60 Jahre Zollner Elektronik

»Wir leben immer noch den Geist eines Familienunternehmens«

28. Oktober 2025, 8:30 Uhr | Karin Zühlke
Markus Aschenbrenner, Zollner Elektronik: »Stolz bin ich auf unser weltweites Team. Wir haben in den letzten fünf Jahren unseren Umsatz annähernd organisch verdoppelt. Das ist eine enorme Leistung unserer Mitarbeiter. Wir sind weltweit über 12.000 Beschäftigte und leben immer noch den Geist eines Familienunternehmens.«
© Zollner Elektronik

Zollner Elektronik AG blickt in diesem Jahr auf eine beeindruckende 60-jährige Unternehmensgeschichte zurück. Die begann damals als Ein-Mann-Betrieb; heute beschäftigt die Zollner Gruppe weltweit rund 12.000 Mitarbeiter. Markus Aschenbrenner, Vorstand von Zollner Elektronik im Exklusiv-Interview.

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Er selbst begleitet Zollner als Mitarbeiter schon seit 1992.

Herr Aschenbrenner, 60 Jahre Zollner – was geht Ihnen als Erstes durch den Kopf, wenn Sie an diese Zahl denken?

Obwohl ich unser Unternehmen nun doch schon einige Zeit auf der Reise begleiten durfte, sind 60 Jahre ein beeindruckendes Stück Unternehmensgeschichte und zugleich ein starkes Zeichen für Mut, Innovationskraft und Beständigkeit in einer Branche, die sich permanent verändert. Es zeigt, dass wir uns über Jahrzehnte immer wieder auf neue Anforderungen eingestellt und dabei unsere Werte wie Qualität, Vertrauen und Teamgeist nie aus den Augen verloren haben. Wir sind alle sehr stolz auf das, was Zollner erreicht hat. Dafür stehen wir, und das belegen auch 60 Jahre erfolgreiche Unternehmensgeschichte.

Wenn Sie einen Meilenstein aus der Unternehmensgeschichte herauspicken müssten, der Sie persönlich besonders bewegt – welcher wäre das?

Ein entscheidender Meilenstein war sicherlich der frühe Schritt in die Internationalisierung mit unserem Standort in Ungarn, der bereits 1988 erfolgte. Dies haben wir über die Jahre weiterverfolgt und sind nun in der Lage, unseren Kunden weltweit zuverlässig zur Seite zu stehen. Local-for-Local wurde so nicht nur zur Strategie, sondern zum Ausdruck unseres Anspruchs: flexibel, stabil und immer nah am Kunden zu sein.

Persönlich finde ich auch die Entscheidung unseres Gründers beeindruckend, das Unternehmen sehr früh in die Hände der nächsten Generation zu überführen.

Wenn Sie ein Produkt oder eine Innovation aus der Zollner-Geschichte als Ihr persönliches Lieblingsprojekt küren müssten – welches wäre das und warum?

Ich greife ungern ein Produkt oder ein Kundenprojekt heraus. Wie Sie wissen, hat Zollner kein eigenes Produkt, und über Kundenprojekte reden wir nur sehr vereinzelt beziehungsweise nur, wenn der Kunde das erlaubt. Was ich dennoch nach wie vor mit Stolz herausheben möchte, ist der größte selbstschreitende Roboter der Welt, den wir entwickelt und gebaut haben. Das war bereits vor 12 Jahren, und der Rekord ist immer noch ungebrochen und beeindruckt nach wie vor die Öffentlichkeit. Für uns war es kein Geschäftsmodell, jedoch das beste Marketinginstrument der Unternehmensgeschichte. Nichts kann so gut unsere Dienstleistungskompetenzen repräsentieren wie ein selbstschreitender Roboter. Das gefällt mir persönlich sehr, weil die Trends zum Thema Robotik gerade jetzt erst durchstarten.

In sechs Jahrzehnten hat sich die EMS-Branche massiv verändert – was war aus Ihrer Sicht (die natürlich nur einen Teil der Zeit abdeckt) der größte Umbruch? Und was hat sich bei Zollner erstaunlich wenig verändert?

