Halbleitermarkt für Automotive

2021, 2022, 2023: super; 2024: »nur« gut

12. Januar 2024, 7:41 Uhr | Iris Stroh
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Berechtigte Besorgnis bezüglich der Autopreise...

Also alles wie immer?

Nicht ganz, generell würde ich sagen, dass durchaus eine berechtigte Besorgnis darüber besteht, dass die Preise für Autos im Generellen so weit steigen, dass sich einige Verbraucher kein Auto mehr leisten können. Wir glauben, dass sich die Branche ernsthaft überlegen muss, wie sie die Fahrzeugpreise in den Griff bekommt. Das gilt natürlich insbesondere in Anbetracht der jüngsten UAW-Abschlüsse. Denn mit den dadurch gestiegenen Arbeitskosten werden die Fahrzeugpreise in den USA schätzungsweise um mehrere hundert Dollar erhöht. Das dürfte den Druck auf die ASPs der Komponenten und die Verwaltung der Lagerbestände noch weiter erhöhen. Dennoch: Eine der Lehren aus der Chip-Knappheit war, dass Lagerbestände dazu beitragen können, kurzfristige Versorgungsstörungen zu überstehen, wenn andere Märkte sich erholen und die Auslastung der Fabs zunimmt, und dass die Branchen, die bereit sind, höhere Preise zu zahlen, wieder an die Spitze der Unternehmen rücken, die von den Halbleiterherstellern als Erstes bedient werden.

2023 war in Deutschland viel von Lagerbereinigung zu hören, insbesondere die Zulieferindustrie ist durch die OEMs in Bedrängnis gekommen und versucht, ihre Lagerbestände zu reduzieren. Ist das ein deutsches, europäisches oder weltweites Phänomen? Und auf der Komponentenseite gibt es doch sicherlich Ausnahmen, oder?

Die Panikkäufe bei Halbleitern haben 2021 und 2022 zu hohen Lagerbeständen geführt, die bis heute anhalten. Dies gilt insbesondere für Analog-IC-Anbieter mit eigenen Fabs wie zum Beispiel Texas Instruments oder Microchip. Europa hat bereits begonnen, diese Bestände in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 abzubauen. In diesem Jahr erwarten wir weltweit eine Korrektur der Lagerbestände mit analogen Halbleitern – außer in China.

In der Summe gehen wir aber davon aus, dass die Lagerbestände an Automobilhalbleitern bis Ende dieses Jahres wieder niedrig sein werden.

Aber ich möchte noch auf einen anderen Punkt hinweisen: Wir haben immer davor gewarnt, dass es ein strukturelles Defizit an Fertigungskapazitäten für ausgereifte Halbleiterprozesse gibt. Im letzten Jahr gab es vermeintliche Überkapazitäten, weil die Nachfrage in anderen Industriezweigen wie Mobiltelefone und Konsumgüter abgedeckt war. Aber es besteht definitiv das Risiko, dass es erneut zu Lieferengpässen kommt, wenn die weltweite Halbleiternachfrage außerhalb der Automobilbranche wieder anzieht. Auch wenn die Nachfrage nach Mobiltelefonen nach wie vor rückläufig ist, außerhalb der Automobilindustrie steigt die weltweite Halbleiternachfrage jetzt wieder an, vor allem getrieben durch den Server-Markt, um generative KI zu unterstützen.

Wir gehen davon aus, dass es in diesem Jahr nicht zu Engpässen bei der Chipversorgung für PKWs kommen wird, einfach aufgrund der Tatsache, dass die Halbleiterhersteller ihre Lagerbestände abbauen werden – mit Ausnahme der alten DRAM-Technologien und der SiC-ICs, bei denen das Angebot kaum mit der boomenden Nachfrage Schritt halten kann. Von Vorteil ist in dieser Hinsicht auch, dass sich die Markteinführung mehrerer Batteriefahrzeuge in Europa von 2024 auf 2025 verschiebt, sprich: in das Jahr, in dem die neue Emissionsverordnung in Europa in Kraft tritt. Das heißt aber, dass im Jahr 2025 durchaus die Gefahr besteht, dass Lieferengpässe im Halbleiterbereich wieder in die Schlagzeilen rücken.

Denn die Lagerbestände dürften in diesem Jahr abgebaut werden, gleichzeitig dürfte die Nachfrage nach Halbleitern 2025 wieder zunehmen, weil in diesem Jahr auch die meisten Batteriefahrzeuge neu auf den Markt kommen werden – und diese Fahrzeuge haben einen wirklich hohen Halbleiteranteil. Das Problem wird auch dadurch verschärft, dass sich die Chip-Nachfrage in anderen Branchen erholt, und dadurch, dass die OEMs und Tier-Ones in diesem Jahr besonderen Druck auf ihre Chip-Lieferanten ausüben, die Preise zu senken. Ist das der Fall, wird die Automobilindustrie wie 2020 wieder am Ende der Warteschlange bei den Halbleiterunternehmen stehen.

