Embedded-Branche optimistisch

KI und 5G erschließen neue Märkte

19. Juni 2023, 9:00 Uhr | Tobias Schlichtmeier
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Auf dem Roundtable »Embedded-Systeme« der Markt&Technik diskutierten Vertreter der Embedded-Branche aktuelle Themen. Zum Beispiel, inwieweit KI-Applikationen bereits von Kunden nachgefragt werden. Einiges zu besprechen gab es zudem beim Thema 5G, denn hier könnten sich neue Märkte erschließen.

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Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Trend, welcher die Industrie seit mehreren Jahren umtreibt. Anfangs als Spielerei angesehen oder in der Forschung interessant, entwickelt sie sich mehr und mehr zum täglichen Begleiter – im Privatleben sowie im Arbeitsalltag, angefangen beim Smart Home über Konsumgüter wie die Smart Watch bis hin zur »intelligenten« Maschine in der Produktionshalle.

Interessant ist KI inzwischen ebenso für die Embedded-Branche. Fraglich ist, inwieweit Hersteller fertige KI-Applikationen anbieten können und ob sie bereits von Kunden nachgefragt werden. Eng verzahnt ist damit zudem die Frage nach der entsprechenden Software, mit der Hardware-Hersteller ihr Geschäft ergänzen müssen, und ob sie dafür auf Kooperationen mit Software-Firmen setzen oder diese selbst entwickeln.

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Thomas Kaminski, Advantech: »Wir haben lokale Software-Kompetenzzentren aufgebaut. Sie widmen sich dem Erstellen und Anwenden von KI-Modellen.«
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Thomas Kaminski, Director Product Sales and Marketing Management bei Advantech, sieht ein starkes Wachstum von KI-Applikationen am Markt. Derzeit stärkster Anbieter mit einer großen Community sei Nvidia. Intel versuche zwar zu Nvidia aufzuholen, indem es seine »OpenVino«-Infrastruktur weiter ausbaut, gelungen sei das jedoch bislang nicht.

Advantech setze derweil stark auf Kooperationen, um KI-Applikationen anbieten zu können. »Wir versuchen, die nötige Struktur zu schaffen, und haben hierfür lokale Software-Kompetenzzentren aufgebaut. Sie widmen sich dem Erstellen und Anwenden von KI-Modellen und unterstützen Kunden beim Entwickeln«, so Kaminski.

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Dirk Finstel, Seco Northern Europe: »Die Inferenzmodelle für KI liefern wir mit, denn lediglich wenige Kunden kennen sich hiermit aus.«
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Mit der Software-Suite »Clea« habe Seco eine starke Software-Plattform geschaffen, berichtet Dirk Finstel, Geschäftsführer von Seco Northern Europe. Seco erziele bereits neun Prozent des Umsatzes mit Software. »Gerade in Europa wird die IoT-Suite Clea sehr stark angenommen, über alle vertikalen Märkte hinweg. Die Inferenzmodelle für KI liefern wir gleich mit, denn lediglich wenige Kunden kennen sich hiermit aus«, so Finstel.

Genau wie Thomas Kaminski schätzt auch er Nvidia als Marktführer im Bereich KI ein: »Nvidia ist deshalb so stark, weil sie vorgefertigte Modelle für KI haben und dem Endapplikationsentwickler die Arbeit abnehmen. Wenn wir in diesen Markt einsteigen wollen, müssen wir das ebenfalls anbieten«, erklärt Finstel.

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Martin Steger, iesy: »Viele unserer Kunden werden in den nächsten zwei bis drei Jahren gezwungen sein, KI-Wissen aufzubauen.«  
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Laut Martin Steger, Geschäftsführer von iesy, ist KI ein sehr großer Treiber für Embedded-Computertechnologie in den nächsten Jahren. Für viele große Unternehmen könne es essenziell sein, sich Wissen in diesem Bereich anzueignen. »Viele unserer Kunden werden in den nächsten zwei bis drei Jahren gezwungen sein, KI-Wissen aufzubauen«, meint Steger.

Er zieht einen Vergleich mit dem Cloud-Know-how vor etwa fünf Jahren. Auch damals sei vielen nicht klar gewesen, wie viel Wissen es brauche, um alle Schnittstellen bedienen zu können. »Viele unserer Kunden stellten damals fest, es reicht, wenn ich mir Wissen zukaufe«, so Steger. Ob sich das bei KI ähnlich entwickle, sei noch nicht abzusehen, meint er.

