Wachstum ja, aber kein Aufschwung. Auf diesen kleinen Nenner lässt sich die Sicht der Stromversorgungs-Distribution in Deutschland auf das Jahr 2025 bringen.
Ob 2026 wirklich besser wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab, von denen sich nur wenige etwa durch die Politik der neuen Bundesregierung verändern ließen. Während weltweit die Bedarfe anziehen, steht Deutschland noch auf der Bremse.
Anfang November meldete der FBDi für das 3. Quartal 2025 ein Umsatzplus von 1,2 Prozent in der Elektronik-Bauelemente-Distribution gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Obwohl der Bereich Stromversorgungen vom FBDi in seinen Reports nicht abgebildet wird, zeigt man sich auf dem diesjährigen Forum Stromversorgungs-Distribution doch etwas enttäuscht vom Geschäftsverlauf dieses Jahres.
»Wir hatten schon erwartet, abschmelzende Lagerbestände zu sehen, das hat aber nur bedingt so funktioniert«, stellt Frank Stocker, Field Application Engineer Power Supplies bei Schukat electronic, zu Beginn der Diskussion fest. »Es geht nach wie vor um kleine Volumina für kleine Zeithorizonte. Dass die von uns erhofften abschmelzenden Lager einen Nachfrage-Boost initiieren würden, das hat nicht funktioniert.« Schukat hatte nach seinen Worten ein gutes Q1 und zeigte sich auch im Q3 mit dem Feedback aus der Branche und den erteilten Aufträgen zufrieden. »Ich hoffe, dass das jetzt eine gewisse Nachhaltigkeit entwickelt und nicht nur ein kurzer Peak ist.«
Ein durchwachsenes Bild der Auftragssituation der letzten 10 Monate zeichnet Jochen Krause, Senior Director Product Line Management Power & Energy bei Hy-Line Technology: »Es gibt durchaus Bereiche, in denen wir Steigerungen sehen, wo wir mit neuen Projekten jetzt Richtung Serie laufen. Auf der anderen Seite haben wir auch Kunden, die schon sehr lange im Markt sind und deren Projekte stagnieren.« Über den Gesamtbereich betrachtet, entwickelt sich das Geschäft in seinen Augen stabil.
»Wir beobachten in diesem Jahr mehr Design-Tätigkeit als im letzten Jahr«, schildert Andreas Hanausek, Produktmanager und FAE Stromversorgungen bei Codico. »Aber mit der Realisierung dieser Projekte könnte es besser sein.« Unabhängig davon setzt man bei Codico nach wie vor allem auf Stromversorgungs-Module für die Medizintechnik: »Das ist für uns nach wie vor ein sehr stabiler, leicht wachsender Bereich.«
Für Dr. Sara Ghaemi, Director Technical Development bei Avnet Abacus, hat sich das Geschäft in Summe positiv entwickelt: »Wir sind sowohl gegenüber dem Vorquartal als auch gegenüber dem Vorjahr gewachsen.« Natürlich seien die erhofften Zahlen andere gewesen. »Wir hatten erwartet, dass das erhoffte Wachstum jetzt endlich kommt.« Aber die äußeren Faktoren waren nach ihren Worten dieses Mal so anders als bei den sonstigen Zyklen, »dass der einzige Satz, den man von allen hört, lautet: Von heute aus in einem Jahr ist es besser«.
Könnte das unter anderem mit den US-Zoll-Kapriolen zu tun haben? »Unsere Branche war sehr stark globalisiert und hat weltweit zusammengearbeitet«, lautet das Resümee von Dr. Ghaemi, Avnet Abacus. »Ich persönlich hätte mir nicht vorstellen können, dass sich die geopolitische Lage so stark verändern würde, dass diese Globalisierung so zusammenbricht.« Man sehe nun, wie schnell sich Dinge ändern könnten. »Politik hat halt doch große Auswirkungen.« Aber hat die Zollpolitik der USA eine direkte, starke Auswirkung auf die Kunden?
