Zahlreiche originär britische Firmen lehnen eine Stellungnahme derzeit von vorne herein ab. Bei ARM - das Unternehmen beschäftigt rund 200 EU-Bürger am Headquarter in Camebridge – äußert man sich dahingehend, dass man die Verhandlungen genau beobachten will, besonders im Hinblick auf das Thema »Visa für die Arbeitnehmer«. Sobald Großbritannien aus der EU ausgetreten ist, würde die Arbeitnehmerfreizügigkeit für Briten und EU-Bürger nicht mehr uneingeschränkt gelten, es sei denn, diese würde bei den Austrittsverhandlungen entsprechend geregelt. Über die Visa-Frage hinaus erwartet ARM aber keinen signifikanten Einfluss auf das Geschäft, weil das Unternehmen fast alle Einkünfte außerhalb der EU-Zone erwirtschaftet. »Vielleicht verlieren wir einige EU-Forschungszuschüsse. Aber in den letzten drei Jahren beliefen sich diese auf weniger als ein Prozent der R&D Ausgaben. Und wir hoffen, dass das von der Regierung in UK übernommen wird«, so ein ARM-Sprecher.
Auch wenn alle Firmen ausdrücklich betonen, das Votum zu respektieren, überwiegt vielerorts die Enttäuschung und die Angst vor einem Auseinanderdriften der EU: »Die ansteckende Wirkung, die der Brexit auf andere Länder haben könnte, ist derzeit unabsehbar«, gibt Weber zu bedenken. »Was wird aus dem europäischen Wirtschaftsraum, wenn Länder wie die Niederlande, Dänemark oder sogar Frankreich ebenfalls darüber abstimmen, ob sie aus der EU austreten? Und welche Rolle wird Deutschland hier künftig einnehmen?«
Ob mit dem Votum auch die europäische Idee eines einheitlichen Wirtschaftsraumes in Frage steht, bleibt abzuwarten und wird auch davon abhängen, wie besonnen die EU mit der Situation umgeht. »Wenn hiermit der schleichende Untergang des politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Basisgedankens der EU eingeleitet ist, dann kann man nur ‚gute Nacht, Europa‘ sagen. Deshalb gilt es jetzt sehr schnell die Modalitäten für die weitere Zusammenarbeit zu vereinbaren. Längerfristige Unsicherheit wäre für Europa und unser Unternehmen äußerst schädlich«, betont Detlef Sieverdingbeck, Zentralbereichsleiter Publizistik und Kommunikation von Harting.
Visa-Regelungen, Forschungszuschüsse, EU-Regularien und Standards, künftige Regeln für den Handel - die Liste der Fragen, die die Austrittsverhandlungen klären müssen, ist lang. So lange keine Klarheit herrscht, werden die Finanzmärkte und Währungen volatil bleiben. Die Analysten von IHS prognostizieren zudem USA und Japan eine Aufwertung ihrer Währungen, weil sie im Vergleich zum Euro als sichere Anlagen gelten. Güter aus den USA und Japan könnten sich also weiter verteuern in Europa, was global betrachtet wiederum negative Auswirkungen hätte.
Vom Verhandlungsgeschick aller Beteiligten wird viel abhängen. »Unklug geführte Verhandlungen wären äußerst schädlich für alle Seiten. Ein besonnener Übergangsprozess hingegen wird die Auswirkungen mildern«, ist IHS-Analyst Jeremie Bouchaud überzeugt.