Marktumfrage zu Auflötmodulen

OSM-Standard polarisiert die Embedded-Branche

17. Juli 2023, 12:30 Uhr | Tobias Schlichtmeier
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Im Dezember 2020 wurde mit OSM der erste Standard für Lötmodule von der SGET verabschiedet. Mittlerweile steigt die Nachfrage nach Auflötmodulen im Allgemeinen und OSM-Modulen im Speziellen rapide an. Welche Punkte für und gegen die jeweilige Modulvariante sprechen, zeigt die aktuelle Marktumfrage.

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Ein wichtiger Grund für das Entwickeln von OSM-Modulen sei die kleine Modulgröße. Hierdurch seien neue Applikationen erreichbar, berichtet Markus Mahl, Senior Product Marketing Manager Boards bei Avnet Embedded. Hinzu kommt, »dass auf einem OSM-Modul viele Bausteine aufgesetzt werden können«, erklärt Moritz Weber, Hardware-Entwickler bei F&S Elektronik Systeme, die vom ersten Tag an der Ratifizierung beteiligt waren.

Für Kontron Electronics – ebenfalls von Beginn an bei OSM aktiv – vereinheitlicht der Standard die Vielfalt der Module unterschiedlicher Hersteller hinsichtlich Baugröße, Pinbelegung und Schnittstellen, berichtet Martin Schiller, Channel Sales Manager bei Kontron Electronics. Martin Steger, Geschäftsführer bei iesy und Kassier der SGET, nennt vor allem den Open-Source-Ansatz, die hohe Packungsdichte sowie die große Verfügbarkeit als Motivatoren für OSM-Module.

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Markus Mahl, Avnet Embedded: »Der Wechsel zu einer neuen Prozessorgeneration mit einer besseren Energieeffizienz ist einfacher.«  
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Im Gegensatz dazu gibt es jedoch ausreichend Argumente gegen OSM und für eigene Modulentwicklungen, wie Konrad Zöpf, Deputy Director TQ-Embedded bei der TQ-Group berichtet: »Wir können ohne Einschränkungen herstellerspezifische Schnittstellen und Funktionen einer CPU berücksichtigen und auf zukünftige Entwicklungen und Marktanforderungen besser eingehen.«

In die gleiche Kerbe schlägt DH electronics: »Wir bieten mit der ‚DHCOR‘-Familie lötbare System-on-Modules an und können im Gegensatz zu OSM alle Funktionen des System-on-Chip zur Verfügung stellen«, erklärt Magdalena Daxenberger, Marketing & Innovation Manager bei DH electronics. Marcus Lickes, Geschäftsführer bei Phytec Messtechnik, unterstreicht diese Aussagen: »Ziel unserer Entwicklung sind Module, die an die Anforderungen unserer Kunden perfekt angepasst sind und die Features der jeweiligen Prozessoren optimal nutzen.«

Nachfrage steigt rapide an

Dass beide Varianten ihre Abnehmer finden, zeigt die Nachfrage nach Auflötmodulen im Allgemeinen. Avnet Embedded sieht ein sehr hohes Interesse am Markt und designt OSM-Module bereits erfolgreich ein – mit sehr hohen Stückzahlen von größer 100.000 Stück pro Jahr und Projekt, berichtet Mahl. Auch Kontron Electronics zeigt sich zufrieden mit der Nachfrage: »Gerade kleinere Unternehmen interessieren sich für OSM, um nicht von einem einzigen Lieferanten abhängig zu sein«, berichtet Schiller. Darüber hinaus seien die Module gerade für mittlere und große Stückzahlen interessant, da sie eine kurze Time to Market und jederzeit ein Update zu mehr Rechenleistung ermöglichen, erklärt er. »Generell liegen die heute angefragten Stückzahlen über denen der seit Langem eingeführten SMARC-Module und damit bei einer hohen Nachfrage«, ergänzt Claus Giebert, Product Sales Manager modular solutions bei Advantech.

Daxenberger Magdalena
Magdalena Daxenberger, DH electronics: »Grundsätzlich erlaubt uns der proprietäre Ansatz, die Modulgröße immer individuell und so klein wie möglich zu gestalten.«
© DH electronics

Zöpf bestätigt die Nachfrage nach Lötmodulen – auch ohne Standard: »Gerade bei Projekten mit höheren Stückzahlen steigt die Nachfrage aufgrund des Kostenvorteils stark an.« Und auch bei DH electronics zeigt sich dieselbe Entwicklung; Treiber ist laut Daxenberger die zunehmende Digitalisierung. Die Nachfrage käme hierbei aus allen Branchen, beispielsweise setze man DHCOR-Module in Ladestationen, Bahnapplikationen sowie Messgeräten ein. Phytec hat bis heute mehr als eine halbe Million Auflötmodule ausgeliefert. »Ausgelöst wurde diese Nachfrage durch leistungsfähige SoMs mit vollwertigem Linux zu sehr günstigen Einstiegspreisen von unter 20 Euro«, so Lickes.

Vorteile auf beiden Seiten

Ein Vorteil der Standardisierung ist die »True Second Source«, berichtet Richard Pinnow, Business Development Manager Modules bei Adlink Technology. Schiller sieht vor allem die Vorzüge aufseiten der Skalierbarkeit und der Flexibilität über die verschiedenen Prozessorgenerationen hinweg. »Zudem fallen für das Upgrade eines Carrier-Boards lediglich begrenzte Entwicklungs- und Zertifizierungskosten an«, so Schiller weiter. Auch iesy und Advantech sehen diese Punkte als Vorteile der Standardisierung an und ergänzen die Punkte niedrige Kosten für Redesigns sowie eine langfristige Verfügbarkeit von Applikationen und entsprechender Hardware.

