Der reichelt-Lieferkettenreport 2025 zeigt: Unternehmen kommen besser mit volatilen Lieferketten zurecht, doch der Preisdruck ist enorm.
Der globale Handel befindet sich nach wie vor im Umbruch. Wie Unternehmen in einer Welt mit neuen Zöllen, Preisanstiegen und anderen Konflikten ihre Lieferketten aufrechterhalten, zeigt die nun das fünfte Jahr in Folge veröffentlichte Studie von OnePoll im Auftrag von reichelt elektronik. Sie befragte 500 deutsche Industrieunternehmen zur Lieferkettensituation.
Auch im Jahr 2025 ringen die befragten Unternehmen mit den Lieferketten. So berichten noch immer 83 Prozent der Befragten, dass Lieferkettenengpässe ihr Unternehmen beeinträchtigen – ein Drittel (32%) berichtet sogar von starken Beeinträchtigungen. Doch die Anzahl der Tage, an denen durch Lieferkettenengpässe der Betrieb gestoppt werden musste, sinkt kontinuierlich. In diesem Jahr waren es durchschnittlich nur mehr 27 Tage – gegenüber 30 Tage im letzten Jahr oder 35 Tagen im Jahr 2021.
Auch insgesamt wurde die Beschaffung von Bauteilen als etwas einfacher wahrgenommen als in den letzten Jahren: Schätzten im Jahr 2023 noch 44 Prozent der Unternehmen den Einkauf von Bauteilen als schwierig ein, waren es im letzten Jahr nur noch 28 Prozent, während heute der Anteil auf 25 Prozent gesunken ist. Damit hat sich diese Zahl über zwei Jahr beinahe halbiert. Noch erfreulicher ist, dass fast die Hälfte (48%) mit einer Verbesserung der Situation in den nächsten zwölf Monaten rechnet, eine deutliche Steigerung von 36 Prozent im letzten Jahr.
Doch ein genauerer Blick auf die Zahlen verrät: Die Situation bei der Beschaffung von Bauteilen ist bei einigen Produktgruppen noch immer schwierig oder hat sich sogar verschlimmert. 44 Prozent der Befragten berichten von Problemen beim Kauf von Halbleitern – 14 Prozentpunkte mehr als im letzten Jahr und damit wieder Spitzenreiter unter den Problemkindern der Bauteile. Auf Platz zwei und drei folgen die Ersatzteile (39% vs. 35% im letzten Jahr) und Sensoren (37% vs. 34% im Jahr 2024). Deutlich problematischer als im letzten Jahr wurde auch die Beschaffung von Batterie- und Ladetechnologie, Messtechnik oder Computerkomponenten wie RAM, Festplatten oder Grafikkarten eingeschätzt.
Noch mehr als mit Lieferkettenengpässen (64%) kämpfen die Unternehmen jedoch mit Preisanstiegen (79%) bei kritischen Komponenten. Im letzten Jahr klagten nur 58 Prozent über das Problem hoher Preise. Hier zeigt sich also ein deutlicher Anstieg. Zudem berichten auch mehr über den Konkurrenzdruck von billigeren Herstellern (59% vs. 49% im letzten Jahr). Somit stehen Unternehmen besonders unter finanziellem Druck. Eine schwierige wirtschaftliche Lage in Deutschland (65%) erhöht diesen Druck zusätzlich.
Dass es dennoch zu weniger Produktionsstops gekommen ist, zeugt von der Resilienz der Unternehmen. In den letzten Jahren haben sie einige Anstrengungen unternommen, um ihre Lieferketten krisenfester zu machen. So haben etwas mehr als die Hälfte (52%) bereits ihre Lieferkette diversifiziert – weitere 44 Prozent planen dies. Weiterhin haben 46 Prozent zu lokaleren Lieferanten gewechselt, um unabhängiger von globalen Lieferketten zu sein. Ebenso viele haben Maßnahmen ergriffen, um die Cybersicherheit in der Lieferkette zu erhöhen und sich so vor Angriffen zu schützen. So sichern die Unternehmen einen reibungslosen Betrieb und erhalten ihre Wirtschaftlichkeit.