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Ina Schindler, Microsys Electronics: »KI-Prozessoren des israelischen Herstellers Hailo sind eine sehr interessante Alternative zu Nvidia.«
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»Wir können uns mit CPUs von Nvidia differenzieren«, berichtet Ina Schindler, Co-Geschäftsführerin bei Microsys Electronics. »Gerade für unsere Marktsegmente Luft- und Raumfahrt oder Baumaschinen ist KI ein großes Thema. Hierfür haben wir die ‚Artificial Intelligence Platform’, kurz: AIP, geschaffen.

Sie basiert auf zwei NXP-Prozessoren, zum einen dem LX2160, einem Sechzehnkern-Prozessor, den wir als Edge-Plattform einsetzen, sowie dem S32G-Vehicle-Network-Prozessor. Zudem setzen wir KI-Prozessoren des israelischen Herstellers Hailo ein, sie sind sehr interessant als Alternative zu Nvidia«, so Schindler weiter.

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Richard Pinnow, Adlink Technology: »Wir müssen ein gemeinsames Ökosystem aufbauen, damit wir von den Megatrends wie KI und Cloud profitieren können.«  
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Standards für Software in der Diskussion

Für Richard Pinnow, Business Development Manager Modules bei Adlink Technology, ist es dagegen sehr wichtig, Standards für Software zu diskutieren. Software-Stacks müssten so agnostisch sein, dass Entwickler sie auf jedem beliebigen Computermodul ausführen können, egal welchen Herstellers.

»Von Arm gibt es zum Beispiel die ‚SystemReady’-Plattform – die Grundidee ist, ein Ökosystem zu schaffen sowie eine Community zu gründen, um Netzwerk­effekte zu nutzen. Das können wir lediglich, wenn wir Software-Standards fördern«, erklärt Pinnow. »Wir müssen in den nächsten drei bis fünf Jahren ein gemeinsames Ökosystem aufbauen, damit wir von den Mega­trends wie KI und Cloud profitieren können«, meint er.

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Silas Renner, Hy-Line: »Im Maschinenbau hat sich bereits OPC UA bei den Datenschnittstellen als Standard fest etabliert.«
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Dirk Finstel meint, im Endeffekt sei die Idee, die Programmierschnittstelle zu standardisieren – das sei jedoch ein schwerer Weg. Nvidia habe mit »Cuda« in über 20 Jahren eine Community aufgebaut, die lediglich schwer zu knacken sei – 90 Prozent aller KI-Inferenzen können mit Cuda laufen, es werde schwer sein, andere Technologien durchzusetzen.

»Wichtig ist außerdem, was die EU-Verordnung hinsichtlich KI ergibt, wenn sie finalisiert ist«, gibt Silas Renner, Business Development Manager bei Hy-Line, zu bedenken. Was das bezüglich Ethik, Nachverfolgbarkeit und Nachvollziehbarkeit von KI-Entscheidungen bedeutet, sei noch offen, so Renner. Im Maschinenbau habe sich bereits OPC UA bei den Datenschnittstellen als Standard fest etabliert, meint er. Entwickler können sich hier mit Low Code KI-Inferenzen zusammenbauen und für jedermann zugänglich machen. »Im Endeffekt braucht es lediglich die standardisierte Protokollschnittstelle, mit der man Daten vorverarbeitet«, so Renner.

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Christian Eder, congatec: »Die Building-Blocks werden immer größer und leistungsfähiger – in Zukunft fügen Entwickler KI-Funktionen über diese ein.«
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Letzten Endes laufe alles auf das Entmystifizieren von KI hinaus, meint Christian Eder, Director Product Marketing bei Congatec. »Mit dem immer breiteren Wissen ist KI kein Hexenwerk mehr«, so Eder. Zudem sei die Frage, ob die Embedded-Hersteller KI-Applikationen einkaufen oder selbst programmieren und ob sie mit Software-Partnern zusammenarbeiten oder nicht, meint Ina Schindler. »Microsys Electronics benötigt Partner, die uns unterstützen«, erklärt sie.