Ebenso findet man Punkte, die für den Einsatz proprietärer Module sprechen. Für DH electronics »bieten sie den großen Vorteil, dass alle SoC-Features verfügbar sind und Pins vom Kunden individuell genutzt werden können«, erklärt Daxenberger. Laut Zöpf könne TQ beim Design darauf achten, dass die Signalintegritäten von Schnittstellen eingehalten werden. »Das erreichen wir mit möglichst kurzen Leitungslängen.«

Standard-Formfaktoren seien aus Sicht von Phytec ein Kompromiss, bei dem die Schnittstellen der Prozessoren zugunsten der Kompatibilität beschnitten werden und Module größer seien als nötig, ergänzt Marcus Lickes und fügt an: »Wir sind überzeugt, mit unseren bestehenden proprietären Ansätzen und insbesondere mit der gerade aktiven Weiterentwicklung unseres patentierten proprietären Lötstandards das bessere und innovativere Gesamtpaket zu bieten.« Zumal – so Phytec – auch Standardmodule aus Second und Third Sources nicht helfen, wenn der gesuchte Prozessor oder ein anderes kritisches Bauteil generell nicht am Markt verfügbar ist.

Schiller Martin
Martin Schiller, Kontron Electronics: »Gerade kleinere Unternehmen interessieren sich für OSM, um nicht von einem einzigen Lieferanten abhängig zu sein.«
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Individuelle Größen stehen vier Formfaktoren gegenüber

Bei den Modulgrößen bietet TQ seinen Kunden die Maße 31 mm × 31 mm und 38 mm × 38 mm an. »Je nach Anforderungen an die Designgrundlagen der CPU können wir die Größe der Module anpassen und müssen keine Kompromisse auf Kosten der Funktion und Qualität eingehen«, erklärt Zöpf. Ähnliche Maße entwickelt DH electronics: »Aktuell haben all unsere Auflötmodule eine Größe von 29 mm × 29 mm. Grundsätzlich erlaubt uns der proprietäre Ansatz, die Modulgröße immer individuell und so klein wie möglich zu gestalten«, erklärt Daxenberger. Auch bei Phytec entwickele man die Module so klein wie möglich, erklärt Lickes.

Wenig Gedanken muss sich ein Kunde über die Größe des OSM-Moduls machen – er kann aus Size 0, S, M und L wählen. »Wir decken alle Formfaktoren – Size 0 (30 mm × 15 mm) bis Size L – ab und bieten aktuell mit insgesamt zehn Modulen das umfangreichste und breiteste OSM-Portfolio«, erklärt Martin Steger. Iesy entwickele gerade das erste OSM-x86-Modul auf einer Intel-Plattform, so Steger weiter. Adlink Technology fokussiert sich hingegen auf den L-Formfaktor (45 mm × 45 mm) und adaptiert zukünftig sowohl Arm- als auch x86-Prozessortechnik; bei Kontron Electronics legt man den Fokus derweil auf Size S (30 mm × 30 mm) mit Arm-Prozessoren – der Formfaktor M (30 mm × 45 mm) soll jedoch folgen. Bei Advantech sei bereits ein Size-S-Modul verfügbar, zudem arbeite man gerade an einer Size-L-Variante, ergänzt Giebert.

Lickes Marcus
Marcus Lickes, Phytec Messtechnik: »Ziel unserer Entwicklung sind Module, die an die Anforderungen unserer Kunden perfekt angepasst sind und die Features der jeweiligen Prozessoren optimal nutzen.«
© Phytec

Software-Support wichtiger denn je

Aus Sicht von Avnet Embedded bringt der OSM-Standard weitere Vorteile bei der Langlebigkeit und Energieeffizienz mit sich. »Der Wechsel zu einer neuen Prozessorgeneration mit einer besseren Energieeffizienz ist einfacher«, so Mahl. Pinnow verweist auf den längeren Lifecycle mit OSM-Modulen, und Giebert ergänzt: »Bedingt durch die hohe Zahl alternativer Anbieter und Module ist im Zweifelsfall ein Wechsel auf ein anderes SoC einfach möglich, was eine längere Verfügbarkeit bedeutet.«

Wenig Einfluss der jeweiligen Technik auf die Energieeffizienz sieht indes Zöpf. Er meint, die Energieeffizienz werde im Wesentlichen von der Auswahl der Core- und Speichertechnik beeinflusst. Daxenberger weist außerdem auf folgenden Pluspunkt hin: Generell seien Lötverbindungen deutlich robuster gegenüber Schmutz und Vibrationen als Module mit Steckverbinder.

Last but not least »profitieren OSM-Kunden von einem einheitlichen Board-Support-Package. Weil der Software-Support immer wichtiger wird, ist das ein wesentliches Kriterium pro OSM in kostensensitiven Projekten«, erklärt Mahl. Pinnow unterstreicht das: »Die Software-Entwicklung kann an Tag 0 des Projektes begonnen werden.« Doch auch Phytec sorgt mit Angeboten wie Software-Lifecycle-Management, Security-Dienstleistungen und CVE-Monitoring dafür, dass der Lebenszyklus maximal verlängert werden kann, weiß Lickes zu berichten. 


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