Werden schon bald Rechenzentren im Meer oder sogar im Weltraum arbeiten, weil sie dort energieeffizienter betrieben werden können?
Nun neigt sich auch dieses Jahr seinem Ende zu, Weihnachten steht vor der Tür – allenthalben werden Wunschlisten geschrieben. Ganz oben auf der Wunschliste der Betreiber von Rechenzentren steht der Wunsch, irgendwie mit dem steigenden Rechenbedarf für KI-Rechenzentren zurechtzukommen – und vor allem mit ihrem astronomischen Energiehunger. Die große Frage lautet also: Woher soll die Energie kommen? Da schlägt die Stunde der Visionäre, Visionäre wie Kolumbus und Magellan: Neue Räume zu erobern, heißt die Devise. Wenn an Land die Flächen und die Energiequellen ausgehen – trotz Reaktivierung alter Atommeiler und dem Bau neuer –, dann schweift der Blick über die Weiten der Ozeane.
Riesige Windkraftparks werden an den Küsten bereits in schneller Folge in Betrieb genommen – liegt es da nicht nahe, die Rechenzentren ebenfalls gleich neben die Parks ins Meer zu versenken? Dann bekämen sie direkt die Energie aus regenerativen Quellen sauber und »frei Haus« geliefert. Zudem würden sie weit weniger davon benötigen als an Land, weil die Kühlung durch das Meereswasser – so die Vision – genauso umsonst wäre wie der Wind.
Vielleicht gibt es noch einige Infrastrukturprobleme zu lösen – Korrosionsschutz, modularer Aufbau, zuverlässige Stromversorgung, Datenanbindung über Unterseekabel, Wartung, um nur einige zu nennen. Aber das ist Kleinkram, vergleichsweise lächerliche Ingenieursarbeit. Eine chinesische Firma hat doch gerade ein solches Rechenzentrum im Meer vor Shanghai in Betrieb genommen – alles funktioniert bestens, so ist zu hören!
Da nehmen die Visionäre schon den nächsten Schritt in Angriff: dorthin zu gehen, wo die Umwelt noch kühler ist und die Sonne uns mit noch billigerer und unerschöpflicher Energie beschenkt: in den Orbit und sogar auf den Mond. Die Cloud im Weltall – nichts kann groß genug gedacht werden. Und wer das alles bezahlen mag? Auch kein Problem: Die KI-Party läuft noch, der Sekt fließt, und irgendjemand wird schon die Rechnung übernehmen.
Das erinnert mich an meine Kindheit. Zu Hause fand ich Ende der 60er Jahren einen Bildband. Dort war in künstlerischen Darstellungen zu sehen, wie wir im Jahr 2000 leben werden. Unter anderen in Städten auf dem Meeresgrund oder auf dem Ozean schwimmend. Die Leute kommunizierten über Bildtelefone, allerdings ans Festnetz angeschlossen, Handys und Internet hatten die Zukunftsforscher nicht vorgesehen. Dafür sollten um 2000 erste Siedlungen auf dem Mond entstehen.
Falls aus unerfindlichen Gründen doch der unwahrscheinliche Fall eintreten sollte, dass die Rechenzentren weder im Meer noch im Weltall auftauchen, dann können meine Enkel sie vielleicht später dort zumindest in Hochglanzbildbänden bewundern – voller Verwunderung über ihre seltsamen Vorfahren.