Ich denke, wir konnten vor 60 Jahren noch nicht von einer EMS-Branche sprechen. Alles war sehr rudimentär, Auftragsfertigung mit Materialbeistellung auf geringem Komplexitätsniveau, keine Supply Chain, vieles auf Zuruf. Mittlerweile sind wir eine starke und eigenständige Branche, wir sind Dienstleister und entscheidender Partner für unsere Kunden. Das Dienstleistungsportfolio ist enorm in unserer Industrie, und wir sind in allen Branchen zu finden. Das ist, denke ich, wirklich eine massive Entwicklung eines eigenen Industriezweiges.

Was sich erstaunlich wenig verändert hat, ist die Motivation, mit Zollner in Partnerschaften zu gehen. Alles dreht sich um VERTRAUEN. Die Gewissheit und das gute Gefühl, dass die Produkte unserer Kunden in guten Händen sind und mit höchster Sorgfalt und Qualität hergestellt werden. Trotz all der Digitalisierung, trotz der steigenden Geschwindigkeit im Wandel unserer Zeit ist die Basis unseres Geschäfts nahezu unverändert: Vertrauen und Verlässlichkeit.

„Die geopolitischen Effekte bewegen uns seit einigen Jahren in Richtung Autonomie in den Regionen“

Wenn wir uns in fünf Jahren unterhalten – wo steht Zollner dann idealerweise?

Zollner wird in fünf Jahren, genauso wie heute, ein werteorientiertes nachhaltig wachsendes Familienunternehmen sein. Die geopolitischen Effekte bewegen uns seit einigen Jahren in Richtung Autonomie in den Regionen. Das werden wir vor allem in den nächsten fünf Jahren mit hoher Priorität treiben. Ziel ist Stabilität weltweit und das gleiche Angebotsportfolio auf der ganzen Welt für unsere lokalen und globalen Kunden. Die Zollner-DNA ist uns hier sehr wichtig, und darauf werden wir ein besonderes Augenmerk legen.

Ich denke, in fünf Jahren werden wir auch viele unserer Prozesse weiter digitalisiert haben und sind damit in der Lage, in allen Regionen effizient komplexe EMS-Lösungen für unsere Kunden anzubieten. Somit bleiben wir auch ein attraktiver Arbeitgeber für unsere jungen Talente.

Gibt es Märkte oder Technologien, bei denen Sie sagen: „Da wollen wir unbedingt vorn mitspielen“?

Wir konzentrieren uns darauf, Potenziale frühzeitig zu erkennen, technologisch führend zu bleiben und flexibel auf neue Anforderungen zu reagieren – ein Mix aus Innovation, Anpassungsfähigkeit und Praxisnutzen. Dabei bleiben wir stets aufmerksam für Chancen in passenden Märkten und Technologien. Interessante Themen sind da durchaus in den Bereichen Datenverarbeitung, Aerospace and Defence oder auch der Robotik beheimatet.

Wie fühlt sich der Markt gerade an? Der Gegenwind (nicht nur) für EMS-Unternehmen ist ja allseits spürbar ...

Die EMS-Branche ist herausfordernd: Lieferkettenvolatilität, steigende Kosten, ein insgesamt vorsichtiges Nachfrageverhalten und geopolitische Spannungen erfordern maximale Flexibilität. Kontinuierliche Veränderung, schnelles Reagieren auf neue Rahmenbedingungen und Unsicherheiten sind damit längst nicht mehr Ausnahmen, sondern prägen als neue Normalität das tägliche Geschäft der EMS-Branche.

Welche technologischen Trends müssen Elektronik-Hersteller heute unbedingt auf dem Radar haben, um in fünf Jahren noch relevant zu sein?