»Ich würde sagen, das ist nicht so eindeutig«, bremst Dr. Ghaemi. »Aber was wir auf Kundenseite eindeutig sehen, ist, dass sie noch zurückhaltender geworden sind.« Sie seien nicht mehr in der Lage, wirklich in die Zukunft zu sehen, abzuschätzen, wie sich ihr Geschäft entwickeln werde. »Aus diesem Grund kommen die Bestellungen auch zeitnah am Bedarf, mit der Konsequenz, dass man nichts mehr planen kann.« Auf längere Sicht wird es nach ihrer Einschätzung Konsequenzen haben, »keine Planung zu haben. Das bedeutet letztlich Konsequenzen für die Lieferkette und die Leadtimes.«
»Da wir nur einen sehr geringen Anteil direktes US-Geschäft haben, sind es eher die indirekten Faktoren, die sich auf unser Geschäft auswirken«, stellt auch Stocker von Schukat electronic fest. »Aber das, was in den letzten Monaten passiert ist, wird Auswirkungen haben, auch wenn wir das jetzt noch nicht bemerken.« Die gute Auftragslage im Q1 2025 mag minimal von Vorgriffen auf die geplante Auftragsverteilung im Jahr 2025 profitiert haben, um die angekündigten Importzölle in die USA zu vermeiden. »Doch Stand jetzt hat das keine Auswirkungen.« Stocker ist jedoch pessimistisch mit Blick auf die Zukunft: »Wir müssen uns Sorgen machen, weil die Wettbewerbsfähigkeit deutscher und europäischer Produkte im internationalen Wettbewerb klar geschwächt wurde, und das werden wir noch merken.«
»Kleines Land, 9 Millionen Einwohner – was halte ich als Österreicher wohl von Abschottung?« Hanausek von Codico spürt zwar noch keine unmittelbaren Auswirkungen der US-Importzölle auf die Geschäftsentwicklung. »Aber das wird uns mittelfristig schaden!« Mittelfristig heißt für ihn drei bis fünf Jahre. »Irgendwann werden dann wohl auch die entsprechenden Gegenmaßnahmen der EU im großen Stil kommen.«
»Direkt betroffen sind wir von Trumps Zollpolitik nicht«, pflichtet Krause, Hy-Line Technology bei. »Ich habe auch von Kunden bislang nicht das Argument gehört, dass sie jetzt weniger bestellen könnten, weil sie nicht wissen, ob sie ihr Produkt noch in die USA exportieren können.« Was Krause aber bemerkt, ist der Trend, »von der Hand in den Mund zu leben«. Die Kunden könnten ihre Forecasts einfach nicht einschätzen, »und bestellen deshalb erst mal weniger, bis sie sicher sind, dass ihre Projekte weiterlaufen«.