Auf verlässliche Partner setzen

KI sei skalierbar, meint Markus Mahl, Senior Product Marketing Manager Boards bei Avnet Embedded, und hebt damit einen großen Vorteil heraus. »Gerade neue Prozessoren wie der »i.MX 8M Plus« von NXP Semiconductors bieten KI-Funktionen über Neural-Processing-Units (NPUs) an. Wir müssen unsere Kunden hinsichtlich Software befähigen und Applikationsbeispiele für KI liefern.

Mit Avnet Embedded haben wir hierfür Software-Firmen zugekauft. Wir müssen mehr bieten als nur Betriebssysteme, wir müssen die Applikationsentwicklung vorantreiben. Mit Witekio als Software-Anbieter sind wir ab sofort im Bereich KI-Applikationen tätig – irgendwann ist das Standard«, ergänzt Mahl.

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Markus Mahl, Avnet Embedded: »5G wird neue Applikationen ermöglichen und zum Wachstum beitragen.«
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Ähnlich sieht es Christian Eder: »Die Building-Blocks werden immer größer und leistungsfähiger – in Zukunft fügen Entwickler KI-Funktionen über diese ein. Ich kaufe mir also größere, komplizierte Legosteine dazu«, erklärt Eder.

Peter Müller, Vice President der Product Line Modules bei Kontron, sieht das ähnlich: »Mit Kontron ist unser Ansatz in Sachen Software, primär mit Partnerschaften zu arbeiten.« Um Hardware verkaufen zu können sowie das Vertrauen des Kunden zu bekommen, müsse man im KI-Bereich eine Art Berater sein, so Müller weiter. Die finale Software-Applikation decke Kontron außerdem über Partner ab.

Müller Peter
Peter Müller, Kontron: »Mit Kontron ist unser Ansatz in Sachen Software, primär mit Partnerschaften zu arbeiten.«
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Als sehr wichtig bezeichnet auch Stefanie Kölbl, Geschäftsbereichsleiterin TQ-Embedded bei der TQ-Group, das Thema der Software. »Egal ob Machine-Learning (ML) oder KI, jeder Prozessor wirbt mit KI-Funktionen für sich. Gleiches gilt für Safety und Security – das sind die Schlagworte, die die großen CPU-Hersteller derzeit verwenden. Zurecht, denn immer mehr Kunden fragen danach«, so Kölbl.

Das Problem sei nicht die Hardware, sondern der Software-Support. TQ steige hier sehr tief in die Thematik ein, habe ein eigenes Team für Cloud-Software gegründet. So könne man dem Kunden alles aus einer Hand anbieten. »Das geht nicht immer bis zum Ende, hierfür haben wir uns die passenden Partner gesucht. Das Ziel ist, den Kunden bei der Software TQ-intern zu unterstützen – das ist der Game-Changer«, meint Stefanie Kölbl.

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Stefanie Kölbl, TQ-Group: »Das Ziel ist, den Kunden bei der Software TQ-intern zu unterstützen, das ist der Game-Changer.«
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Viel Potenzial für 5G-Applikationen

Doch nicht nur KI ist Treiber neuer Applikationen. Zunehmend kommen auch Anwendungen auf den Markt, die für 5G vorbereitet sein müssen. Ob das ebenso für die Embedded-Branche gilt und welche Voraussetzungen für 5G-Applikationen zu erfüllen sind, ist hierbei fraglich. Außerdem stellt sich die Frage, ob 5G ebenfalls einen Schub für Applikationen am Edge bringt.

»Unsere Verkaufsautomaten stehen an Orten, an denen es kein Ethernet oder WiFi gibt. Aus diesem Grund besitzen wir großes Know-how im Bereich der Funktechnik«, erklärt Dirk Finstel. Bezogen auf die Datenraten sei 5G jedoch noch deutlich teurer als LTE – daher müsse man erst Kunden finden, die die hohe Datenraten benötigen und deshalb die hohen Preise bezahlen möchten. Bei einigen Verkaufsautomaten habe Seco seine »Certified Payment Solutions« bereits ausgespielt und begonnen, auf 5G-Kommunikation umzustellen. So könne Seco zum Beispiel Werbe-Content gezielter und deutlich schneller aufspielen. Gleiches gelte für die Ladestationen, die Seco zusammen mit Intel plane. Auch hier ginge es um große Datenmengen, sei es zu Werbezwecken oder für den Bezahlvorgang.