Ich denke, außer der üblichen Miniaturisierung und der fortschreitenden Automatisierung sind Technologietrends wie KI und digitale Zwillinge nach wie vor prägend in unserem Umfeld. Was wir als Zollner aber ebenfalls treiben, ist die Digitalisierung im administrativen Umfeld. Viele Geschäftsabläufe im B2B-Segment funktionieren teilweise noch genauso wie vor 20 Jahren. Hier besteht massives Automatisierungspotenzial auch durch die digitalen Anbindungen an unsere Geschäftspartner. Aus technologischer Sicht beobachten wir momentan sehr genau, was in der Mikroelektronik passiert. Kleine Strukturgrößen bei gleichzeitig steigender Komplexität in den Halbleitern bringen auch größere Herausforderungen im Produktionsumfeld der EMS mit sich. Packaging könnte eines der Potenziale in der Zukunft sein.

„Wichtig ist für uns, in Zukunft auch in den internationalen Regionen autonom handlungsfähig zu sein“

Wie ordnen Sie aus Sicht von Zollner die aktuellen Herausforderungen für die Lieferkette(n) ein?

Wir hören zum Teil wieder von aufkommenden Engpässen in einzelnen Teilbereichen. Für mich ist dies teilweise schwer nachvollziehbar, da mit Ausnahme der Bereiche KI gepaart mit dem Bedarf an Datacenter und Defense der Marktbedarf nach wie vor schwach ist.

Differenzierter muss man in Europa die Situation in der Leiterplatte betrachten. Die Anzahl der Anbieter hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten dramatisch reduziert. Wenn nun der Bedarf wieder anzieht und Forderungen nach einer lokalen Supply Chain bei der Leiterplatte erfüllt werden müssen, wird es zu Lieferengpässen kommen.

Und im Hinblick auf das ständige Hin und Her der US-amerikanischen Importzölle? Wie stellt man sich als globales Großunternehmen darauf ein? Wie gelingt es da überhaupt, eine solide Planung aufzustellen?

Im Bereich der Zölle sieht man, wie stark politische Entscheidungen die Branche beeinflussen können. Wir sind seit einiger Zeit den Weg gegangen und haben in Produktionsstandorte in den Regionen investiert, um für unsere globalen Kunden international besser aufgestellt zu sein. Wichtig ist für uns, in Zukunft auch in den internationalen Regionen autonom handlungsfähig zu sein. Das Hin und Her mit den Zöllen wird definitiv Lieferketten verschieben. Wir sehen das heute schon deutlich in alle Richtungen. Europa nach USA, USA nach China, China nach Südostasien und so weiter. Wichtig ist für uns, global das gleiche Dienstleistungsportfolio anzubieten, wie es unsere Kunden auch in Europa gewohnt sind.

Die einzige Konstante ist die Veränderung, und die müssen wir als Dienstleister immer proaktiv mitgehen. Wir planen auf Sicht und treffen strategische Entscheidungen in Bezug auf unsere globale Ausrichtung. Als Familienunternehmen können wir mit mehr Ruhe und Weitblick an neue Gegebenheiten herangehen. Das ist bei uns ein entscheidender Vorteil.

Einige EMS umgehen die US-Importzölle durch einen Fertigungsstandort im Mexiko und das damit greifende USMCA-Abkommen, nach dem Lieferungen in die USA zollfrei erfolgen können. Wie setzt Zollner das um? Setzen Sie nach wie vor auf den Standort Costa Rica?

Ja das tun wir. Wir erweitern momentan unsere Kapazität in Costa Rica. Für uns ist das strategisch der beste Standort in Mittelamerika. Wir haben ein tolles, hochqualifiziertes Team, und geopolitisch gesehen steht Costa Rica immer schon in sehr guten Handelsbeziehungen mit den USA.

Wie geht Zollner mit den gestiegenen Energiekosten am Heimatstandort Deutschland um? Sind steigende Energiekosten auch weltweit ein Thema?

Energiekosten sind immer ein Thema. Wir müssen aber auch fairerweise sagen, dass der Energiebedarf in unseren Produktionen nicht so hoch ist wie im Halbleiterbereich oder auch in den Leiterplattenproduktionen. Wir haben und werden auch weiterhin dennoch im Sinne der Nachhaltigkeit und im Sinne der Autarkie in regenerative Energien investiert.