Und was ist aus der Aufbruchstimmung geworden, die mit dem Regierungswechsel assoziiert wurde, einer Regierung, die eine klar industriefreundlichere Politik vorantreiben wollte und dafür die Aufweichung der Schuldenbremse in Kauf nahm? »Das Gefühl war, die Industrie steckt in der Zwangsjacke und man braucht neue Impulse aus der Politik«, beschreibt Stocker, Schukat electronic, die Situation und Erwartungshaltung nach dem Platzen der Ampelkoalition. Inzwischen erkenne man aber in der Industrie: »Man kann nicht einfach einen Schalter umlegen und alles wird besser.« Auch wenn die neue Regierung erst seit Mai im Amt ist, müsse sie allmählich liefern. »Es reicht nicht zu sagen, wir entschärfen beispielsweise die Überbürokratisierung in diesem Land, und dann liegt das erst mal auf Eis!« Gerade für den Mittelstand sei das eines der größten Themen überhaupt. »Wenn man dann wirklich sieht, man wird in diesem Bereich entlastet, dann weckt das die Zuversicht, die wir brauchen. Das wäre ein Booster, das wäre ein Weg die wirtschaftliche Situation in Deutschland zu verbessern.«
»Wenn Euphorie und ein Wachstumsgedanke da wären, dann wären auch die Stimmung und die Zuversicht in diesem Land besser«, pflichtet Krause Hy-Line Technology bei. »Aber wenn man so hört, wohin die Investitionsmilliarden so fließen sollen, dann ist das bisher wenig elektronikbehaftet.« Wird die Elektronikbranche wirklich von den Geldern profitieren, die durch die Investitionsmilliarden freigesetzt werden sollen? Das sei für ihn die große Frage. Problematisch findet es Krause in diesem Zusammenhang auch, »dass weltweit inzwischen die Elektrifizierung wieder in Frage gestellt werde. »Die fossile Energietechnik braucht weniger Elektronik als die erneuerbare Energietechnik, das hat Folgen für unsere Branche.«
Der Stimmungswandel, der sich in der deutschen Wirtschaft in den letzten Monaten vollzogen hat, hat für Dr. Ghaemi, Avnet Abacus, damit zu tun, »dass die Menschen gehofft hatten, dass die Sätze, die da gesagt wurden, Bedeutung hätten. Inzwischen haben sie aber festgestellt, dass das eben nur politische Sätze waren, die keine konkreten Projekte zum Inhalt hatten«. Es gebe keinen wirklichen Versuch, mit etwas Neuem jetzt voranzukommen, den Wettbewerb mit der chinesischen Geschwindigkeit wirklich aufzunehmen. »Man redet zwar von Infrastruktur und meint damit offenbar vor allem Straße und Schiene, aber das Geld ist da nicht für neue Projekte vorgesehen, sondern soll in Sanierung und eventuell Modernisierung fließen. Das mag notwendig sein, bringt uns in Deutschland aber nicht auf das nächste Level!« Fazit: Eine große Veränderung ist nicht sichtbar, und das drückt auf die Stimmung. »Ob die Entscheidungen der neuen Regierung wirklich Einfluss auf Projekte unserer Kunden haben werden, wird sich wohl erst in ein, zwei Jahren zeigen«, schätzt Dr. Ghaemi.
Aus Sicht von Hanausek, Codico, hat sich nichts verändert. »In Österreich gibt es solche Investitionsprogramme wie in Deutschland nicht, wir könnten die wahrscheinlich auch überhaupt nicht finanzieren.« Einen positiven Stimmungsumschwung konnte auch er nicht bei seinen deutschen Kunden feststellen. In Österreich, so seine Einschätzung, »haben wir nun auch erstmals eine Dreierkoalition und damit ganz andere Themen.«
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Nexperia steckt auch in Stromversorgungen |
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»Auch wenn man aufgrund der Schlagzeilen und Fernsehnachrichten den Eindruck gewinnen konnte, Nexperia sei jetzt das ganz große Ding: Im Stromversorgungsbereich stellt der Lieferausfall dieses Halbleiterherstellers ganz offenbar kein Problem dar«, sagt Andreas Hanausek, Codico. Keiner der von Codico vertriebenen Hersteller habe sich gemeldet, um auf ein mögliches Versorgungsrisiko hinzuweisen. Sein Fazit: »Es gab keine großen Verwerfungen am Markt, es gibt eben auch andere Lieferanten.« »Von Seiten der Stromversorgungshersteller wurden wir nicht darüber informiert, dass es irgendein Thema mit Nexperia gebe«, bestätigt Jochen Krause, Hy-Line Technology. »Anders als im Automotive-Bereich sind die Bauteile entweder recht einfach replacebar – da C-Bauteile, es gibt genügend Lagervorräte –, oder die Bedarfe der Stromversorgungshersteller sind nicht so hoch.