Seit 2020 gibt es den OSM-Standard für Auflötmodule. Langsam wächst das Angebot an Modulen unterschiedlicher Hersteller an – und mit dem Angebot steigt die Nachfrage. Der Embedded-Hersteller iesy hat das erste OSM-Modul auf Basis eines x86-Prozessors entwickelt.
Markt&Technik: Herr Steger, Sie haben mit dem »iesy EHL OSM-LE« ein Modul im OSM-Standard entwickelt, das die Trends der Miniaturisierung und Energieeffizienz befeuert. Welche Eigenschaften besitzt das Modul?
Martin Steger, CEO von iesy: Das Modul ist aktuell eines der kleinsten standardisierten x86-Embedded-Computermodule der Welt. Es benötigt für über 660 Kontaktpunkte lediglich 45 mm × 45 mm Fläche, ist klein, robust, energieeffizient und leistungsstark. Das Modul kombiniert die Eigenschaften der Miniaturisierung, Energieeffizienz und Leistungsfähigkeit auf eine neue Art und Weise. Aus unserer Sicht ist das ein Meilenstein in der Evolution von Embedded-Computermodulen.
In welchen Applikationen kann das Modul zum Einsatz kommen?
Unser Modul ist für leistungsfähige Edge-Applikationen konzipiert. Schon heute sind im IoT Milliarden Geräte miteinander vernetzt – und es kommen täglich neue hinzu. Das aktuelle IoT-Marktvolumen beträgt allein in Deutschland fast 30 Mrd. Euro und soll bis 2028 auf über 50 Mrd. Euro steigen. In der vernetzten Welt ist der Bedarf für Embedded-Computermodule riesig – die Anwendungsfelder reichen von Industrie 4.0, Robotik, Luft- und Raumfahrt bis hin zur Medizin- und Sicherheitstechnik. Unser Modul kann überall dort zum Einsatz kommen, wo viele Daten in Echtzeit zu verarbeiten sind, beispielsweise bei der intelligenten Steuerung von Maschinen, Fahrzeugen oder medizinischen Geräten.
Sie sprechen von einem Durchbruch. Was macht Ihr Produkt so besonders?
Das IoT sowie Edge-Computing erfordern Rechenleistung auf sehr kleinem Bauraum. Insbesondere dann, wenn es sich um vernetzte Computersysteme handelt, deren Komponenten kosteneffizient und in hohen Stückzahlen produziert werden müssen. Bisher wurden die meisten Embedded-Computermodule darauf nicht optimiert. Oftmals sieht man deutliche Abstriche bei Leistung, Skalierbarkeit oder Miniaturisierung – hiermit wollten wir uns nicht abfinden.
Mit welchen Eigenschaften differenzieren Sie sich von Mitbewerbern am OSM-Embedded-Markt?
Ein Modul im Open-Standard-Module(OSM)-Formfaktor mit x86-Prozessor gab es bisher nicht. Wir sind weltweit der erste Anbieter, dem die Integration gelungen ist – gemeinsam mit unserem Entwicklungspartner MitWell. Für industriell skalierbare High-Performance-Applikationen ist das eine große Innovation. Außerdem haben wir auf Basis des im Standard definierten Höhenkonzepts einen sogenannten Spacer in das Modul integriert. Der Spacer ermöglicht es uns, Bauteile auf der Unterseite des OSM-Moduls ohne eine Aussparung im Basisboard unseres Kunden zu platzieren.
Welche Rolle spielt die Elkhart-Lake-Technologie von Intel für Ihr Modul?
Die Elkhart-Lake-Prozessoren stellen unserem Modul die nötige Leistung für anspruchsvolle Rechenaufgaben im IoT-Umfeld zur Verfügung. Ein Merkmal der Prozessoren ist, dass sie für den Einsatz in IoT-Geräten optimiert sind. Viele Optionen hinsichtlich der Konnektivität sowie eine große Bandbreite in Verbindung mit vielen neuen Funktionen verschaffen den Prozessoren von Intel einen gewissen Vorsprung gegenüber der Arm-Architektur.
Welche Umsatz- und Stückzahlen möchten Sie mit dem Modul erzielen – und gibt es bereits erste Kundenprojekte?
Die Nachfrage ist groß – bereits während der Entwicklungsphase haben wir uns eng mit potenziellen Kunden ausgetauscht und deren Bedürfnisse und Wünsche aufgenommen. Langjährige Kundenbeziehungen und unsere Branchenerfahrung haben uns hierbei sehr geholfen. Global streben wir mit dem Modul in wenigen Jahren sechsstellige Stückzahlen an. Der internationale Markt ist reif für einen zukunftsfähigen Embedded-Standard für Auflötmodule. Unser Modul zeigt, was in diesem Bereich bereits möglich ist.
Das neue Modul ist nach OSM-Richtlinien designt. Warum ein standardisiertes und kein proprietäres Modul?
Weil die Vorteile für unsere Kunden überwiegen. Als Kunde wollen Sie flexible, kostengünstige und skalierbare Module erwerben – all das bringt ein standardisiertes Modul mit sich. OSM-Module unterschiedlicher Leistungsklassen und Hersteller in einer Applikation zusammen einzusetzen ist nicht aufwendig. Gerade in Hinblick auf die Lieferengpässe der vergangenen Jahre ist das für viele Entwickler ein immer wichtigeres Kriterium. Außerdem lassen sich die Module automatisiert weiterverarbeiten, was ebenfalls Kosten spart.
Oft heißt es, proprietäre Module seien spezialisierter und würden die Kundenbedürfnisse daher besser erfüllen. Hierbei unterschätzen Experten allerdings den Wunsch des Kunden nach skalierbaren und gut verfügbaren Modulen. Immer wichtiger sind Entscheidern der Branche zudem hohe Stückzahlen zu niedrigen Preisen, gerade im industriellen IoT-Umfeld.
Vor allem bei energieeffizienten und kompakten Modulen setzen Embedded-Hersteller meist auf die Arm-Architektur. Warum setzen Sie in dem Fall auf x86 – was antworten Sie möglichen kritischen Stimmen?
Arm-Prozessoren sind »State of the Art« und für kleine Embedded-Computersysteme entsprechend weit verbreitet. Selbstverständlich bieten wir ebenfalls OSM-Module auf Basis der Arm-Architektur an. In bestimmten Anwendungsbereichen ist jedoch der Einsatz von x86-Prozessoren die bessere Alternative – und genau diese adressieren wir mit unserem neuen CPU-Modul. So können wir beispielsweise ab sofort erstmals Windows-Betriebssysteme auf OSM-Basis anbieten. Grundsätzlich bieten x86-basierte Architekturen Vorteile im Zusammenspiel mit leistungsfähiger Peripherie wie hochauflösenden Kamerasystemen. Für Echtzeit- und KI-Applikationen ist das zum Beispiel ein fundamentaler Mehrwert.
Beabsichtigen Sie, Ihre Partnerschaft mit Intel auszubauen und/oder Prozessoren von anderen Anbietern auf Ihren OSM-Produkten zu adaptieren?
Tatsächlich sehen wir aktuell, dass uns Intel und andere namhafte Prozessorhersteller auf einem ganz anderen Level unterstützen als noch vor einem Jahr. Wir erhalten einen deutlich besseren Einblick in die anstehenden Innovationen und kommenden Prozessorgenerationen. Das hilft uns ungemein, unser OSM-Portfolio weiter auszubauen. Insofern können Entwickler bald mit weiteren Neuheiten und Produkten von iesy im OSM-Standard rechnen.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Steger.