fertigen und sie mit eingebetteter Logik und embedded Flash kombinieren. Zudem legen wir sie so aus, dass sie auch mit den hohen Temperaturen in Automotive-Umgebungen zurechtkommen. Diese Kombination ist einzigartig!
Mit Hilfe welcher Prozesse gelingt es, die ICs so robust zu machen?
Wegen der hohen Ströme, die in Kraftfahrzeugen geschaltet werden müssen, ist es entscheidend, dass die ICs sehr robust ausgelegt werden. Das gelingt, indem wir die Transistoren rundum mit einem Dielektrikum isolieren. Damit werden die Schaltungen sehr viel verlässlicher, als es mit eindiffundierten Isolierwannen möglich wäre. Außerdem vereinfacht sich der Aufbau der Architekturen der ICs, die für den Einsatz in Autos und im Industrieumfeld ausgelegt sind. Zwar sind die BCD-on-SOI-Wafer, die wir für unsere Prozesse benötigen, teurer als die für die klassischen Verfahren, aber die Vorteile der höheren Zuverlässigkeit und des einfacheren Aufbaus der Schaltungen überkompensieren das deutlich, so dass die Anwender mit den Komponenten, die in unseren Fabs produziert werden, ihre Kosten deutlich reduzieren können.
Mit welchen Strukturgrößen werden die ICs derzeit gefertigt?
Gestartet sind wir vor über 20 Jahren mit 1 µm. Seitdem haben wir kontinuierlich an der Verbesserung der Prozesse gearbeitet, um höhere Spannungsfestigkeiten zu erreichen. Gleichzeitig haben wir die Strukturen verkleinert. Jetzt fertigen wir SOI-BCD-Komponenten mit Strukturgrößen von 110 nm und 180 nm. Diese Chips sind klein, und das Power-Handling verbessert sich, so dass sie sich beispielsweise für den Einsatz in kleineren Motoren eignen.
Welche neuen Entwicklungen treibt X-Fab auf dem Gebiet der Wide-Bandgap-Technologien voran?
Wir beschäftigen uns mit GaN in unserer Fab in Dresden und mit SiC in der Fab in Lubbock/Texas. Uns kommt entgegen, dass die Kosten für diese Substrate fallen. Dass wir damit die Leistungsfähigkeit steigern und die Größen der Chips reduzieren können, führt erstens zu signifikanten Kostenersparnissen für die Anwender, und zweitens können mit diesen Komponenten ganz neue Einsatzfelder und Märkte erschlossen werden. Hier sehe ich ebenfalls noch viel Potenzial für die Zukunft.
Was sehen sie als entscheidende Faktoren für den künftigen Erfolg von X-Fab an?
Wir müssen technologisch immer ganz vorne mitspielen, um die Produkte der neuesten Generationen fertigen zu können. Innovationen sind alles in der Halbleiterindustrie, das macht sie ja auch so spannend. Außerdem kommt es darauf an, Ökosysteme um die neuen Technologien herum aufzubauen, denn keiner kann alles allein. Aus meiner Erfahrung – ich habe auch lange einen fabless IC-Hersteller geführt – ist es auch sehr klug, immer einen Plan B in der Hinterhand zu haben, denn Vorhaben, die anfangs sehr attraktiv erscheinen, lassen sich in der Realität nicht immer umsetzen. Was mich optimistisch stimmt: X-Fab verfügt über viele der Technologien, die erforderlich sind, um beispielsweise die CO2-Reduzierung und die Elektrifizierung voranzutreiben. Dazu zählen unsere HV-CMOS-Prozesse und neue Materialien wie SiC und GaN. Ich bin überzeugt, dass künftig viel mehr Materialien als Silizium eine tragende Rolle spielen werden, um die neuen Anforderungen an die Chips erfüllen zu können. Hierfür ist die heterogene Integration unerlässlich – alles Felder, in denen wir unsere Innovationen vorantreiben.
Wir müssen über die Grenzen der heutigen ICs hinausdenken – bis hin zum „Lab-on-Chip“, das beispielsweise der Medizintechnik und dem Gesundheitswesen einen neuen Schub geben könnte. Wie gesagt, ich sehe noch viel Potenzial für die Zukunft!