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Albin Markwardt, compmall: »Unsere Hersteller sind dabei, Module und Zusatzmodule für 5G zu entwickeln.«  
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Christian Eder sieht den Antrieb bei 5G aufgrund der Echtzeitfähigkeit. Er betont: »Viele Unternehmen denken darüber nach, Kommunikation in Echtzeit aufzubauen. Wie schnell ein Kunde auf 5G umstellt, hängt davon ab, wie groß seine Probleme mit der Verkabelung sind. Ein großer Markt scheinen mir die privaten 5G-Netze zu sein, der auch für uns Embedded-Hersteller erreichbar ist.«


Richard Pinnow merkt an, dass Adlink Technology gerade im Bereich der autonomen mobilen Roboter (AMR) viel Potenzial für 5G sehe. »Einerseits lohnt sich hier der Aufbau eines Ökosystems, sprich: eines privaten 5G-Netzwerks. Zum anderen sehe ich einen großen Bedarf bei Logistik-Unternehmen, zum Beispiel in Warenlagern. Hier zählt, dass das System schnell ist«, so Pinnow. Auch die TQ-Group habe sich mit 5G befasst, erklärt Stefanie Kölbl. TQ sehe eine leichte Nachfrage bei Kunden von Nischenprodukten. »Ich denke, es wird noch einige Jahre dauern, bis sich 5G flächendeckend durchsetzt«, so Kölbl. Peter Müller möchte indes die verschiedenen Märkte differenziert betrachten. »Bei Kontron sind wir im Bahnsektor mit unserer Tochter in Frankreich sehr weit fortgeschritten im 5G-Sektor. Als einen der Wachstumsmärkte sehen wir aber innerhalb der Kontron auch die 5G-Befähigung unserer Produkte«, erklärt Müller.

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Helmut Artmeier, EFCO Electronics: »5G in Rechner einzubauen ist nicht kompliziert, da wir auf bestehende Module zurückgreifen können.«
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In der Breite noch nicht marktrelevant

Albin Markwardt, Geschäftsführer von compmall, kann das unterschreiben. »Unsere Hersteller sind dabei, Module und Zusatzmodule im Bereich der proprietären Funktionserweiterungen zu entwickeln. Ich denke, hier sehen wir dieses Jahr das ein oder andere Modul. Ich glaube, die Technik ist ein Stück weit besser angenommen als zuvor WiFi 6, hier hatten wir wenige Anfragen«, erklärt Markwardt.

»5G braucht noch eine lange Zeit, bis es sich in der Breite durchsetzt«, denkt Thomas Kaminski. Er sieht es als schwierig an, Applikationen für 5G bereits heute vorzubereiten, da die Chipsätze, wenn sie benötigt werden, nicht mehr Up-to-date seien. »Man hat das im letzten Jahr bei der Umstellung von 4G- auf 5G-Module gesehen, es gab viele Abkündigungen und Umstrukturierungen, was zu Verschiebungen im Markt geführt hat«, so Kaminski. Einen Fortschritt sieht er darin, wenn das 5G-Modul in die CPU integriert werde. Das werde vor allem bei RISC-basierten Modulen der Fall sein. Zudem sieht er dort Vorteile, wo es die Möglichkeit gebe, 5G-Funktionen per Lizenzen freizuschalten – hiermit werde auch die Akzeptanz steigen, meint Kaminski.

»5G wird neue Applikationen ermöglichen und zum Wachstum beitragen«, meint Markus Mahl. Gerade bei neuen, mobilen Applikationen, die eine schnelle Datenübertragung benötigen. 5G-Funktionen in einen Embedded-PC mitaufzunehmen sei nicht schwer. Das sei bereits Standard, die Schnittstellen seien vorhanden, so Mahl. Helmut Artmeier, Geschäftsführer der EFCO-Electronics-Niederlassung in Deggendorf, bestätigt das: »5G in Rechner einzubauen ist nicht so kompliziert, da wir auf bestehende Module zurückgreifen können. Wir sehen einzelne wenige Projekte, bei denen 5G als Feature gefordert ist. Alle anderen Kunden scheuen noch die Ungewissheiten, setzen noch viel mehr auf bestehende Konnektivitäten«, weiß Artmeier zu berichten. Ina Schindler sieht 5G-Applikationen bereits beim autonom fahrenden Lieferverkehr. »Spannend wird sein, wann sich die 5G-Technik durchsetzt und wann wir erste 5G-Applikationen entwickeln können«, so Schindler.


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