„Wir haben in den letzten fünf Jahren unseren Umsatz annähernd organisch verdoppelt“

Gibt es Projekte oder Entwicklungen im Unternehmen, auf die Sie gerade besonders stolz sind?

Stolz bin ich auf unser weltweites Team. Wir haben in den letzten fünf Jahren unseren Umsatz annähernd organisch verdoppelt. Das ist eine enorme Leistung unserer Mitarbeiter. Wir sind weltweit über 12.000 Beschäftigte und leben immer noch den Geist eines Familienunternehmens. Wir halten zusammen, nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt. Das macht uns stark, und ich möchte auch sagen: einzigartig.

Stehen neue Standorte, größere Investitionen oder spannende Partnerschaften in den Startlöchern?

Natürlich beschäftigen wir uns intensiv mit unseren Märkten und den regionalen Entwicklungen. Konkrete Details möchte ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht nennen. Grundsätzlich prüfen wir aber kontinuierlich, wie wir unsere Kapazitäten langfristig sinnvoll und nachhaltig weiterentwickeln können, Kunden noch näherkommen und gleichzeitig in Digitalisierung, Automatisierung und strategische Partnerschaften investieren. Ein aktuelles Beispiel ist die Übernahme von Bluechips Microhouse in Thailand, mit der wir unsere Präsenz in Asien stärken. Dort investieren wir unter anderem in den Ausbau technologischer Kapazitäten wie Modul- und Gerätefertigung, Kabelkonfektionierung, Blechverarbeitung und einen neuen Reinraum nach ISO-Klasse

Künstliche Intelligenz ist inzwischen in den Produktionen angekommen – wie weit sind Sie damit schon in Ihren Fertigungen, und wo sehen Sie den größten Hebel für Zollner?

KI setzen wir gezielt in Qualitätskontrolle, Wartungsvorhersagen und Produktionsoptimierung ein. Durch unsere einheitliche Datenbasis weltweit haben wir hier die idealen Grundlagen geschaffen, um dies kontinuierlich weiterentwickeln zu können, und wir sehen hier durchaus noch weitere Anwendungsfälle. Daneben ergeben sich aber auch in allen administrativen Prozessen große Potenziale, die wir schon angegangen sind und noch weiter optimieren werden.

„Die EMS-Branche bietet Berufseinsteigern einen sicheren Zugang zu einer zukunftsorientierten Industrie“

Warum würden Sie Berufseinsteigern hierzulande empfehlen, sich in der EMS-Branche zu bewerben?

Ich denke, es gibt wenige Berufsfelder, in denen man mit dieser Fülle an unterschiedlichen Branchen und den neuesten Technologien zu tun hat. Dadurch ergeben sich tagtäglich neue Herausforderungen.

Die EMS-Branche bietet Berufseinsteigern einen sicheren Zugang zu einer zukunftsorientierten Industrie mit breitem Einsatzspektrum und vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten. Sie ermöglicht Einblicke in komplexe, innovative und internationale Projekte sowie interdisziplinäres Arbeiten. Dabei sammeln sie schnell wertvolle Erfahrungen in unterschiedlichen Technologien und Branchen.

Welche Möglichkeiten bietet Zollner für MINT-Studienabgänger?

Bei Zollner fördern wir Nachwuchskräfte in Talentprogrammen und internationalen Projekten. Zusätzlich setzen wir auf kontinuierliche Weiterbildung, Vertiefung ihrer Fähigkeiten, Kompetenz- und Nachfolgemanagement sowie Führungskräftequalifizierung, um Mitarbeiter langfristig zu binden und optimal auf zukünftige Herausforderungen vorzubereiten.

Welchen Ratschlag würden Sie Ihrem eigenen Berufsanfänger-Ich heute geben?

Immer offen für Neues zu sein und der negativen Grundstimmung, der man überall in Deutschland begegnet, mutig und positiv entgegenzutreten.


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