« Er weist zudem darauf hin, dass es auch in der Allocations-Situation sehr schnell ging, wenn zum Beispiel eine Diode aufgrund von Lieferschwierigkeiten ersetzt werden musste. »Auf der Kundenseite ist es die letzten Wochen sehr ruhig geblieben«, berichtet Frank Stocker, Schukat electronic. »Im Halbleiterbereich gab es bei Schukat eine erhöhte Nachfrage nach onsemi-Bauteilen.« Auch er bestätigt, dass es von Seiten der Stromversorgungshersteller keine Signale in puncto Versorgungssicherheit wegen des Nexperia-Problems gegeben habe. »Die Beunruhigung ist in der Industrie, anders als im Automotive-Bereich, noch nicht angekommen«, meint Stocker. »Das wäre sicher anders, wenn wir hier riesige Fertigungsstätten hätten; dann könnten wohl auch Mitbewerber wie onsemi nicht einfach aushelfen.« Für ihn ist der Fall Nexperia ein Warnschuss: »Derzeit wird von der Hand in den Mund gekauft, das sollte man dringend überdenken!« Damit bestätigen die Stromversorgungs-Distributoren die Einschätzung der europäischen Stromversorgungs-Spezialisten. Eine Recherche der Markt&Technik hatte ergeben, dass es vor allem die unterschiedlichen Bedarfsgrößen sind, die in der Industrieelektronik für Entspannung beim Thema Nexperia gesorgt haben. Zum einen gab es Lager, gleichzeitig bemühte man sich, diese Lager spontan durch weltweite Zukäufe weiter aufzufüllen. Das führte dazu, dass Hersteller bis in den Herbst 2026 hinein auf Lagerbauteile zurückgreifen können. Hinzu kommt, dass man im Bereich der Industrieelektronik offenbar seine Lektion in den letzten Jahren gelernt hat. »Wäre dieses Problem vor vier, fünf Jahren aufgetaucht, hätten wir vielleicht noch andere Antworten gegeben«, vermutet Dr. Ghaemi von Avnet Abacus. »Aber wir haben in den letzten Jahren ja einiges erlebt, und die Kunden sind inzwischen mit Second- und Third-Sourcing, redundanter Planung und leicht möglichen Veränderungen auf der Leiterplatte weit besser auf solche Vorfälle vorbereitet.« Das hatte vor Kurzem auch eine aktuelle Umfrage in der deutschsprachigen Stromversorgungsszene ergeben. Aufgrund der übersichtlichen Bedarfsgrößen verfügen die Hersteller entweder selbst über Lager oder über Lage bei ihren Distributoren. Bei Bedarf deckte man sich noch schnell weltweit ein, und wenn es gar nicht anders ging, wechselte man ein C-Bauteil eben gegen einen anderen Hersteller aus – no big deal! |
Besteht trotzdem die Chance, dass sich das Jahr 2026 für die Stromversorgungs-Distribution besser entwickelt als 2025? »Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben«, meint Hanausek von Codico. »Die Situation war vor einem Jahr sicher schlechter.« Zum einen gebe es aktuell wieder positive Book-to-Bill-Zahlen, »andererseits sehen wir Projekte, die jetzt in die Produktion kommen. Das sind vielleicht keine superhohen Stückzahlen, aber wir müssen auch aufhören, darüber zu klagen, dass alles schlecht sei«.
»Wir klagen auf einem hohen Niveau«, stellt auch Stocker, Schukat electronic noch einmal fest. Dass das Niveau der Jahre 2022/23 nicht ewig so gehalten werden konnte, musste allen klar sein. Momentan läuft die Booking-Entwicklung in die richtige Richtung.« Man habe keinen Boom, das sei klar. »Aber die Richtung der Entwicklung stimmt.« Bei vielen Kunden sei derzeit die Zuversicht noch nicht da, in welche Richtung ihre Geschäfte 2026 laufen werden. »Aber ich bin zuversichtlich, dass wir im nächsten Jahr eine positive Entwicklung sehen werden!«
»Bei den Bestandskunden können wir 2026 noch nicht abschätzen, wohin die Reise gehen wird«, sagt Krause, Hy-Line Technology. »Bei den neuen Projekten, die wir betreuen, sehe ich dagegen schon eine Reihe, die jetzt starten, oder bereits in Serie gegangen sind. Ich bin deshalb zuversichtlich, dass das unsere Firma nach vorn bringen und Wachstum erzeugen wird.« Wirklich entscheidend ist aus seiner Sicht, »dass man sich bei den Kunden inzwischen wirklich wieder mit neuen Projekten befasst und nicht mehr nur damit beschäftigt ist, neue Komponenten zu finden, die man anstelle von denen verwenden kann, die man nicht mehr geliefert bekommt«.
