Nach einer Phase der Stagnation und Unsicherheit zeichnet der aktuelle Avnet Silica Trendliner ein Bild vorsichtiger Zuversicht. Zwar bleibt die Halbleiterbranche konjunkturanfällig, doch erste Indikatoren deuten auf eine Trendwende hin.
Getrieben wird die Trendwende durch KI-Anwendungen sowie die Nachfrage nach Elektronik im Automobilsektor. Für den europäischen Markt heißt das: Chancen eröffnen sich technologisch und strukturell – mit Fokus auf Kundennähe und resiliente Lieferketten.
2024 war für viele Halbleiterhersteller und ihre Kunden ein Jahr der Ernüchterung. Überhitzte Märkte, Nachfrageschwankungen und geopolitische Risiken sorgten für einen Rückgang von rund 3,6 Prozent. Doch 2025 soll nach Einschätzung von Avnet Silica die Wende bringen: ein Plus von 2,5 Prozent wird erwartet, mittelfristig sogar ein durchschnittliches Wachstum von knapp 5 Prozent bis 2028.
Das Entscheidende daran: Der Markt wächst nicht mehr gleichmäßig, sondern spaltet sich in stabile Standardsegmente und hochdynamische Zukunftsfelder auf. Wer in Automotive, Industrieautomation oder Edge KI unterwegs ist, profitiert; wer dagegen stark auf klassische Consumer-Segmente setzt, muss sich mit geringeren Wachstumsraten zufriedengeben.
Europa nimmt in dieser Gemengelage eine interessante Rolle ein. Mit einem prognostizierten CAGR von 6 Prozent liegt die Region über dem globalen Schnitt. Automotive-Elektronik bleibt dabei das mit Abstand wichtigste Feld: Fast jeder zweite in EMEA verkaufte Halbleiterchip geht in ein Fahrzeug. Besonders wachstumsstark sind dabei Anwendungen wie:
Auch der Industriesektor zieht wieder an, insbesondere in Bereichen wie Robotik und Gebäudeautomation. Das eröffnet Distributoren Chancen, da gerade mittelständische Kunden zunehmend Komplettpakete aus Bauteilen, Software-Stacks und Services nachfragen.
Der Trendliner zeigt deutlich: KI ist mehr als ein Hype. Während große Sprachmodelle die Nachfrage in Rechenzentren explodieren lassen, wächst im Embedded-Umfeld vor allem Edge KI. Sensorfusion, prädiktive Wartung oder Bildverarbeitung in Echtzeit werden für viele Industrien Standard.
Für Distributoren bedeutet das: Die Beratung verlagert sich weg vom reinen Komponentenverkauf hin zu Lösungskompetenz. Kunden wollen wissen, welche Prozessorplattform das beste Verhältnis zwischen Leistung, Energiebedarf und Kosten bietet – und wie sich Software-Ökosysteme integrieren lassen.
Ein zweiter wichtiger Aspekt ist die Stabilisierung der Lieferketten. Nach der Extremsituation der Jahre 2021 bis 2023 melden viele Hersteller inzwischen normale Vorlaufzeiten und entspanntere Preissituationen. Doch die Branche hat gelernt: Sicherheit kommt vor reiner Kostenoptimierung.
Trends wie Reshoring und Nearshoring gewinnen zunehmend an Gewicht, unterstützt durch politische Programme (wie zum Beispiel den European Chips Act). Dies führt zu einer Regionalisierung der Wertschöpfung, die auch Distributoren stärkt: Kundennähe, kurze Reaktionszeiten und lokales Know-how werden zum strategischen Vorteil.
Der Avnet Silica Trendliner bestätigt eine Entwicklung, die auch der Mittelstand spürt: Nischenkompetenz wird immer wichtiger. Während globale Halbleiterriesen in Standardprodukten Skaleneffekte ausspielen, braucht es in hochspezialisierten Bereichen flexible Partner, die in der Lage sind, Applikationswissen, Logistik und Beratung zu kombinieren.
Gerade in Deutschland und Europa sind es mittelständische Distributoren, die mit engen Kundenbeziehungen und technischer Expertise punkten. Wer hier die Brücke zwischen globaler Halbleiterproduktion und lokalen Märkten schlägt, wird von den kommenden Wachstumszyklen profitieren.
Die Branche hat das Tal der Tränen noch nicht ganz verlassen, doch der Weg nach vorn ist klar erkennbar: Automotive, Industrie und KI sind die Zugpferde, regionale Nähe und Resilienz die Schlagworte. Für Marktteilnehmer heißt das: Jetzt ist der Zeitpunkt, sich strategisch neu zu positionieren – nicht nur als Lieferant von Chips, sondern als Partner für Innovation und Stabilität.