TDK hat vor einigen Jahren mit CeraCharge eine auf keramischer Vielschicht-Technologie basierende Batterielösung vorgestellt. Es hat Jahre gedauert, bis diese Technologie erste Kunden am Markt fand. Waren Sie mit diesem Produkt einfach zu früh dran?
Ja, wir waren mit dieser Basisinnovation vor einigen Jahren wirklich früh dran. Es handelt sich um eine Technologie, die nicht nur von der Bauform ihrer Speicherprodukte her sehr klein ist, sie ist auch nur in der Lage, geringe Energiemengen zu speichern. Das Produkt größer zu machen, um ihm mehr Applikationen zu öffnen, hätte ja den ursprünglichen Gedanken komplett auf den Kopf gestellt. Letztlich waren wir mit dem Produkt früher am Markt als die geeigneten Applikationen, zu denen heute beispielsweise True-Wireless-Stereo-Kopfhörer-Lösungen oder auch Hörgeräte zählen. Aber auch ohne das Produkt in seinen Abmessungen zu vergrößern ist es uns in den letzten Jahren gelungen, die Ladungsmenge zu steigern. Das trägt sicher zur Steigerung der Marktakzeptanz bei.
Seit Jahren beschäftigt sich die Branche mit dem Einstieg in Halbleiterfertigungstechnologien, um so die Funktion passiver Bauelemente abzubilden und die Integration weiter voranzutreiben. Es gibt bereits verschiedene Beispiele dafür. Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung?
Im Kern geht es bei diesen Anstrengungen ja immer darum, den Footprint der Bauelemente zu reduzieren. Es kommt immer darauf an, ob dafür ein entsprechender Markt vorhanden ist, der ein solches Produkt in großer Stückzahl nachfragt. Sehen Sie sich das Beispiel einer TVS-Diode an. Eigentlich wäre das vom Ansatz her das perfekte Produkt, um es gleich mit auf den Halbleiter zu integrieren. Der Markt bevorzugt aber die diskrete TVS-Diode, um den Platz auf dem Wafer für den Chip optimal auszunutzen. Außerdem sehe ich das Problem, dass es sich bei solchen auf Halbleitertechnologie basierenden »passiven Bauelementen« dann wieder um Single-Source-Lösungen handelt, mit allen möglichen Problemen, die bekannterweise damit verbunden sein können. Ich gehe davon aus, dass neben Nischenanwendungen die klassischen diskreten Bauelemente auch in Zukunft den Markt ganz klar dominieren werden.
Vor Kurzem fand die IAA in München statt. Wie stellt sich für Sie nach den Verwerfungen der letzten Jahre das deutsche und europäische Automotive-Geschäft dar?
Wir haben aktuell eine Bedarfsdelle, das gilt nicht nur für den deutschen Automobilmarkt. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit hohen Inflationsraten, einer sich insgesamt verschlechternden wirtschaftlichen Lage, die allgemeine geopolitische Lage, der inzwischen fast zwei Jahre andauernde Krieg in der Ukraine, das sind alles Faktoren, die Käufer verunsichern und die Neuanschaffung eines Autos hinauszögern können. Dazu kommt der Übergang vom Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb, der auch das Potenzial hat, Käufer zu verunsichern und ihre Kaufentscheidung aufzuschieben. In China und den USA wird deshalb mit deutlichen Preisreduzierungen versucht, den Autoabsatz anzukurbeln, ein Vorgehen, das wir in Europa wohl nicht sehen werden.
VW drosselt aktuell die Produktion von E-Autos in Deutschland. Chinesische Hersteller drängen mit preiswerten Modellen auf den deutschen und europäischen E-Auto-Markt. Droht sich das Schicksal der europäischen Solar-Industrie zu wiederholen?
Ich kommentiere keine Managemententscheidungen von Kunden, aber wir gehen davon aus, dass bis 2030 gut 50 Prozent aller weltweit produzierten und zugelassenen Neufahrzeuge elektrisch fahren. Bis dahin rechnen wir mit einer dynamischen Entwicklung im Bereich der Elektrofahrzeuge. Was nach Erreichen der Hälftigkeit passiert, lässt sich schwer abschätzen, schließlich muss die Ladeinfrastruktur mit dieser Entwicklung mitziehen. Ich gehe derzeit von einer dann deutlich abflachenden Steigerung aus. Schließlich ist nicht auszuschließen, dass es auch nach 2035 einen gewissen Anteil an neu produzierten Autos mit Verbrennungsmotor geben wird. Das ist letztlich eine Entscheidung der Politik.
Was das Thema China angeht: Wir sind ein international tätiger Lieferant. Aber wir müssen in Zukunft flexibler werden, wir müssen in China mehr tun! Für uns heißt das konkret, wir werden unsere Design-Aktivitäten in China für China verstärken. Ich denke aber auch, dass die über 100 Jahre alte europäische Automobilindustrie, anders als die damals noch junge Solarbranche, genügend Substanz hat, um die richtigen Schlüsse aus dem sich vollziehenden Transformationsprozess zu ziehen und sich entsprechend aufzustellen.
Gibt es bei der E-Mobility noch einen Weg zurück? Welche Bedeutung wird dann das Automotive-Geschäft unter den veränderten Rahmenbedingungen für TDK haben?
Nein, es gibt für mich keinen Weg zurück! Die Investitionssummen, die bislang bereits weltweit in diese Transformation geflossen sind, sind gigantisch. Wir sind als TDK breit aufgestellt, wir sind in der Lage, die verschiedensten Bereiche eines durchgehend elektrifizierten Fahrzeugs zu beliefern. Das reicht von der Umrichtertechnik bis zur Sensorik. Denken Sie dabei auch an die besonderen Herausforderungen durch die Wide-Bandgap-Technologie bei den Leistungshalbleitern und die damit verbundenen Herausforderungen für die Hersteller passiver Bauelemente! Man darf auch nicht unterschätzen, in welchem Maße Infotainment und Kommunikation sich immer mehr im Automotive-Umsatz niederschlagen.
Wobei ich sagen muss, bei all den Zukunftstrends im Automobilbereich glaube ich am wenigsten daran, dass wir in Zukunft voll autonom fahren werden. Das wird aber weniger an technischen Aspekten scheitern als am Verhalten und den Wünschen der Fahrer und letztlich, wo man die Verantwortlichkeit verankert. Im Flugverkehr gibt es schließlich auch noch Piloten, obwohl schon sehr viel autonom möglich wäre.
Eine letzte Frage zum Dauerbrenner Fachkräftemangel in Deutschland: Trifft Sie das als weltweit tätiges Unternehmen im gleichen Maße wie deutsche Mittelständler, oder gleichen Sie das schlicht über weltweites Recruiting aus?
Das hängt stark von der Region ab. Wenn wir in München einen IT-Mitarbeiter suchen, stehen wir vor denselben Problemen wie alle anderen Unternehmen in diesem Ballungsraum. Ansonsten würde ich sagen, das ist für uns bislang kein superkritisches Thema. Wenn wir etwa nach Japan blicken, dann befinden sich wichtige große TDK-Fertigungszentren zum Beispiel in Akita und damit auch nicht in unmittelbarer Nähe einer großen Metropole, und die Kollegen in Japan haben bislang noch keine wirklichen Schwierigkeiten, auch ihre hochqualifizierten Stellen gut zu besetzen.