»Aktuell können wir nur wachsen, weil sich der Lagerbestand in vielen Bereichen normalisiert hat«, analysiert Dr. Ghaemi, Avnet Abacus, die Situation. »Wenn wir die Ausnahmesituation während der Pandemie als Referenz nehmen, kann man mit seinen Prognosen nur falsch liegen.« Sie verweist aber auch darauf, dass die Industriegesellschaften in einer All-Electric-Society angekommen seien, damit seien elektronische Komponenten überall erforderlich. »Auch kurz- und mittelfristig bin ich deshalb der Meinung, dass wir nur wachsen können.« Ändere sich die Situation in Deutschland und Europa nicht, »wird das Wachstum genauso so groß sein wie 2025«. Betrachte man sich dagegen die Wachstumsgeschwindigkeit in den USA und Asien, »dann kann man sehen, dass sich dort bereits innerhalb von 90 Tagen einiges tun kann. Wenn Themen wie AI, Hyperscaler und Digitalisierung dort weiter so zulegen, kommt es jetzt bereits zu steigenden Lieferzeiten bei Spezialprodukten, das kann sich in Zukunft auch noch auf andere Produktbereiche ausdehnen.«
Steigende statt sinkender Lieferzeiten? Hatten nicht gerade die Lager dafür gesorgt, dass das Von-der-Hand-in-den-Mund-Leben überhaupt möglich war? Waren die Lieferzeiten zuletzt nicht gesunken? »Ich kann mich nicht erinnern, dass die Lieferzeiten japanischer oder taiwanischer Hersteller jemals kürzer als 10 Wochen waren«, meint Hanausek, Codico. »Bei kleineren Stückzahlen konnten es auch schon mal 6 bis 8 Wochen sein, aber weniger nicht.« Und er spreche hier von der Produktionszeit. Natürlich ließen sich Muster in weniger als 6 Wochen realisieren, »aber die Produktion benötigt dann Vorlauf und Planung«.
»Es gibt Hersteller, die konsolidieren Bestellungen und beginnen mit dem Sourcing erst ab einem bestimmten Reifegrad eines Projekts, wenn absehbare Produktionslosgrößen vorliegen«, erläutert Stocker, Schukat electronic. Eine Ausnahme sei da schon immer Mean Well gewesen. »Dort bestelle ich und kann mich darauf verlassen, dass die Stromversorgung 30 Tage später im Warenausgang steht. Da brauchen wir dann eigentlich länger, um das Processing der Fracht abzuwickeln«, schildert Stocker.