Befürchten Sie, dass durch diese Lagerbereinigung, die wohl zum Teil auch über den grauen Markt erfolgt, die Automobilindustrie, zumindest ein Teil davon, in alte Verhaltensmuster zurückfällt, sprich: die meisten Halbleiter als Commodity-Produkt zu betrachten und dementsprechend nur auf den Preis zu achten?

Ja. Wir haben bereits einige, bislang aber nur wenige Fälle gesehen, in denen OEMs oder Tier-Ones nicht nur zum normalen Preisverfall zurückwollen, sondern zu den absoluten Preisen von vor Covid. Soweit uns bekannt ist, wurde diesen Forderungen von keinem Chiplieferanten entsprochen, aber es zeigt das Risiko, in alte Gewohnheiten zurückzufallen. Diese aggressiven Preisverhandlungen könnten, wie bereits erwähnt, auf die Käufer zurückschlagen. Wenn die Nachfrage aus anderen Branchen wieder anzieht, laufen die OEMs oder Tier-One-Unternehmen, die die aggressivsten Preisnachlässe fordern, Gefahr, am Ende der Warteschlange zu landen, wenn es 2025 wieder zu Problemen auf der Angebotsseite kommt.

Das Automotive-Segment hat sich im gesamten Halbleitermarkt zum drittgrößten Absatzmarkt gemausert, Prognose besagen, dass das auch in den nächsten Jahren der Fall sein wird. Wie beurteilen Sie diese Annahme?

Der Mobiltelefonmarkt ist nicht mehr die Lokomotive, die er früher für die Halbleiterindustrie war. Das Internet der Dinge hat sich noch nicht als das nächste große Ding erwiesen. Derzeit sind Automotive und Datenzentren zur Unterstützung generativer KI die neuen Treiber im Halbleitermarkt. Wenn man sich die Finanzzahlen der größten Halbleiterhersteller für den Automotive-Markt ansieht, hat das Automobilsegment die anderen Branchen im Jahr 2023 bei Weitem übertroffen.

Da sich Autos in Richtung »Software-Defined Vehicle« mit einem leistungsstarken Zentralcomputer und immer mehr Speicherplatz entwickeln, sehen die traditionellen Anbieter für die Mobiltelefon- und Serverindustrie zunehmend auf die Automobilindustrie als neuer Wachstumstreiber, dazu gehören Unternehmen wie Qualcomm, Samsung, Nvidia, Intel usw.

Der eigentliche Fahrzeugmarkt ist nicht das Interessante für die Halbleiterhersteller. Wir haben unsere Prognose für die PKW-Produktion nach Covid auf ein niedrigeres Niveau zurückgesetzt und erwarten, dass die Automobilproduktion zwischen 2023 und 2035 im Durchschnitt nur um 1 Prozent pro Jahr wachsen wird.

Was für die Halbleiterhersteller interessant ist, ist der zunehmende Halbleiter-Content pro Fahrzeug, getrieben von mehreren Faktoren:

  • An erster Stelle steht die Elektrifizierung. Der Halbleiterwert für einen Elektroantrieb ist um ein Vielfaches höher als der für einen Verbrennungsmotor. Da sich der Anteil der Elektrofahrzeuge von 12,8 Prozent im Jahr 2023 auf 48,6 Prozent im Jahr 2030 vervierfacht, erhöht sich der durchschnittliche Chip-Wert pro Auto automatisch.
  • Dazu kommen ADAS-Anwendungen. Der Hype um das selbstfahrende Auto ist zwar abgeflaut, doch die Nachfrage nach mehr autonomen Fahrfunktionen steigt weiter, insbesondere in China. Der Anteil von L2+-Fahrzeugen, also wenn der Fahrer die Hände vom Steuer nehmen kann, und höheren Autonomie-Leveln belief sich im letzten Jahr auf lediglich 5 Prozent. Bis 2030 wird dieser Anteil am weltweiten Fahrzeugvolumen allerdings auf 29 Prozent steigen, und auch diese Systeme sind sehr Halbleiter-lastig.
  • Außerdem hält die generative KI Einzug in die Automobilindustrie, z. B. im Cockpit. Um generative KI unterstützen zu können, erhöhen die OEMs die Rechenleistung und Speicherdichte bei Fahrzeugeinführungen ab 2025 und 2026.
  • Hinzu kommt noch die Zentralisierung von E/E-Architekturen. Zentralisierte Architekturen bedeuten zwar eine Konsolidierung einiger Steuergeräte im Auto, aber nicht, dass der Halbleiterwert im Auto sinkt, ganz im Gegenteil. Die neuen E/E-Architekturen brauchen leistungsstarke Zentralrechner, viel Speicher, mehr Ethernet-Transceiver usw. S&P Global prognostiziert, dass der Anteil der mit Zentralrechnern produzierten Fahrzeuge von 2 Prozent im Jahr 2023 auf 17 Prozent im Jahr 2030 steigen wird.

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