Um die Resilienz der Lieferketten weiter zu stärken, investieren deutsche Unternehmen zusätzlich in die Automatisierung. So haben 38 Prozent im letzten Jahr in Automatisierungslösungen für ihre Lieferkette investiert, während weitere 41 Prozent dies für das nächste Jahr planen. Zudem nahmen 43 Prozent Optimierungen an bereits bestehenden Lösungen vor.
Gefragt nach den Bereichen, der Lieferkette, die bereits automatisiert laufen, antworteten die meisten (62%) mit der Bestandsverwaltung. Dahinter wurden die Auftragsabwicklung (56%) und Transparenz und Nachverfolgung, etwa eine durchgängige Sendungsverfolgung (47%) genannt. Technologien wie eine smarte Lieferkette, die bei einer vorausschauenden Planung unterstützen kann, wurde dagegen eher selten genannt (32%).
Die größten Herausforderungen bei der Implementierung einer smarten Lieferkette sind die Abhängigkeit von anderen Herstellern (33%) und Schwierigkeiten bei der Implementierung in existierende Systeme (31%). Auch hohe Investitionskosten (26%) und Cybersicherheitsbedenken (24%) halten Unternehmen derzeit noch zurück.
In Zeiten von Krieg und Zollstreit – Hoffnung liegt auf europäischem Zusammenhalt
Noch immer prägen politische Ereignisse und Entwicklungen die wirtschaftlichen Aussichten der Unternehmen enorm. Als weiterhin größter negativer Faktor wird der anhaltende Krieg in der Ukraine (56%) wahrgenommen. Die neu verhängten Zölle aus den USA werden ebenfalls von knapp der Hälfte der Befragten (48%) als schädigend wahrgenommen. Noch gefährlicher werden jedoch anhaltende Spannungen und ein befürchteter Handelskrieg zwischen der EU und China eingeschätzt (52%).
Deshalb setzen viele Unternehmen auf Europa: 43 Prozent von ihnen haben in den letzten 12 Monaten neue Handelsbeziehungen mit Unternehmen aus Nord-, West- oder Mitteleuropa begonnen. Zwar liegt der Prozentsatz bei Handelsbeziehungen mit Partnern aus Ost- und Südeuropa nur bei 32 Prozent, doch 42 Prozent geben an, dies im nächsten Jahr zu planen. Deutlich niedriger fallen diese Zahlen mit Partnern aus anderen Erdteilen aus. So haben innerhalb der letzten Monate nur 21 Prozent der Unternehmen neue Partnerschaften in den USA geschlossen. Ähnlich gering (20% und 23%) fiel das
Dementsprechend fokussieren sich auch die Wünsche an die Politik auf die Stärkung des europäischen Zusammenhalts. Mehr als die Hälfte (55%) wünschen sich, dass bürokratische Hürden innerhalb der EU abgebaut werden und somit der Binnenmarkt gestärkt wird. Auch wirtschaftliche Förderprogramme sind bei Unternehmen willkommen (47%). Großes Augenmerk liegt zudem auf der Entkopplung von Abhängigkeiten bei kritischen Bauteilen wie Halbleitern (44%) oder Rohstoffen wie seltenen Erden (41%), um europäische Unternehmen unabhängiger vom Weltmarkt zu machen.
Fazit
„Wenn uns die letzten fünf Jahre eines gelehrt haben, dann, dass wir in einer Zeit des Umbruchs leben“, resümiert Christian Reinwald, Head of Product Management & Marketing bei reichelt elektronik. „So schnell, wie sich die Lieferkettensituation ändert – durch Pandemien, Kriege, Handelskonflikte oder andere unvorhergesehene Ereignisse – so schnell müssen sich auch Unternehmen ändern und anpassen. Automatisierung oder smarte Lieferketten-Lösungen können sie dabei unterstützen und für den Rest gilt das Motto: einen kühlen Kopf bewahren und durchhalten. Hier zeigt sich die große Resilienz der Unternehmen, denn knapp ein Drittel (59%) sind heute in Bezug auf die wirtschaftliche Situation ihres Unternehmens positiver gestimmt als zur gleichen Zeit im letzten Jahr.“