»Sechs Wochen nur in Ausnahmefällen«, berichtet auch Krause, Hy-Line Technology. »Sobald es etwas Spezielleres ist, geht es eher in Richtung 26 Wochen.« Der Grund liegt für ihn in der Artikelvielfalt: »Für die Hersteller ist es fast unmöglich, da eine sinnvolle Bevorratung zu machen.« Unter die 8 oder 10 Wochen normale Produktionszeit zu kommen, würde bedeuten, vorgefertigte Produkte auf Lager vorzuhalten. »Und dieses Risiko will keiner eingehen.«
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Steigender direkter Wettbewerbsdruck aus China |
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Wie eine aktuelle Studie der Deutschen Wirtschaft Köln (IW) im Auftrag des Auswärtigen Amts belegt, drängen chinesische Hersteller verstärkt nach Europa, seit Trump Importzölle gegen chinesische Waren verhängt hat. Während die US-Importe auch aus China im ersten Halbjahr 2025 um fast 16 Prozent zurückgingen, stiegen allein die deutschen Importe aus der Volksrepublik im Vergleichszeitraum um 11 Prozent. Weil sich die USA stärker von China abschotten, meint das IW, wird Deutschland zunehmend zum Ausweichmarkt für chinesische Unternehmen. Besonders auffällig sind diese Steigerungen unter anderem bei Plug-in-Hybrid-Pkws und Autoteilen aus China. Bereits im Sommer hatten Teilnehmer des diesjährigen Stromversorgungsforums berichtet, dass der direkte Wettbewerb aus China auf dem deutschen Markt aus ihrer Sicht zunehme. Aus Sicht von Stocker, Schukat electronic, kommt es in diesem Zusammenhang vor allem auf das Produkt an: »Bei LED-Netzteilen dominieren chinesische Hersteller den Markt. Da gibt es eine Vielzahl kleiner chinesischer Hersteller, die in kleinen Volumina direkt an die hiesige Industrie liefert.« Schukat selbst hat bereits 2016 mit Self einen chinesischen Hersteller ins Programm aufgenommen, der nach Stockers Worten, »aber eher im hochpreisigen Segment unterwegs ist«. Bei klassischen Industriestromversorgungen sieht Stocker das Problem aktuell weniger. »Der Kunde weiß, was er da an Markenherstellern aus Europa hat: Qualität und Sicherheit.« Beim Thema LED-Stromversorgung gibt Hanausek, Codico, seinem Kollegen recht. »Aber in unserem Industriegeschäft scheitern 50 Prozent der Projekte am großen Feld der EMV. Spätestens da braucht der Kunde den Fachdistributor oder Hersteller, der weiß, was er tut, mit dem er reden kann, und der weiß, was man abändern muss.« »Wir gewinnen unsere Projekte ja nicht, weil wir die billigste 300-W-Stromversorgung anbieten«, betont Hanausek. »Wir schieben nicht einfach ein Teil weiter, wir bringen unsere Design-in-Expertise ein.« Aus diesem Grund sei ein klassisches 5-W-Standard-USB-C-Netzteil niemals ein Produkt für die Distribution. »Wenn allerdings gewisse Sicherheitszulassungen, interne Veränderungen, ein spezielles Temperaturverhalten, eine spezielle Verpackung oder ein spezieller AC-Stecker verlangt wird, um das Produkt weltweit exportieren zu können, dann ist für die Distribution die Chance da!« Dass auch beim Thema Industriestromversorgung manchmal Preisvorstellungen präsentiert werden, die illusorisch sind, hat für Krause, Hy-Line Technology, vor allem mit dem Internet und den Online-Geschäften zu tun. »Da wird aufgrund mangelnden Wissens ein 200-W-Netzteil aus dem Internet mit einer 200-W-Industriestromversorgung verglichen. Da die Stromversorgung für die Kunden im Allgemeinen eine Blackbox ist, wird versucht, über den Marktpreis aus dem Internet Druck aufzubauen.