M&T-Forum »Obsolescence Management«

Strategien zur Risiko-Minimierung

7. November 2016, 14:20 Uhr | Erich Schenk
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Fehlendes Bewusstsein

Würth, Axel Wagner
Axel Wagner, Würth Elektronik eiSos: »Wir werden als Hersteller der erste sein, der Produktänderungen und Abkündigungen via smartPCN verschickt.«
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»Das Bewusstsein für Obsolescence noch nicht so, wie es nötig wäre«, bedauert Heinbach. Das gelte nicht nur für die Entwickler und Einkäufer, sondern auch für die Controller und vor allem die Firmenchefs. Heutzutage kann man Ermel zufolge »in Deutschland seinen Master of Engineering machen, ohne das Wort Obsolescence gehört zu haben«. Man müsse die Hochschule ja nicht als Obsolescence-Management-Epxerte verlassen. Wichtig für den Uniabsolventen sei aber zu wissen, dass es mittlerweile ein wichtiges Thema bei der Entwicklung neuer Produkte sei. Das Thema komme zwar nun mehr und mehr in wissenschaftliches Arbeiten mit hinein, sei aber noch nicht Standard der Ingenieursausbildung.

In dieser Richtung aktiv ist Display-Experte Prof. Karlheinz Blankenbach von der Hochschule Pforzheim. Weil sich Obsolescence prinzipiell nicht verhindern lässt, die Frage nur laute, wie man damit umgehe, »gehört das Thema auf den Lehrplan«, fordert Wagner. Um diese Lücke zu füllen, gibt es von der COG-Mutter IIOM ein Ausbildungsprogramm als Zusatzqualifikation zum Obsolescence-Manager. Ob das 6-wöchige Programm auch von der COG in Deutschland angeboten werde, »ist noch nicht entschieden«, sagt Ermel. Bis dahin bleibt Bartel zufolge den Unternehmen nichts anderes übrig, als »schlussendlich Elektronik-Ingenieure und auch Betriebswirtschaftler darin zu schulen, was Obsolescence-Management ist«.

Revision der ISO 9001/Risk Management

Die Revision 2015 der ISO9001 hält Kälber für einen wichtigen Schritt, den enormen Stellenwert des Obsolescence Management nun auch in den Köpfen der Firmenchefs zu verankern: »Dem Thema Risk Management trägt die Revision 2015 der ISO9001 deutlich stärker Rechnung, und zwar nach oben, da bin ich gespannt, wie sich das in vielen Firmen darstellen wird.« Spätestens 2018 wird die alte Version abgelöst. Der wesentliche Ansatz sind Risk Management, Wissensmanagement und Dokumentation, die neue Version ist also »deutlich mehr Managementlastig«. Das Wort »Obsolescence« taucht allerdings in der Revision nicht auf.

Skeptisch ist hingegen nach wie vor Wagner, ob die Verantwortlichen im Unternehmen »das Obsolescence Management nun aus unternehmerischer Sicht genauso betreiben wie etwa eine Feuerschutzanlage, es von Anfang an auf einem gewissem Niveau haben und ins Budget mit einrechnen«. Die Sensibilisierung des Controllers gelänge nur über das Kontrollinstrument Risk Management. Für Heinbach ist ebenfalls wichtig, dass die Firmenleitung mit im Boot ist, denn »die treiben den Controller an, soundsoviele Mio. Euro im Jahr zu sparen«. Ermel fügt an, man müsse auswerten, was für Kosten bei Obsolescence anfallen, um dem Controller gegenüber argumentieren zu können, dass es beispielsweise Sinn mache, »Bauteile, die wenig kosten, frühzeitig in ausreichender Menge auf Lager zu legen«.

Einlagern von Bauteilen

Bei besonders wichtigen Komponenten, die langzeitverfügbar sein müssen, bleibt bisweilen nur das Einlagern, teils bei niedrigen Temperaturen und/oder in Schutzatmosphäre. Deshalb kommen aus finanziellen Gründen nur hochwertige Teile für diese Verfahren in Frage, »C-Teile für ein paar Cent lagert keiner für Tausende von Euro ein«, sagt Wagner. Aus technischer Sicht zu berücksichtigen ist das Problem der Diffusion von einem Material ins andere Material - nicht nur bei Halbleitern. »Wenn es mal verlötet ist, hält es ewig, andernfalls kann es nach einer gewissen Zeit Probleme geben.« Auch die Verpackung kann Schwierigkeiten bereiten, weil sie porös wird. Im Wesentlichen geht es um die Verarbeitbarkeit, wobei allerdings manche Bauteile schneller altern, wenn sie mit Strom betrieben werden, manche altern dagegen schneller ohne Strom.

Puls, Ulrich Ermel
Ulrich Ermel, Puls: »Man kann heute in Deutschland seinen Master of Engineering machen, ohne das Wort Obsolescence gehört zu haben.«
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Bauteilbezeichnung
Keine verbindliche Nomenklatur
Die Nomenklatur für Produktbezeichnungen nennt Heinbach schlicht einen »Gau«, denn es gibt keine verbindliche Nomenklatur, wie Bauelemente heißen müssten. Sarkastisch meint Reiter, »alle Hersteller haben für sich eine schlüssige Nomenklatur«. Um nun dem Entwickler das Finden eines Bauteils zu erleichtern, hat Digi-Key die Datenbank umgestellt. Bei Produktbeschreibungen kann man filtern, indem man bis zu 30 Bereiche ankreuzt, Funktionen wegkreuzt, um so ein passendes Bauteil zu finden als Alternative zur nicht mehr erhältlichen Komponente. Allein bei den Bauformen »gibt es einen Wildwuchs, SO8 heißt nicht mehr überall SO8, das finde ich schon schwierig«, konstatiert Bartel. Ein Manko ist Sommer zufolge, dass »die jungen Leute heute Datenblätter nicht mehr gescheit lesen können«, andernfalls würden sie leicht ein passendes Alternativprodukt finden.

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  1. Strategien zur Risiko-Minimierung
  2. Software-Obsolescence
  3. Fehlendes Bewusstsein
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