Weniger ausgeschrieben Stellen, stellenweise Hiring Freeze, hier und da Kurzarbeit: Mit der schwächelnden Konjunktur hat auch der Jobmarkt für Ingenieure an Kraft verloren. Wie beurteilen Arbeitsmarktexperten und Arbeitgeber die Situation? Ist der Arbeitnehmermarkt vorbei?
Mit der schwächelnden Konjunktur hat auch der Jobmarkt für Ingenieure an Kraft verloren. Gemessen am Stellenangebot steht er zwar noch deutlich besser als vor Corona da, aber schlechter als vor zwei Jahren, sagt Dr. Annina Hering, Senior Economist bei Indeed. Aber der breite Arbeitnehmermarkt scheint erstmal vorbei:
»Durch die wirtschaftliche Lage und durch den Transformationsdruck fokussieren sich die Arbeitgeber stärker auf Business-kritische Stellen und Zukunftsbereiche und sieben daher auch wieder mehr aus. Formale Qualifikationen und technische Kompetenzen von gestern sind nicht unbedingt dieselben, die für die Zukunft erforderlich sind. Hier müssen sich selbst gut qualifizierte Ingenieure hinterfragen, ob sie richtig aufgestellt sind.«, so Hering.
Für die kommenden Monate sieht Hering »noch keine Anzeichen einer Erholung des Stellenmarktes« und zieht als Indikator für diese Prognose den Rückgang an ausgeschriebenen Stellen in der Personalbranche heran. »Wenn Unternehmen in der Personalabteilung sparen, dann planen sie offensichtlich keine großen Neueinstellungen – auch nicht im Ingenieursbereich.«
Der Status quo: weniger Stellenangebote, zurückhaltende Besetzung bzw. Aufschub bis hin zu »Hiring Freeze« und - ja - auch wieder Kurzarbeit. Dabei stehen Arbeitgeber vor der undankbaren Managementaufgabe, Kosten sparen zu müssen, ohne gleichzeitig den strukturellen Ingenieurmangel und den Mehrbedarf für den Aufschwung zu vergessen.
Das bestätigt auch der Blick von Arbeitsmarktexperte Ingo Rauhut vom VDI in den aktuellen VDI/IW-Ingenieurmonitor. Der konjunkturelle Einbruch zeige sich zwar in den Zahlen. Aber die Gesamtzahl an offenen Stellen lag im 4. Quartal 2023 mit 159.100 eben immer noch weit über dem Niveau des vierten Quartals 2019, also vor der Corona-Krise. »Hier werden der demografische Wandel und der enorme Investitionsbedarf in zukunftsträchtigen Branchen deutlich«, so Rauhut, und verweist auf den »enormen Bedarf« in Ingenieurberufen, die einen Beitrag zur digitalen Transformation sowie zur Bewältigung des Klimawandels leisten. Also zuvorderst Informatiker- und Elektroingenieurberufe. Die aktuelle »leichte Zurückhaltung« in einigen Branchen wie Automobil sei aber »insbesondere den aktuellen multiplen Krisen in der Welt geschuldet, die auch nach Corona Energie- und Rohstoffpreise verteuern und bisher etablierte internationale Wertschöpfungsketten gefährden«.
Denn an den Megatrends Digitalisierung und Individualisierung ändere ja auch die aktuelle (Wirtschafts-)lage nichts Grundlegendes, fasst der Geschäftsführende Gesellschafter von Inpotron, Hermann Püthe, zusammen – »deshalb kommen ja auch wieder gute Zeiten« – und gibt damit auch die Stimmung in der Branche wieder.
Aktuell jedoch muss der Stromversorgungsspezialist bereits seit Mitte 2023 »auch mental« einen Zustand verkraften, den es für Inpotron seit der Finanzkrise nicht mehr gegeben habe: Rückgang statt jährlicher zweistelliger Zuwachsraten. Aktuell hat Inpotron keine Stellen ausgeschrieben. Das Personal sei informiert, werde mitgenommen und »wir behalten unsere grundsätzliche Wachstumsstrategie natürlich bei«. Die Stimmungslage jedoch nicht in ein depressives »Hoffentlich wird es bald besser!« eskalieren zu lassen sei jetzt wichtige Führungsaufgabe, sagt Unternehmer Püthe.
Einen Vorteil hat die Rezession für Inpotron immerhin gehabt: Alle vakanten Stellen habe man in den letzten Monaten »sehr gut besetzen« können, das Angebot an gut qualifiziertem Personal sei größer geworden. Somit sei die aktuelle Zeit auch eine Chance, »soweit man es sich leisten kann und möchte«.