« Da chinesische Hersteller im Regelfall aber nicht an kleinen und mittleren Stückzahlen interessiert seien, falle diese Drohung schnell in sich zusammen. »Das kann sich in Zukunft allerdings ändern, wenn chinesische Hersteller sich wirklich dem Segment der Industriestromversorgung zuwenden.« Derzeit herrscht nach Einschätzung von Dr. Ghaemi, Avnet Abacus, der beschriebene Preis- und Wettbewerbsdruck vor allem im Bereich Low-Voltage-DC/DC-Wandler. »Seit der US-Markt für die schwieriger geworden ist, sieht und hört man die jetzt immer öfter in Europa«, lautet ihr Statement. »Auf den europäischen Markt kommen die entweder direkt oder über selektierte, regionale Distributoren in Europa.« Und Dr. Ghaemi warnt: »Das ist nicht mehr das »Made in China« von vor 20 Jahren. Die bieten Qualität, und das zum Teil zu einem Drittel des sonst üblichen Preises.« Die Frage sei: Wie schnell breiten sich diese Aktivitäten auf andere Segmente des Stromversorgungsmarkts aus? Auch dabei geht es wieder um chinesische Geschwindigkeit. »In anderen Produkt- und Bauelemente-Bereichen, in denen wir mit chinesischen Herstellern zusammenarbeiten, zeichnen sich diese durch Flexibilität, Customizing-Fähigkeiten sowie Lieferzeiten und Preise aus, die absolut attraktiv sind«, berichtet Dr. Ghaemi. Die Europäer bräuchten einfach zu lange. »In China dauert die Umsetzung einer Produktidee vielleicht sechs Wochen, europäische Hersteller bewegen sich da eher bei drei Monaten«, ist Dr. Ghaemis Erfahrung. »Wenn wir da in Europa einschlafen und zu spät aufwachen, haben wir das Geschäft verloren.« Ihr Fazit: »Als europäischer Hersteller würde ich mir dringend überlegen, wie ich auf ein qualitativ hochwertiges Produkt reagieren werde, das aus China kommt.« |
»Bei DC/DC-Wandlern sprechen wir momentan von Produktionsprozessen von 12 Wochen, bei AC/DC-Netzteilen von 12 bis 18 Wochen«, schildert Dr. Ghaemi, Avnet Abacus, die Situation. »Das sind Prozesse und Zulassungen, die eingehalten werden müssen. Die lassen sich nicht einfach verkürzen. Und je komplexer ein Produkt wird, desto zeitaufwendiger wird das Ganze.«
Zwar gebe es in Asien derzeit zweifellos freie Produktionskapazitäten, meint die Forumsrunde, aber das dürfe nicht zu der falschen Annahme verleiten, dass die Hersteller dort ihre eingefahrenen Produktionsprozesse verändern würden. Die kaum planbare Auftragssituation in der europäischen Industrieelektronik habe zudem den Effekt, dass man sich auch in den Produktionsstätten in Asien kaum für das Jahr 2026 rüsten könne. Kommt es zu einem Marktaufschwung, wird der nicht nur die Hersteller in Asien »überraschend« treffen, er wird mit den jetzt bereits gestiegenen Bedarfen in den USA und Asien kollidieren. Wer dann keine mittel- und langfristige Planung vorweisen kann, wird Priorisierung wieder nur über Geld erreichen können. Planung, so der eindringliche Appell der Diskussionsteilnehmer an die Kunden der Stromversorgungs-Distribution, ist für die gesamte Lieferkette dringend notwendig! Sonst wird ein – wie auch immer gearteter – Marktaufschwung die ohnehin schon in ihrer Wettbewerbsfähigkeit geschwächte deutsche und europäische Industrieelektronik härter treffen als den Rest der Welt.
