In den letzten zwei Wochen hat die chinesische Luftwaffe mit intensiven, regelmäßigen Nadelstichen den taiwanischen Luftraum verletzt. Können Sie da eigentlich noch ruhig schlafen?
Die sich zuspitzende Situation dort beunruhigt mich sehr. Vor allem wird das nicht so einfach verschwinden. Das Südchinesische Meer zählt sicherlich zu den sensibelsten Standorten, die es derzeit gibt. Die entscheidende Frage für mich lautet: Ist das „nur“ Säbelrasseln oder ist das schon mehr? Bei der Auseinandersetzung zwischen Taiwan und China handelt es sich um einen Systemkonflikt, das macht die Sache so gefährlich. Wir versuchen uns auf alle Eventualitäten vorzubereiten und haben uns inzwischen ein großes und leistungsfähiges EMS-Netzwerk aufgebaut.
Sie sprechen von einem Systemkonflikt. Hat der Westen, haben auch die politisch Verantwortlichen in Europa zu lange nur den Absatzmarkt China gesehen und die Systemgegnerschaft des kommunistischen Systems einfach ausgeblendet?
Wir sollten die rosa Brille abnehmen: Let´s face reality! China verfolgt ein strategisch langfristiges Business-Konzept. Wer das akzeptiert, hat ein völlig neues Setting. Realität ist, dass man heute nicht mehr von China als verlängerter Werkbank der Industrienationen sprechen kann. Man muss aber auch festhalten, dass die gegenseitigen Abhängigkeiten heute bereits wesentlich höher sind, als viele das wahrhaben wollen. Wie bereits erwähnt: Um Europa wieder in eine wettbewerbsfähige Position zu bringen, bedarf es eines ökologisch-ökonomischen Masterplans, bei dem aber auch alle mitspielen müssen. Das schließt dann auch Details ein wie, dass die Vergabekriterien der EU in Zukunft ökologisch-ökonomisch sinnvolles Verhalten fördern müssen und nicht nur Ausdruck neoliberaler Wirtschaftspolitik sein dürfen. Aber das muss politisch definiert werden! Wir müssen klären, welchen Preis wir in Europa bereit sind zu zahlen für eine ökonomisch unterfütterte ökologische Wende.
Sie sprachen zuvor vom Fachkräftemangel. Welche Rolle spielt er bei den Anstrengungen, die Wettbewerbsfähigkeit Europas wieder zu erhöhen?
Fachkräftemangel ist ein globales Problem. Gleichzeitig ist die Lösung dieses Problems aber entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung eines neuen, zukunftsfähigen Gesamtkonzept für die europäische Wirtschaft. Der Kontinent, dem es gelingt, das Intellectual Property seiner jungen Generation am umfassendsten zu heben und in sein zukünftiges Gesamtsystem zu integrieren, wird im Wettstreit der Systeme letztlich als Sieger vom Platz gehen. Die Tatsache, dass grade junge Wähler in Deutschland Gelb und Grün gewählt haben, macht Hoffnung auf eine sozial, ökologisch und ökonomisch verträgliche Zukunft.
Das wäre die große Lösung aus Sicht der Politik. Wie werden sich die deutschen und europäischen Stromversorgungsspezialisten in den nächsten Jahren gegen den Wettbewerb aus Asien behaupten können?
In Europa haben wir die Situation eines hochgradig zersplitterten Stromversorgungsmarktes, der häufig von kleinen und mittelständischen Firmen geprägt ist. Durch anstehende Generationswechsel in den Firmen droht hier in den nächsten Jahren viel Know-how verloren zu gehen. Finden Sie heute einmal einen guten Analog-Entwickler! Künstliche Intelligenz kann uns hier helfen, das Problem zumindest zu mildern. Es gibt Ansätze neuer Design-Plattformen, die über die reine parametrische Suche und ein ausgeworfenes Datenblatt hinausgehen und Entwicklern Lösungen liefern, die schon sehr gut sind und die diese dann noch optimieren können. Da ploppen gerade eine ganze Reihe von Startups wie etwa Celus in München hoch, die basierend auf dieser Idee das Jetzt optimieren wollen! Diese Konzepte bieten nicht nur dem Entwickler massive zeitliche Vorteile, sondern auch dem Hersteller, wie die Möglichkeit von einem voll digitalen Ablegen aller notwendigen Informationen, damit Ingenieure die richtige Komponentenauswahl treffen können. Als Komponentenhersteller kann man somit auch vollautomatisiert direkt in den Entwicklungsprozess eingebunden werden. Das wird in Zukunft sicher auch Auswirkungen auf das traditionelle Distributionsgeschäft haben.
Nachdem sich das Messegeschehen zuletzt nur noch virtuell abspielte, sieht es jetzt so aus, als ob es in naher Zukunft wieder große Präsenzmessen geben wird. Sind Sie froh darüber?
Ich bin sehr froh darüber, dass die Zeit virtueller Messen zu Ende geht! Unsere Erfahrungen in den letzten eineinhalb Jahren haben gezeigt, dass man dort keine Chance hat, wirklich eine neue Lösung zu präsentieren und dem Kunden dabei zu helfen, sie einzuordnen. Zwar bietet das Internet eine Unmenge an Informationen, aber wie sind diese zu bewerten, und wie lassen sie sich mit meinem Design oder meiner Produktidee in Einklang bringen? Und schließlich bieten Präsenzmessen die Möglichkeit, Politik und Wirtschaft ganz eng zu verzahnen. Das wird auch in Zukunft bitter nötig sein, um die angesprochenen Veränderungen voranzubringen und den Menschen auch immer wieder zu erklären. Ich finde, dass das beispielsweise auf der Hannover-Messe Industrie in der Vergangenheit immer sehr gut geklappt hat!