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Überraschung: Die Mornsun-Klone sind da! |
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Als der chinesische Hersteller Mornsun, in Europa vor allem bekannt für seine Power-Module, am 1. Mai 2024 auf der Sanktionsliste des US-Außenministeriums auftauchte, war in Europa schnell klar, dass Mornsun tot ist. Seine Produkte konnten definitiv nicht mehr in Produkten eingesetzt werden, die in die USA exportiert werden sollten, und auch sonst schienen die Chancen sehr klein zu sein, dass man mit den Modulen, die man noch auf Lager hatte, noch etwas anfangen könne. Aus diesem Grund entschieden sich auch Distributoren in Deutschland zur Verschrottung ihrer Mornsun-Lagerbestände. Kunden, die auf die preislich attraktiven und technisch den Ansprüchen entsprechenden Produkte vertraut hatten, standen auf einmal ohne Lieferanten da. Mornsun China ging auf Tauchstation und schickte seine Europaniederlassung in Deutschland in die Insolvenz. Vor diesem Hintergrund hielten es noch im Herbst letzten Jahres selbst Distributionsexperten für weniger als unwahrscheinlich, dass Mornsun-»Nachfolger«, die es bereits zum Beispiel in Form einer Firmierung wie ATAZ gab, in absehbarer Zeit Fuß in Europa würden fassen können. »Dass es Ableger gibt, ist kein Geheimnis«, meint Stocker, Schukat electronic dazu. »Aber ich hätte erwartet, dass es deutlich länger dauert, bis die Strukturen wieder aufgebaut sind.« Das ging mit chinesischer Geschwindigkeit. Bereits gut 6 Wochen nach dem Bann des US-Außenministeriums gab es beispielsweise Produkte von ATAZ, die bis auf einen Buchstaben in der Serienbezeichnung laut Datenblatt identisch mit den bekannten Mornsun-Produkten waren. Dass die Firma, die diese Stromversorgungsprodukte auf den Markt brachte, in der nordwestlich von Hongkong gelegenen Hafenstadt Guangzhou angesiedelt ist, ist sicher nur ein Zufall. Mornsun stammte ebenfalls aus Guangzhou. »Wir sprechen hier über ein Graubereich«, meint Stocker. »Ich denke, die nach wie vor größte Chance, »ehemalige« Mornsun-Produkte auf die Leiterplatte zu bringen, läuft über die Brand-Labeler. Mornsun hat ein gutes Produkt zu einem guten Preis geliefert«, bestärkt Stocker. »Damit war auch der Wiederverkäufer wettbewerbsfähig – wenn so was wegfällt, tut das sicher schon weh.« »Ich denke, diejenigen, die Mornsun kennen, die ein Vertrauen zu dieser Firma aufgebaut hatten, haben vergleichsweise keine Bauchschmerzen, mit einer Nachfolgefirma zusammenzuarbeiten«, meint Dr. Ghaemi, Avnet Abacus. »Bei den Investitionen, die die in Europa getätigt hatten, war davon auszugehen, dass sie das nicht einfach aufgeben, sondern dass sie in irgendeiner Form wieder zurückkehren. Vielleicht hatte man diese Rückkehr einfach nicht so schnell erwartet.« Doch obwohl die Produkte quasi wieder 1:1 verfügbar sind, bedarf es eines gewissen Aufwands, auf den/die Mornsun-Nachfolger zu setzen. »Die Leute mussten ja von heute auf morgen Geld in die Hand nehmen und Mitbewerber freigeben«, gibt Krause, Hy-Line Technology, zu bedenken. »Diese neuen Lösungen mussten getestet und freigegeben werden. Wenn man nun wieder zu einem Mornsun-Nachfolger zurückkehrt, muss der Kunde die ganze damit verbundene Testprozedur noch mal durchlaufen, und das kostet Geld!« Er geht deshalb davon aus, dass sich Anwender – wenn überhaupt – bei neuen Projekten für den Einsatz des Mornsun-Klons entscheiden. »Wenn man also wieder bei null anfängt, haben die Klone sicher eine Chance.« Obwohl Codico Mornsun nie im Programm hatte, stimmt Hanausek, Codico, zu, »dass Mornsun in der Branche immer noch so etwas wie die Referenz für die Module ist, die sie im Angebot hatten. Das ist und war ein ernstzunehmender Konkurrent«. Die hätten gewusst, was sie tun, versichert er. »Dass die in irgendeiner Form wiederkommen, war zu erwarten.« Fazit: Die Mornsun-Klone sind da, am Preisniveau hat sich nichts verändert, an der technischen Expertise auch nicht. Es wird also davon abhängen, ob Kunden bereit sind, das Risiko einzugehen, dass auch die Klone durch die Unwägbarkeiten der weltpolitischen Ereignisse wieder überraschend auf einer Blacklist landen. |